t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikAuslandKrisen & Konflikte

Wende im Bootsmigranten-Drama: Geflüchtete dürfen an Land


Wende nach Hungerstreik
Hunderte Migranten haben Rettungsschiffe verlassen

Von dpa
Aktualisiert am 08.11.2022Lesedauer: 4 Min.
Player wird geladen
Italien: Aufnahmen zeigen die emotionale Stimmung an Bord der "Rise Above". (Quelle: Reuters)

Hungerstreik, ein wütender Kapitän, Männer im Hafenbecken: Die Situation der Migranten in Catania spitzte sich zu. Am Abend kam dann die Wende.

Nach zwei Tagen Warten im Hafen der italienischen Stadt Catania haben knapp 250 Migranten die zwei Rettungsschiffe verlassen und sind an Land gegangen. Nachdem Ärzte und Psychologen die geflüchteten Männer untersucht hatten, entschieden sie am Dienstagabend, dass diese aus gesundheitliche Gründen von Bord gehen dürfen. 35 Menschen verließen das deutsche Schiff "Humanity 1", nachdem zuvor schon 213 Migranten von der unter norwegischer Flagge fahrenden "Geo Barents" gegangen waren. Seit dem Wochenende hatten die italienischen Behörden die Erlaubnis verweigert, weil sie argumentierten, die Männer befänden sich nicht in einer Notlage. Einige Geflüchtete hatten einen Hungerstreik begonnen.

Nach zwei Tagen Warten erlaubten die italienischen Behörden zunächst mehr als 200 Menschen auf dem Schiff "Geo Barents", dieses zu verlassen. Riccardo Gatti von Ärzte ohne Grenzen verkündete, dass nach medizinischen und psychologischen Untersuchungen anders als am Wochenende entschieden worden sei, dass auch sie aus humanitären Gründen an Land dürften. 213 Leute verließen daraufhin das Schiff, das unter norwegischer Flagge fuhr. "Rettung abgeschlossen", meldete eine Helferin unter dem Jubel der Crew.

Empfohlener externer Inhalt
X
X

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Die Ärzte, Psychologen und Übersetzer gingen dann auch auf die deutsche "Humanity 1", die ebenfalls im Hafen der sizilianischen Stadt angetaut war und auf dem 35 Migranten darauf warteten, die Erlaubnis zum Verlassen des Schiffes zu erhalten.

Zwei Wochen nach Amtsantritt der ultrarechten Regierung war der erste große Konflikt zwischen der migrantenfeindlichen Rechtskoalition und den internationalen Seenotrettern teils eskaliert. Rom hatte die zwei Organisationen aufgefordert, Catania mit ihren Schiffen und einigen geretteten Menschen zu verlassen. Beide weigerten sich.

"Geltendes Recht mit Füßen getreten"

Auf der deutschen "Humanity 1" waren rund 30 der 35 Migranten in den Hungerstreik getreten, wie Petra Krischok von der Organisation SOS Humanity bestätigte. Die Männer teilten der Crew mit, dass sie seit 40 Stunden nichts mehr gegessen hätten und dass die Öffentlichkeit dies erfahren solle.

Die Situation an Bord hatte sich zugespitzt. Es werde "geltendes Recht mit Füßen getreten", sagte Kapitän Joachim Ebeling. "Wenn ich sehe, dass bei mir Menschen an Bord sind, die das Recht haben, an Land zu gehen, aber von den Behörden daran gehindert werden, dann bin ich einfach nur wütend." Er unterstrich, dass er das Schiff erst dann fortbewegen werde, wenn alle Migranten an Land seien.

Die Crew versuche, den 35 Männern Mut zu machen und die Angst zu nehmen, dass sie nach Libyen gebracht werden könnten, wo sie ihre Überfahrt in Booten angetreten hatten, sagte der Bremer der Deutschen Presse-Agentur. Viele sagten, dass sie lieber ertrinken würden, als in das Bürgerkriegsland zurück zu müssen.

Die Organisation SOS Humanity leitete bereits juristische Schritte ein. Bei einem Gericht in Catania wurden Asyl-Eilanträge für die 35 Migranten gestellt. Ein Anwalt reichte daneben beim Verwaltungsgericht in Rom Beschwerde gegen einen Erlass des Innenministeriums der neuen italienischen Rechtsregierung ein. Der Erlass sieht vor, dass die "Humanity 1" die italienischen Gewässer wieder verlassen und alle Migranten mitnehmen muss, bei denen keine Notsituation vorliege.

Männer sprangen ins Hafenbecken

Wenige Meter neben dem deutschen Schiff war die "Geo Barents" vertaut. "Help", schrieben die Leute dort auf Kartonschilder. Drei Männer sprangen am Montag ins Hafenbecken, um an Land zu schwimmen. Zwei weigerten sich danach, auf das Schiff zurückzukehren. Sie übernachteten deshalb in einem Kleintransporter auf der Mole und warteten auf gute Nachrichten, die schließlich am Abend kamen.

Ein viertes Schiff, die "Ocean Viking", machte sich mit 234 Migranten an Bord auf den Weg nach Frankreich, weil von Rom nach tagelangem Warten keine Antwort auf das Gesuch nach einem Hafen auf Sizilien kam. Die Organisation SOS Méditerranée sprach von einem "kritischen und dramatischen Versagen aller europäischen Staaten". Einige der Geretteten seien schon mehr als zwei Wochen auf dem Schiff.

Wie schon am Montag hatte Brüssel Italien erneut aufgefordert, alle Geretteten an Land zu lassen. Eine Sprecherin der EU-Kommission betonte, dass die Migranten nach EU-Recht Zugang zum Asylverfahren in Italien haben müssten. Es gebe einen klaren Rechtsrahmen.

Auch Deutschland, unter dessen Flagge die "Humanity 1" fährt, war mit Rom im Austausch. Es sei "wichtig, dass alle geretteten Menschen von den Schiffen an Land gehen können und tatsächlich auch alle angemessen versorgt werden können", hatte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes am Montag gesagt.

Italiens Innenminister sprach von "restlicher Ladung"

Überraschend kam das Vorgehen aus Rom nicht. Die rechten Parteien hatten bereits im Wahlkampf angekündigt, Bootsmigranten stoppen zu wollen. Innenminister Matteo Piantedosi hatte die Menschen, die auf dem Boot bleiben müssen, jüngst als "restliche Ladung" bezeichnet, die den Hafen verlassen soll. Von der Opposition und Hilfsorganisationen wurde er dafür scharf kritisiert. Piantedosi war im Jahr 2019 Bürochef im Innenministerium unter Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega, der schon damals Booten mit Geflüchteten die Einfahrt in italienische Häfen verbot.

Dabei kommt nur ein kleiner Teil der Migranten auf NGO-Schiffen nach Italien. Das Innenministerium in Rom zählte Stand Montag mehr als 88.000 Bootsmigranten, die das Land in diesem Jahr erreichten – die allermeisten schaffen es mit eigenen Booten in italienische Gewässer.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Neueste Artikel



TelekomCo2 Neutrale Website