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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Republikanische Revolte Das entlarvt Trumps perfide Strategie
Wer steckt hinter der Revolte der Republikaner? Viel spricht dafür, dass mit dem Sturz von Kevin McCarthy ein perfider Plan von Donald Trump aufgegangen ist.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Der US-Kongress ist seit gestern führungslos. Wer den vakanten Posten des Sprechers im Repräsentantenhaus übernehmen wird, ist noch völlig unklar. Doch eines scheint sicher: Donald Trump wird es wohl eher nicht sein. Das Gerücht, er könne ihn übernehmen, kursiert schon lange. Seit Kevin McCarthy am Dienstag abgewählt worden war, nahm es richtig Fahrt auf. Denn mehrere Republikaner wollen ihn tatsächlich zur Wahl vorschlagen.
Am Mittwoch nahm Trump nun dazu Stellung. Am Rande eines aktuellen Gerichtstermins in New York, bei dem es um massenhaften Betrug seines Firmengeflechts geht, sagte er vor Reportern, er würde jetzt tun, was "das Beste für das Land und die Republikanische Partei" sei.
"Viele Leute" hätten ihn gefragt, ob er den Job nicht machen wolle. Trumps Antwort: Die Republikanische Partei hätte noch andere "großartige Leute", welche diese Aufgabe übernehmen könnten. "Mein ganzer Fokus liegt darauf, Präsident zu sein", so Trump. Wenn er beim Findungs-Prozess behilflich sein könne, fügte Trump noch vieldeutig hinzu: "Ich würde es machen." Gänzlich verneint hat er das Gerücht damit zwar nicht. Unwahrscheinlich wirkt es angesichts seiner Terminfülle trotzdem.
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Der Plan, Trump als Sprecher zu installieren
Fast zeitgleich gab in Washington dann ein enger Vertrauter von Kevin McCarthy seine Kandidatur bekannt. In informierten Kreisen kursierte diese Nachricht zwar schon am Dienstag. Jetzt aber gab Steve Scalise, Kongressabgeordneter aus Louisiana und aktueller Mehrheitsführer der Republikaner, offiziell bekannt: Er will der neue Sprecher werden.
Nach derzeitigem Stand scheint also nicht viel dran zu sein an dem Gerücht, Trump sei an dem Posten wirklich interessiert. Schon seit fast zwei Jahren macht es in Washington die Runde. Als Trittbrett für eine zweite Präsidentschaft sollte Trump demnach das Amt des Repräsentantenhaus-Sprechers nutzen wollen, um Joe Biden das Regieren unmöglich zu machen. Ein Speaker Trump hätte das ganze Parlament blockieren können und Joe Biden noch älter aussehen lassen, als er tatsächlich ist.
Inwiefern aber steckt Donald Trump womöglich doch hinter dem maßlosen und historisch bislang einmaligen Chaos im Kongress?
Ein lange bekannter und perfider Plan
Ein Kommentar, den der Ex-Präsident noch kurz vor der erfolgreichen Meuterei auf seinem Netzwerk Truth Social gepostet hat, wirkt diesbezüglich jedenfalls wenig glaubwürdig. "Warum kämpfen die Republikaner immer untereinander, warum kämpfen sie nicht gegen die linksradikalen Demokraten, die unser Land zerstören?", schrieb Trump mit mutmaßlich gespielter Fassungslosigkeit.
Denn was sich im US-Kongress nicht erst am Dienstag, sondern schon das ganze Jahr über abspielt, ist maßgeblich auf ihn zurückzuführen. Die Truppe um Matt Gaetz, Lauren Boebert und andere Rechtsradikale, die McCarthys Abwahl nun initiierten, gehört zu seinem treuesten Unterstützerfeld. Auch wenn unklar ist, wie viel direkten Einfluss er tatsächlich auf diese Abgeordneten hat, folgen sie alle einem perfiden und populistischen Plan. Ganz offen ausgesprochen wurde dieser schon vor vielen Jahren von Trumps ehemaligem rechtsradikalen Berater Steve Bannon.
Der äußerte sich kurz nach Trumps erster Wahl dazu, wie die Strategie aussehen sollte, damit Populisten nicht nur in den USA, sondern auch in Europa die Macht übernehmen könnten. Das Ziel, sagte Bannon damals, bestehe weniger darin, mit Abgeordneten die Mehrheit zu gewinnen, sondern vielmehr darin, genügend Populisten in die Parlamente zu bekommen. Damit ließen sich die demokratischen Prozesse verstopfen. Dieses zersetzende Prinzip nannte er "Command by Negation", also die Kunst, nicht nur mithilfe von Mehrheiten, sondern durch Blockade den eigenen Willen durchzusetzen.
Ein erpressbares Parlament
Nichts anderes macht die kleine und vermeintlich unbedeutende Gruppe von Trumpisten im Kongress. Dank einer hauchdünnen Mehrheit erpresst sie ihre eigene Partei und damit das ganze Land mit ihren Maximalforderungen. Es ist ein ständiges Pokerspiel darum, ob der Rest des Parlaments lieber nachgibt oder eine Staatskrise in Kauf nimmt. Diese Dynamik führte schließlich zu der chaotischen Situation, die seit Dienstag vorherrscht.
Für Donald Trump und seinen Plan, erneut Präsident zu werden, sind diese unsicheren Verhältnisse hilfreich. Erstens kann er der noch immer einflussreichen, aber schwindenden Anzahl von moderaten Republikanern ein Signal senden: Seht her, wenn ihr nicht macht, was meine Leute sagen, stürze ich zur Not auch die eigene Partei in den Abgrund. Zweitens kann er sich öffentlich als vermeintlicher Retter am Horizont inszenieren. Wenn er, Donald Trump, wieder Präsident würde, gäbe es auch wieder stabile Verhältnisse.
Es gibt nur einen Ausweg
Kevin McCarthy war gewarnt. Dass er für seine Wahl im Januar 15 Anläufe brauchte, hatte er den Abgeordneten zu verdanken, die Trump loyal zur Seite standen. Erst als der Ex-Präsident, offenbar per Telefonanruf, bei den Widerständlern intervenierte, wurde McCarthy schließlich zum Sprecher gewählt.
Donald Trump dürfte noch eine Rechnung mit dem oft opportunistisch agierenden McCarthy offen gehabt haben. Denn der hatte nach dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 zunächst öffentlich erklärt, dass Trump dafür die Verantwortung trage. Diese Illoyalität dürfte Trump nicht vergessen haben, auch wenn McCarthy später davon nichts mehr wissen wollte und den Sturm auf das Kapitol und den folgenden Untersuchungsausschuss als lächerlich abtat.
Sollte sich der republikanische Mehrheitsführer Steve Scalise, der mit einer Krebserkrankung zu kämpfen hat, wirklich auf das Amt als neuer Sprecher einlassen, muss er wohl damit rechnen, dass ihm Ähnliches widerfährt wie seinem Vorgänger Kevin McCarthy. Trump dürfte seine Truppe im Kongress nutzen, um auch ihm die Grenzen aufzuzeigen.
Einen Hinweis auf Trumps Macht gab der scheidende McCarthy noch am Dienstagabend in einem letzten Statement vor der Presse im Kongressgebäude. Dem nächsten Speaker of the House riet er: "Ändern Sie die Regeln!" Denn das würde es den Hardlinern wieder schwerer zu machen, den Sprecher abzusägen. Denn seine Wahl hatte sich McCarthy seinerzeit nur damit erkaufen können, indem er zustimmte, dass es nicht mehr wie bislang mehrere, sondern nur noch eine Person braucht, um einen Antrag zur Abwahl des Sprechers zu stellen. Das hatte ihn erpressbar gemacht und kostete ihn jetzt das Amt.
- Eigene Recherchen und Beobachtungen
- nytimes.com: "Steve Bannon’s ‘Movement’ Enlists Italy’s Most Powerful Politician" (Englisch)