Proteste gehen weiter Schuss auf Aktivisten schürt neue Wut in Hongkong
Nach dem Schuss auf einen 18-jährigen Aktivisten ist die Wut auf die Hongkonger Polizei groß. Tausende waren auch am Mittwoch wieder auf den Straßen – trotz des Demonstrationsverbotes.
Einen Tag nach den bislang gewalttätigsten Protesten in Hongkong sind in der chinesischen Sonderverwaltungszone tausende Menschen gegen den Polizeischuss auf einen jungen Demonstranten auf die Straße gegangen. Schüler, Studenten und Büroangestellte zogen am Mittwoch trotz eines Demonstrationsverbots durch das Zentrum der Millionenstadt. Hunderte junge Menschen nahmen zudem an einem Sitzstreik an der Schule des durch den Polizeischuss verletzten 18-jährigen Tsang Chi Kin teil.
Die Protestaktion begann mit einer Kundgebung in einem Park, anschließend zogen die Demonstranten in mehreren Protestzügen durch das Geschäftsviertel der Finanzmetropole und durch mehrere andere Stadtteile. Sie riefen Sprechchöre gegen die Hongkonger Regierung und gegen die Polizei. Die Hongkonger seien es satt, sich "nur mit Worten gegen tödliche Kugeln und Gewehre" zur Wehr setzen zu können, sagte ein vermummter Demonstrant.
Polizeichef: Beamter habe "nur diese eine Möglichkeit gehabt"
Die Polizei verteidigte den Beamten, der auf den Jugendlichen geschossen hatte. Er habe "nur diese eine Möglichkeit gehabt", um sich aus der Gefahr zu befreien, sagte der stellvertretende Polizeichef Tang Ping Keung. Die Vereinigung junger Polizisten forderte, die Regierung müsse eine Ausgangssperre verhängen. 96 Demonstranten, die am Sonntag festgenommen worden waren, wurden am Mittwoch wegen Aufruhrs vor Gericht gestellt.
Die seit fast vier Monaten andauernden Proteste waren am Dienstag eskaliert. Bei einer Demonstration parallel zum 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China wurde dem 18-jährigen Tsang von einem Polizisten in die Brust geschossen. Der Polizist, der den Schuss abfeuerte, gab an, in Notwehr gehandelt zu haben. Videoaufnahmen zeigen, dass Tsang den Polizisten zuvor mit einer Eisenstange angreifen wollte. Der Schüler wurde lebensgefährlich verletzt ins Krankenhaus gebracht, nach Behördenangaben hat sich sein Zustand inzwischen stabilisiert.
Die Polizei gab an, Beamte hätten insgesamt fünf Warnschüsse mit scharfer Munition abgegeben. Darüber hinaus feuerten sie 1400 Tränengaspatronen und 900 Gummigeschosse ab. Laut Krankenhausangaben wurden mindestens 70 Menschen verletzt. Nach Polizeiangaben erlitten auch 30 Polizisten Verletzungen.
269 Festnahmen an einem Tag
Demonstranten waren mit Regenschirmen und Eisenstangen auf Polizisten losgegangen. Einige Polizisten und Journalisten wurden zudem durch Säure verletzt. Die Polizei nahm nach eigenen Angaben rund 269 Menschen fest – das war die höchste Zahl von Festgenommenen an einem Tag seit dem Beginn der Proteste Anfang Juni.
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In Hongkong gibt es seit fast vier Monaten Massenproteste gegen die wachsende Einflussnahme der Regierung in Peking und die Beschneidung der Bürgerrechte. Die Proteste hatten sich anfänglich gegen ein geplantes Gesetz gerichtet, das Überstellungen von Verdächtigen an Festland-China vorsah. Mittlerweile richten sich die Proteste aber generell gegen die prochinesische Führung in Hongkong und die Einschränkung der Demokratie.
- Nachrichtenagentur AFP