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Kritik an Moskaus Sendeverbot für Deutsche Welle – "Herber Schlag"


Moskau verbietet deutschen Sender
Scharfe Kritik an Sendeverbot – "massiver und willkürlicher Angriff"

Von afp, dpa
Aktualisiert am 04.02.2022Lesedauer: 5 Min.
Ein Büro der Deutschen Welle (Symbolbild): Russland hat ein Sendeverbot erteilt.Vergrößern des Bildes
Ein Büro der Deutschen Welle (Symbolbild): Russland hat ein Sendeverbot erteilt. (Quelle: Marius Becker/dpa-bilder)

Nach dem Aus für den russischen Sender RT DE ergreift Russland Gegenmaßnahmen und schließt das Büro der Deutschen Welle in Moskau. Der Sender kündigt juristische Schritte an, Politiker protestieren.

In Deutschland ist das Sendeverbot für die Deutsche Welle in Russland auf scharfe Kritik seitens der Politik und Medienlandschaft gestoßen. Das Auswärtige Amt sieht in dem Schritt "eine erneute Belastung für die deutsch-russischen Beziehungen", wie eine Sprecherin des Außenministeriums erklärte.

Reporter ohne Grenzen nannte die Ankündigung Russlands "überaus unverhältnismäßig". Geschäftsführer Christian Mihr sagte: "In einem Land, in dem die Pressefreiheit schon auf ein absolutes Minimum beschränkt ist, ist das ein herber Schlag für die Informationsfreiheit und die Pluralität der Medien." Nach Angaben des Moskauer Büroleiters der Deutschen Welle gilt das Verbot ab Freitagmorgen.

Russland hatte dem Auslandssender der Bundesrepublik Deutschland ein Sendeverbot erteilt. Zudem verfügte das russische Außenministerium am Donnerstag die Schließung des Korrespondentenbüros in Moskau und den Entzug der Akkreditierungen der Journalisten. Damit reagierte Russland auf ein Sendeverbot des deutschsprachigen Programms seines Staatssenders RT DE.

Verboten ist demnach die Verbreitung des russischsprachigen Programms der Deutschen Welle über Satellit und alle anderen Übertragungswege, teilte das Ministerium mit. Zudem werde ein Verfahren eingeleitet, um die Deutsche Welle zum "ausländischen Agenten" zu erklären. Über weitere Schritte werde in Kürze infomiert, hieß es weiter. Politiker hatten das russische Programm der Deutschen Welle immer wieder auch kritisiert.

Deutsche Welle will gegen Verbot klagen

Die Deutsche Welle hat nach eigenen Angaben seit 2005 in Russland aktuelle Sendelizenzen für ihre TV-Kanäle DW English (bis 2025) und DW Deutsch (bis 2027).

Der Auslandssender will juristisch gegen das von Russland verhängte Sendeverbot vorgehen. DW-Intendant Peter Limbourg teilte mit: "Die Maßnahmen der russischen Behörden sind in keiner Weise nachvollziehbar und eine völlige Überreaktion." Man werde zu einem Spielball gemacht, wie es Medien nur in Autokratien erfahren müssten.

Limbourg ergänzte: "Wir protestieren in aller Form gegen diese absurde Reaktion der russischen Regierung und werden den Rechtsweg beschreiten, um gegen die angekündigten Maßnahmen vorzugehen." Der Intendant des deutschen Auslandssenders machte auch klar: "Bis uns die Maßnahmen offiziell zugestellt werden, berichten wir weiter aus unserem Büro in Moskau." Selbst wenn man das Büro schließen müsste, würde die Berichterstattung über Russland dadurch nicht beeinträchtigt. Der Intendant sprach sogar dann von einer deutlichen Verstärkung der Berichterstattung.

Der Moskauer DW-Büroleiter Juri Rescheto sagte in einem Interview seines Senders: "Wir haben von dem russischen Außenministerium klipp und klar gesagt bekommen, dass wir ab morgen (Freitag) 9.00 Uhr Moskauer Zeit nicht mehr arbeiten dürfen als Journalisten." Die Akkreditierungskarten müssten dann im Außenministerium abgegeben werden.

Journalistenverband fordert Scholz zum Handeln auf

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) protestiert gegen das Sendeverbot für den Auslandssender in Russland. Es gebe keinerlei Rechtfertigung für diese drastische Zensurmaßnahme, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall laut Mitteilung vom Donnerstag. Er forderte von der Bundesregierung deutlichen Protest.

Verdi-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz forderte von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), dieser müsse bei seinem anstehenden Russland-Besuch auf eine Rücknahme des Sendeverbots drängen.

Die ARD-Vorsitzende Patricia Schlesinger, ZDF-Intendant Thomas Bellut und Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue teilten am Donnerstag in einem Statement mit: "Hier wird freie, unabhängige Berichterstattung radikal eingeschränkt, um politischen Druck auszuüben. Dass damit zugleich die Pressefreiheit zum Faustpfand gemacht wird, erfüllt uns mit großer Sorge." Ihre Unterstützung gelte den nun von einem Arbeitsverbot bedrohten Kolleginnen und Kollegen der DW in Russland, denen man sich durch den Auftrag als öffentlich-rechtliche Medien verbunden fühle.

Lambsdorff kritisiert "durchsichtige und falsche Reaktion"

Auch aus der Politik war die Kritik an der Entscheidung aus Russland scharf. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) kritisierte das Sendeverbot scharf. Das Verbot und die Schließung des DW-Büros in Moskau "sind in keiner Weise hinnehmbar", erklärte sie am Donnerstag. Sie rief Russland auf, "die lizenzrechtlichen Probleme des Senders RT nicht für eine politische Reaktion zu missbrauchen".

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) twitterte: "Das Vorgehen Russlands gegen die Deutsche Welle ist ein massiver und willkürlicher Angriff auf die Pressefreiheit, den wir scharf verurteilen." Die Deutsche Welle mit Sitz in Bonn stehe für unabhängigen Journalismus und den Austausch der Kulturen und Völker. "Das ist ihr klarer Auftrag."

FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff kritisierte den Schritt Moskaus als "eine so durchsichtige wie falsche Reaktion auf die Lizenzentscheidung der deutschen Medienaufsicht zu Russia Today deutsch." Die Deutsche Welle sei "eben gerade kein Staatssender wie Russia Today, sondern bietet ein unabhängiges Programm". Die Entscheidung zeige einmal mehr, dass sich die russische Regierung von universellen Werten wie Demokratie und Meinungsfreiheit entferne und das Land weiter in die Selbstisolierung bewege.

RT DE hatte keine Sendelizenz

In Deutschland hatten die Regulierer der zuständigen Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) bei den Medienanstalten die Veranstaltung und die Verbreitung des Fernsehprogramms RT DE untersagt. Als Grund für das am Mittwoch veröffentlichte Verbot wurde das Fehlen einer Sendelizenz angeführt.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte bei ihrem Treffen mit ihrem Kollegen Sergej Lawrow im Januar in Moskau erklärt, dass in Deutschland kein Staatsfunk erlaubt sei. Das gilt demnach etwa auch für die USA. In Deutschland hat die Regelung wegen der Rolle der Staatsmedien im Nationalsozialismus auch historische Gründe.

Der Kreml sprach dagegen am Donnerstag von einem Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit. "Die Situation ist vollkommen klar: Einem russischen Massenmedium, ich würde sogar sagen, einem internationalen Massenmedium, wird die Ausstrahlung in Deutschland verboten. Das ist nichts anderes als ein Anschlag auf die Freiheit des Wortes", sagte Sprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge.

Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa kritisierte zudem, dass die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nichts sage zum Sendeverbot für RT DE und nicht eintrete für die Medienfreiheit. Sacharowa machte deutlich, dass sie zu den russischen Gegenmaßnahmen Kritik erwarte von der OSZE, die dann aber mit Blick auf das Schweigen zu RT DE wertlos sei.

Kritik an russischem Sender: Kremlpropaganda

RT – früher Russia Today – sendet etwa in den USA und anderen Ländern etwa auch auf Spanisch und Arabisch und sieht sein deutschsprachiges Programm als Beitrag zur Meinungsvielfalt in Europa. Kritiker werfen RT Kremlpropaganda und Desinformation vor.

RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan hatte am Mittwoch vorgeschlagen, gegen die Deutsche Welle in Russland vorzugehen. Das russische Außenministerium hatte immer wieder mit Maßnahmen gegen deutsche Medien und Korrespondenten in Moskau gedroht, aber konkrete Schritte bisher offengelassen.

Die angekündigten Maßnahmen entbehrten jeglicher Grundlage, so die Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Sollten sie tatsächlich umgesetzt werden, würde dies die freie Berichterstattung unabhängiger Journalistinnen und Journalisten in Russland in erheblichem Maße einschränken. Das russische Außenministerium sprach am Donnerstag lediglich von einer "ersten Etappe".

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen AFP, dpa
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