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UNHCR-Chef: "Genfer Flüchtlingskonvention ist heute so relevant wie 1951"


Umgang mit Flüchtlingen
UNHCR-Chef kritisiert Europäische Union scharf

Von dpa
28.07.2021Lesedauer: 3 Min.
Zwei Frauen mit ihren Kindern in Italien: Entwicklungsminister Gerd Müller forderte mehr Einsatz gegen die Fluchtursachen (Symbolbild).Vergrößern des Bildes
Zwei Frauen mit ihren Kindern in Italien: Entwicklungsminister Gerd Müller forderte mehr Einsatz gegen die Fluchtursachen (Symbolbild). (Quelle: Francesco Ruta/IPA/Kontrolab/imago-images-bilder)

Zum 70. Jahrestag der Genfer Flüchtlingskonvention erinnerte Filippo Grandi, der UNHCR-Chef, an die Prinzipien der Vereinbarung. Gegen diese sei in der Vergangenheit zu oft verstoßen worden, kritisierte er.

Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, ist alarmiert über Verstöße gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. Europäische und andere Länder versuchten teils, sich ihren Verpflichtungen zu entziehen, sagte Grandi am Mittwoch, dem 70. Jahrestag der Unterzeichnung der Konvention. Er rief alle Länder auf, die Prinzipien der Konvention zu verteidigen. Mehr Einsatz im Kampf gegen Fluchtursachen forderte der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU).

"Die Konvention ist heute so relevant wie 1951", sagte Grandi der Deutschen Presse-Agentur. Sie habe Millionen Menschen das Leben gerettet. "Die größte Herausforderung für den Flüchtlingsschutz ist, sicherzustellen, dass Staaten in allen Regionen der Welt sie in der Praxis umsetzen."

Kritik an der Konvention

Die Genfer Flüchtlingskonvention ist ein Grundpfeiler der internationalen humanitären Zusammenarbeit. Sie wurde am 28. Juli 1951 verabschiedet. Sie garantiert Menschen Schutz und Aufnahme, die in ihrem Land etwa wegen ihrer Religion oder politischen Überzeugung verfolgt werden. Aufnahmeländer dürfen Menschen nicht dorthin zurückzuschicken, wo ihr Leben oder ihre Freiheit bedroht sind.

Wegen der hohen Zahl von Migranten und Flüchtlingen wurde die Konvention in letzter Zeit oft kritisiert. Sie bezieht sich aber nur auf Verfolgte, nicht auf Menschen, die frustriert über die Zustände in ihrem Heimatland anderswo ein besseres Leben suchen. Mehr als die Hälfte der Menschen, die Anträge auf Schutz stellen, werden im Allgemeinen abgelehnt.

Bendel: "Es darf nicht sein, dass EU-Länder dagegen verstoßen"

Grandi nannte kein Land beim Namen. Als Verstöße gegen die Konvention kritisierte er aber etwa die Praxis der griechischen Küstenwache, Flüchtlingsboote in Richtung Türkei zurückzudrängen, oder das Vorgehen Chiles, das Venezolaner ausgewiesen hat, ohne ihren Anspruch auf Asyl individuell zu prüfen. Auch Pläne wie etwa in Großbritannien oder Dänemark, Asylsuchende in Drittländer zu schaffen, um dort ihre Anträge zu prüfen, kritisierte er. Grandis Behörde, das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR), wacht über die Einhaltung der Konvention und kümmert sich um Flüchtlinge weltweit.

"Es ist ein Kernelement der Konvention, dass Menschen nicht zurückgewiesen werden dürfen in Länder, in denen sie nicht sicher sind", sagt die Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration, Petra Bendel, der dpa. "Es darf nicht sein, dass EU-Länder dagegen verstoßen." Ein Verstoß sei auch die Unterbringung der Menschen in Lagern mit menschenunwürdigen Zuständen wie auf der griechischen Insel Lesbos.

Müller: Jahrestag sollte eine Mahnung sein

Entwicklungsminister Müller forderte, dass die EU die Ursachen von Flucht und Vertreibung stärker bekämpft. "Sonst werden wir auch in Europa noch stärker mit den dramatischen Konsequenzen der globalen Flüchtlingskrisen konfrontiert sein", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der 70. Jahrestag der Genfer Flüchtlingskonvention müsse Mahnung sein, "nicht nachzulassen im humanitären Engagement". Die EU habe ihre Mittel für die Entwicklungspolitik für die kommenden Jahre gekürzt, das sei kurzsichtig.

Die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Gerda Hasselfeldt, erinnerte daran, dass die Flüchtlingskonvention viele Bedürftige nicht schützt. Dazu gehören etwa Menschen, die durch Konflikte im eigenen Land vertrieben wurden oder solche, die wegen des Klimawandels nicht mehr dort leben können, wo sie geboren wurden. "Der Situation dieser Menschen müssen wir größere Aufmerksamkeit widmen", forderte sie. Für die Betroffenen müssten langfristig Lebensperspektiven geschaffen werden.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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