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Russland und China erhöhen gemeinsame Manöver: Was steckt dahinter?


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Chinesisch-russische Militärmanöver
Peking zieht seine Lehren


15.10.2024Lesedauer: 5 Min.
imago images 0716459436Vergrößern des Bildes
Ein chinesischer Marinesoldat steht im Rahmen einer Parade in Sankt Petersburg auf dem Zerstörer "Jiaozuo" (Archivbild): Russland und China führen seit 2017 verstärkt gemeinsame Militärübungen durch. (Quelle: IMAGO/Artem Priakhin/imago)

In den vergangenen Jahren haben Russland und China die Zahl gemeinsamer Militärmanöver erhöht. Nun lässt ein überraschender Besuch des russischen Verteidigungsministers in Peking aufhorchen.

Russland und China setzen auf eine verstärkte Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen. Vor diesem Hintergrund ist der russische Verteidigungsminister Andrei Beloussow überraschend am Montag zu Gesprächen mit seinem chinesischen Amtskollegen Dong Jun und dem Vizevorsitzenden der Zentralen Militärkommission Chinas, Zhang Youxia, nach Peking gereist.

Im Anschluss erklärte Beloussow laut staatlichen Nachrichtenagenturen, dass es "inhaltlich bedeutende" Gespräche gegeben habe. "Wir teilen die gleichen Ansichten, eine gemeinsame Einschätzung der Lage und ein gemeinsames Verständnis darüber, was wir zusammen tun müssen", zitierte ihn die Agentur RIA.

Ziel sei es, die bilateralen Beziehungen zu festigen. Der Minister betonte, dass während seines Besuchs "wichtige Entscheidungen" verabschiedet werden sollen. Welche das sein sollen, blieb offen. Auch sein chinesischer Kollege sagte laut einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur Tass, dass beide Länder in ihrer Kooperation ein neues Kapitel aufschlügen.

Sein unangekündigter Besuch in Peking fällt in eine Zeit wachsender globaler Spannungen: Russland führt in der Ukraine einen brutalen Angriffskrieg, Chinas Nachbarn beklagen zunehmend aggressives Verhalten Pekings vor allem im Südchinesischen Meer. Russland und China unterstützen sich zwar gegenseitig, offiziell verbündet sind sie jedoch weiterhin nicht.

Was also bezwecken China und Russland mit den gemeinsamen Militärübungen und Besuchen hochrangiger Militärvertreter?

Seit 2003 mehr als 100 gemeinsame Übungen

Laut Daten des US-Thinktanks Center for Strategic and International Studies (CSIS) haben die gemeinsamen Militärübungen in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Erstmals trainierten Soldaten beider Länder 2003 zusammen bei einer Übung der Landstreitkräfte. Seitdem haben demnach insgesamt 102 gemeinsame Manöver unterschiedlicher Truppenteile stattgefunden – mehr als die Hälfte davon allein seit 2017. Die Mehrheit der Übungen fand in Russland oder China statt, Marinemanöver führten die Seestreitkräfte Moskaus und Pekings jedoch auch nach Afrika, ins Mittel- oder Beringmeer.

Erst im September hielten beiden Länder etwa das großangelegte gemeinsame Marinemanöver "Ocean 2024" ab, das laut Kremlchef Putin vom Mittelmeer bis in den Pazifik stattfinden sollte. "Wir achten besonders darauf, die militärische Zusammenarbeit mit befreundeten Staaten zu stärken", sagte er in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache zum Start der Manöver. "Im Kontext wachsender geopolitischer Spannungen in der Welt" sei dies besonders wichtig.

Die Visite des russischen Verteidigungsminister Beloussow findet eine Woche vor dem Gipfel der Brics-Staaten im russischen Kasan statt, zu dem auch die Staatschefs Xi Jinping und Wladimir Putin erwartet werden. Die Brics-Gruppe hat ihren Namen von den Anfangsbuchstaben ihrer ersten fünf Mitglieder Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Mittlerweile sind ihr weitere Länder beigetreten, darunter der Iran. Auch die Türkei möchte Mitglied werden.

So profitiert China von Russland

Für Russland geht es bei den Manövern und dem Besuch des Verteidigungsministers in China wohl besonders darum, aufzuzeigen, dass das Land trotz des Angriffs auf die Ukraine international nicht isoliert ist. Russlands Armee ist durch diverse Kriege der vergangenen Jahrzehnte erprobt.

Chinas Militär hingegen gilt zwar auf dem Papier allein wegen seiner schieren Größe von rund 2,2 Millionen Soldaten und einer Flotte von wohl 730 Kriegsschiffen als stark, unter Beweis gestellt haben Pekings Truppen dies jedoch bisher nicht. Im Vergleich: Die USA verfügen über gut 1,3 Millionen Soldaten und 472 Kriegsschiffe, insgesamt gilt das US-Militär jedoch in seiner Qualität als deutlich überlegen.

Und so erhofft sich China offenbar vor allem, vom russischen Militär lernen zu können. Laut der US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) geht es dabei beispielsweise um die russischen Erfahrungen mit Drohnenangriffen auf See- und Hafeninfrastruktur. Die Ukraine hat es ohne eigene Marine geschafft, die russische Schwarzmeerflotte seit Februar 2022 stark zu dezimieren. Dabei setzen Kiews Truppen insbesondere auf den Einsatz von Seedrohnen.

Längst nicht alle Angriffe aber treffen ihre Ziele, denn Russland hat sein Vorgehen im Schwarzen Meer mittlerweile angepasst. Viele Schiffe wurden außer Reichweite der Drohnen gebracht. Wichtige Bauwerke wie die Kertschbrücke schützt Russland mittlerweile mittels Hindernissen unter und über Wasser sowie mit dem verstärkten Einsatz von Störsendern, um den GPS-Empfang angreifender Drohnen zu manipulieren.

"Die Volksrepublik China hofft, einige dieser Lehren für die Planung möglicher künftiger Aktionen der Volksrepublik China gegen Taiwan nutzen zu können", schreibt das ISW in einem Briefing vom Montag. Denn Drohnen könnten auch für Taiwan im Falle einer chinesischen Invasion ein probates Mittel zur Verteidigung sein.

China bedroht Taiwan

Passend dazu startete das chinesische Militär am Montag eine großangelegte Militärübung rund um Taiwan. Nach Angaben des taiwanischen Verteidigungsministeriums nahmen 125 Kampfflugzeuge, Hubschrauber oder Drohnen der Luftwaffe der Volksbefreiungsarmee bis zum späten Nachmittag an der Übung teil. Zudem seien 17 Kampfschiffe des Militärs und 17 weitere Schiffe der chinesischen Küstenwache in Gewässern nahe Taiwan registriert worden. Auch der chinesische Flugzeugträger "Liaoning" wurde südöstlich von Taiwan gesichtet.

Das chinesische Militär sprach in einer Mitteilung von einer "ernsten Warnung" an die "separatistischen" Kräfte Taiwans. Der chinesische staatliche Sender CCTV veröffentlichte eine Karte, die mehrere große rote Blöcke rund um Taiwan zeigte. In diesen Gebieten fanden die Übungen demnach statt.

Russlands Verteidigungsminister Beloussow dürfte sich auch dieses Manöver genau angesehen haben. Sein zeitgleicher Besuch in Peking signalisiert Moskaus Unterstützung für Chinas Belange.

Chinas Militär überholt Russland vor allem bei der Technologie

Der gemeinsame Lernprozess läuft jedoch auch in Russlands Richtung. Die ISW-Experten gehen davon aus, dass die gemeinsamen Militärübungen dazu dienen sollen, das Zusammenspiel der Streitkräfte beider Länder zu verbessern – ähnlich wie die Nato-Staaten gemeinsame Taktiken anwenden. Letztlich könnten "beide Parteien bei gemeinsamen Übungen wertvolle Lektionen voneinander lernen". Das russische Verteidigungsministerium veröffentlichte am Montag ein Video eines Manövers, das die Bekämpfung von U-Booten in den Fokus rückte. Den Angaben zufolge soll derzeit eine gemeinsame Patrouille im Indopazifik stattfinden.

Laut den Experten der Denkfabrik CSIS übernimmt China mittlerweile auch immer wieder selbst die Führung bei den gemeinsamen Übungen. Sie gehen davon aus, dass diese Dynamik in den kommenden Jahren anhalten wird: "Russlands Krieg gegen die Ukraine könnte diesen Trend beschleunigen." Das russische Militär hat sich hauptsächlich zu Beginn der großangelegten Invasion in der Ukraine als überraschend schwach präsentiert. Der mittlerweile mehr als zweieinhalb Jahre andauernde Krieg kostet Russland große Mengen an Ressourcen und Personal.

Zudem gilt das chinesische Militär mittlerweile speziell im technologischen Bereich als fortgeschrittener als die Kremltruppen. Insbesondere in der elektronischen Kriegsführung hat China laut Ansicht von Experten in den vergangenen Jahren bedeutende Fortschritte gemacht. Hier kann also auch Russland von einer vertieften Partnerschaft profitieren.

Verwendete Quellen
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