Migranten vor der griechischen Grenze "Wenn uns hier keiner rausholt, laufen wir eben nach Europa"
Viele sind vor Krieg und Verfolgung geflohen, andere vor Armut und Elend: Nun stehen viele Migranten an der griechischen Grenze
Eine syrische Familie mit fünf Kindern, während des langen Bürgerkriegs mehrfach vertrieben, lagert in einem trostlosen Wald in der türkischen Grenzprovinz Edirne. Nur ein Fluss trennt sie von Griechenland, und damit ihrer ersehnten Zuflucht: Europa. Fast 600 Euro haben die 30-jährige Hana al-Hurdan und ihr Ehemann Hussam dem Taxifahrer bezahlt, der sie aus Istanbul hierher brachte. Doch die versprochene offene Grenze war nur ein Gerücht.
Jetzt ist das Geld fast alle. "Wenn uns hier keiner rausholt, laufen wir eben den ganzen Weg nach Europa", sagt der 38-Jährige trotzig. Auf dem roten Warnschild hinter ihm ist ein bewaffneter Grenzsoldat zu sehen, darunter der Hinweis "Verbotszone".
Nur 18 Prozent der Griechen sehen den Polizeieinsatz kritisch
Zwar sind viele Migranten unterwegs, doch die Entwicklung an der griechisch-türkischen Grenze und die Haltung des östlichen Nachbarn Türkei beunruhigt einer Umfrage zufolge 84 Prozent der Griechen. In der am Freitag veröffentlichten Erhebung im Auftrag des griechischen Nachrichtensenders Skai begrüßten zudem 76 Prozent der Befragten die Maßnahmen der Regierung in Athen zum Schutz der Ostgrenze des Landes.
Lediglich 18 Prozent sehen den Polizei- und Militäreinsatz an der Grenze kritisch. Der geplante Bau geschlossener Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln spaltet die Nation: 46 Prozent sprachen sich dafür aus, genauso viele votierten dagegen.
In Edirne nutzen die Menschen jede Möglichkeit, Obdach zu finden. Familien mit Kindern nächtigen in einer leeren Markthalle, andere schlafen erschöpft, nur in Decken gehüllt, auf einem Bürgersteig.
Ein Jordanier will sich als Syrer ausgeben
An der Grenze zu Griechenland warten vielerorts Migranten, allein in Pazarkule sind es Tausende. Syrer sind hier, aber auch Pakistaner, Afghanen, Somalier, Kenianer, Iraner, Iraker, Bangladescher und Nigerianer. Ein 33-jähriger Jordanier, der seinen Namen nicht nennen will, berichtet, er wolle sich in Europa als Syrer ausgeben, um als Flüchtling bleiben zu können.
Das Leben in Jordanien und der gesamten arabischen Welt sei unfrei und für ihn inzwischen unerträglich, sagt er – auch wegen der vielen syrischen Flüchtlinge dort.
"Hier kommt es mir vor wie das Ende der Welt"
Eine Stunde Autofahrt weiter, nahe dem Grenzübergang Ipsala, fragt ein Jugendlicher aus Pakistan, der kein Handy hat, ratlos, wann die Grenze endlich geöffnet werde. Ob Präsident Erdogan etwa seine Meinung geändert habe? Dass die Türken einseitig gehandelt haben und die EU nie eine Öffnung ihrer Grenzen angekündigt hat, weiß er nicht.
Waqar, auch er aus Pakistan, sitzt zusammen mit sieben Landsleuten vor einer Hochzeitshalle. Er hatte es mit anderen schon auf die griechische Seite geschafft, doch nach seinen Angaben wurden sie von Polizisten verprügelt. Alles habe man ihnen abgenommen – Handys, Geld, sogar Kleidung - und die Pässe zerrissen. "Seit fünf Tagen sind wir schon hier", sagt Waqar. "Hier kommt es mir vor wie das Ende der Welt."
- Nachrichtenagentur dpa