Nach Zusammenbruch von Assad-Regime Für Russlands Afrikaprogramm könnte es eng werden
Die Flucht des syrischen Machthabers Baschar al-Assad hat auch Auswirkungen auf das russische Militär. Einfache Lösungen zeichnen sich nicht ab.
Offiziell hält sich die russische Führung noch bedeckt: Man habe noch keine Entscheidung über die Zukunft der eigenen Militärbasen in Syrien getroffen, heißt es am Montag aus Moskau. Gleichzeitig sei man allerdings in Kontakt mit der neuen Führung in Damaskus.
Inoffiziell sind dagegen andere Töne zu hören: Die Militärpräsenz werde in Syrien aktuell bereits reduziert, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Insiderberichte am Wochenende. Gleichzeitig sei allerdings noch keine Entscheidung über die Zukunft die Militärstützpunkte getroffen worden.
Die Deutsche Presse-Agentur zitierte dagegen am vergangenen Freitag aus einem Papier des russischen Verteidigungsministeriums, dass die Pläne bereits weiter fortgeschritten seien: Der russische Mittelmeerverband habe den syrischen Hafen Tartus schon verlassen, heißt es in dem Bericht.
Egal, ob Russland am Ende seine militärische Präsenz in Syrien aufrechterhalten kann oder nicht: Die Handlungsfähigkeit der russischen Streitkräfte dürften in der Region vorerst eingeschränkt sein. Das dürfte dabei nicht nur den Nahen Osten, sondern noch deutlicher die russische Militärpräsenz in Afrika beeinträchtigen. Doch woran liegt das – und welche Alternativen hätte Russland überhaupt, falls sich die Soldaten vollständig aus Syrien zurückziehen sollten?
Strategisch sind für das russische Militär zwei Stützpunkte in Syrien von essenzieller Bedeutung: Der Marinestützpunkt in der Hafenstadt Tartus am Mittelmeer und der Militärflughafen in dem Ort Hmeimim, der rund 60 Kilometer nördlich von Tartus liegt. Der Stützpunkt in Tartus wurde von den Russen 1971 errichtet und 2017 erneuert. Für den Hafen hatte Russland mit dem Assad-Regime einen kostenlosen Pachtvertrag geschlossen.
Tartus sei bislang der einzige dauerhaft für Russland verfügbare Stützpunkt im östlichen Mittelmeer gewesen. Der Wegfall werde sich strategisch wahrscheinlich negativ auf eine verlässliche militärische Präsenz Russlands im östlichen Mittelmeer auswirken: Materialtransporte und die Nachversorgung für verschossene Waffen seien nur noch unter Auflagen oder gar nicht mehr möglich.
Der Flughafen Hmeimim ist zudem für die Unterstützung der russischen Soldaten in Afrika von entscheidender Bedeutung: Bisher wurden von dort Transportflüge organisiert. Die Flugroute führte dabei aus Russland in der Regel über das Kaspische Meer, danach über den Iran und den Irak, ehe die Maschinen für ihren Weiterflug nach Afrika in Syrien aufgetankt wurden. Der Luftraum über EU-Staaten und dem Nato-Mitglied Türkei ist für sämtliche russische Flugzeuge seit der Vollinvasion in der Ukraine gesperrt.
Russland hatte in den vergangenen Jahren seine Militärpräsenz in Afrika stetig ausgebaut. In etlichen Ländern sind mittlerweile Söldner der Gruppe Wagner aktiv, um etwa Regime wie in Mali oder dem Niger zu stützen. Im Gegenzug erhält der Kreml nicht nur Einfluss in der Region, sondern auch Zugang zu Rohstoffen. Die entsprechende Militärpräsenz war unter anderem ein Grund, warum die Bundeswehr im Frühjahr aus Mali abgezogen wurde.
"Können ein paar Wochen dort durchhalten"
Sollte der syrische Zwischenstopp künftig wegfallen, würde dieser Umstand das russische Afrikaprogramm vor einige Probleme stellen. Direktflüge sind aus Russland logistisch kaum machbar. "Ein paar Wochen können die Söldner dort durchhalten. Doch es wird nicht die Stimmung und die Leistung der Kämpfer fördern, wenn sie nicht mehr turnusgemäß abgelöst werden und keine neue Munition bekommen", schrieb zuletzt der Leiter des Sahel-Programms der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, Ulf Laessing, in einem Gastbeitrag für t-online.
Doch welche Optionen wären überhaupt denkbar? Eine Möglichkeit wäre für Russland, stärker auf Libyen zu setzen. Dort unterstützen russische Truppen den General Chalifa Haftar, der sich mit der Regierung in Tripolis seit 2011 einen Bürgerkrieg liefert. Allerdings würde der Fokus auf Libyen gewisse Risiken mit sich bringen: Denn die Lage in dem Land ist weiter instabil und Haftar weit davon entfernt, größere Teile des Landes zu kontrollieren.
Ähnliches gilt auch für eine Militärpräsenz im Sudan. Dort tobt ebenfalls ein blutiger Bürgerkrieg. Zudem besitzt das Land keinen Zugang zum Mittelmeer, sondern lediglich zum Roten Meer. Überfahrten aus dem Mittelmeer wären dadurch nur über den Suezkanal möglich. "Wo auch immer sie hingehen - Libyen, Mali, Sudan – sie werden nicht die gleiche Situation haben wie in Syrien", sagte der britische Russland-Experte Mark Galeotti der Deutschen Welle.
Einigung mit Syrien möglich?
Doch möglicherweise könnte ein kompletter Abzug des russischen Militärs aus Syrien auch verhindert werden. Dafür müsste sich der Kreml mit der neuen syrischen Führung allerdings darauf einigen, dass die Truppen in dem Land weiter bleiben dürfen. Entsprechende Gespräche soll die russische Führung aktuell führen. Eine Einigung scheint aktuell allerdings eher unwahrscheinlich zu sein: Das Außenministerium in Moskau teilte am Sonntag mit, dass bereits Personal aus der Botschaft in Damaskus ausgeflogen wurde.
Ein ranghoher Rebellenvertreter, der der neuen Übergangsregierung nahe steht, sagte Reuters, die russische Militärpräsenz in Syrien und frühere Vereinbarungen zwischen der Assad-Regierung und Moskau stünden derzeit nicht zur Debatte. "Es ist eine Angelegenheit für zukünftige Gespräche und das syrische Volk wird das letzte Wort haben", sagte er. "Unsere Streitkräfte befinden sich jetzt auch in unmittelbarer Nähe der russischen Stützpunkte in Latakia", fügte er hinzu, ohne näher darauf einzugehen.
- Nachrichtenagentur dpa und Reuters
- meduza.io: "A key gateway" (Englisch)
- dw.com: "После Асада: что будет с российскими военными базами в Сирии?" (Russisch)
- telegraph.co.uk: "Russia expands military presence in Libya – pictures" (Englisch)