Fall Nawalny Ischinger: Deutschland sollte Russland "klare Kante" zeigen
Nach dem mutmaßlichen Giftanschlag auf Alexej Nawalny sieht der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz das deutsch-russische Verhältnis auf einem neuen Tiefpunkt. Sanktionen seien laut Ischinger nicht ausreichend.
Mit dem Fall des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny hat das deutsch-russische Verhältnis nach Meinung von Wolfgang Ischinger einen "neuen Tiefpunkt" erreicht. "Russlands Glaubwürdigkeit war durch den Giftanschlag auf Sergej Skripal in Großbritannien, den Mord an einem Exiltschetschenen im Berliner Tiergarten und den Hackerangriff auf den Bundestag ohnehin schon erschüttert. Sie dürfte nun endgültig erledigt sein", sagte der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz in einem Interview des "Spiegel". In Moskau gelte nur noch das Recht des Stärkeren. "Das ist das Ende, leider, auch für die Idee strategischer Partnerschaft."
Von möglichen Sanktionen gegen Russland erwartet sich Ischinger indes wenig Erfolg. "Sanktionen sind das Mittel, das Regierungen gern anwenden, wenn ihnen sonst nicht mehr viel einfällt", sagte er dem Magazin. Trotzdem gelte: "Wir sollten klare Kante zeigen."
Ischinger: "Wir sind nicht die Feinde Russlands"
Der vermutlich vergiftete Kreml-Kritiker Alexej Nawalny wird seit vergangenem Samstag in der Berliner Charité behandelt. Der Oppositionelle war am 20. August auf einem Flug in seiner Heimat plötzlich ins Koma gefallen und wurde zunächst in Omsk untersucht. Die deutschen Ärzte gehen nach einer Auswertung von klinischen Befunden bereits seit einer Woche davon aus, dass Nawalny vergiftet wurde. Seine Anhänger vermuten, es könne sich um einen russischen Gift-Anschlag handeln.
Allerdings sehe er im Fall Nawalny auch eine Chance für die Deutschen zu zeigen, dass sie zwar mit der russischen Führung nicht einverstanden seien, aber trotzdem helfen, so Ischinger. "Wir sind nicht die Feinde Russlands und der Russen. Das ist wichtig."
- Nachrichtenagentur dpa