"Transatlantische Zusammenarbeit wieder intakt" Reaktionen auf Nord-Stream-2-Deal fallen gemischt aus
Im Streit um die deutsch-russische Ostseepipeline haben Deutschland und die USA eine Einigung erzielt. Russland reagiert mit Lob. Deutliche Kritik kommt aus einer anderen Ecke. Ein Überblick.
Nach jahrelangem Streit haben die USA und Deutschland einen Durchbruch im Konflikt um die deutsch-russische Pipeline Nord Stream 2 erzielt. Beide Länder veröffentlichten am Mittwoch eine gemeinsame Erklärung. Außenminister Heiko Maas (SPD) zeigte sich erleichtert, mit den USA eine konstruktive Lösung gefunden zu haben. Deutschland und die USA wollen demnach die Ukraine beim Aufbau eines "grünen Energiesektors" unterstützen und sich dafür einsetzen, den Gastransit durch die Ukraine im nächsten Jahrzehnt zu sichern. "Wir stehen als transatlantische Partner fest an der Seite der Ukraine", erklärte Maas.
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Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) erklärte: "Wir haben uns in den letzten Jahren immer dafür eingesetzt, dass die berechtigten Sicherheitsinteressen der Ukraine respektiert werden." Dazu setze er sich dafür ein, "dass der Gastransit für die Ukraine über 2024 hinaus verlängert wird". Er sei "froh, dass die transatlantische Zusammenarbeit wieder intakt ist".
Die beinahe fertiggestellte Ostsee-Pipeline soll russisches Gas nach Deutschland bringen – unter Umgehung der Ukraine, die auf die Einnahmen aus dem Gas-Transit angewiesen ist. Die USA hatten Nord Stream 2 jahrelang massiv kritisiert, wollen nun aber auf weitere Sanktionen verzichten. In der Erklärung wird Russland davor gewarnt, Energie als politische "Waffe" einzusetzen – dies ist die größte Befürchtung in den USA. Hier lesen Sie alle Informationen zu dem neuen Deal.
Auch der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Peter Beyer, begrüßte die Einigung zwischen den USA und Deutschland. "Es ist ein guter Tag für die transatlantischen Beziehungen, für die deutsch amerikanische Freundschaft", sagte Beyer am Mittwochabend (Ortszeit) in Washington. Der CDU-Politiker betonte, die Vereinbarung bedeute nicht, dass die USA und Deutschland ihre unterschiedlichen Haltungen zur deutsch-russischen Pipeline abgelegt hätten. Mit der Erklärung seien die wichtigen Themen im Zusammenhang mit dem Projekt angegangen worden – besonders die Unterstützung für die Ukraine. Es sei daher auch "ein guter Tag mit guten Botschaften für die Ukraine."
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Deutsche Wirtschaft in Russland lobt den Deal
Die deutsche Wirtschaft in Russland lobte die Einigung zwischen den USA und Deutschland. "Es ist ein gutes Zeichen, dass Washington und Berlin ihren Streit (...) beigelegt haben und die für Europa äußerst wichtige Gasverbindung fertiggestellt werden kann", sagte der Präsident der deutsch-russischen Auslandshandelskammer (AHK), Rainer Seele. "Gerade in schwierigen Zeiten ist es wichtig, dass es solche Leuchtturmprojekte zwischen Russland und Europa gibt."
Die Top-Diplomatin Victoria Nuland aus dem US-Außenministerium sagte am Mittwoch bei einer Anhörung im Kongress, die Regierung von US-Präsident Joe Biden sei weiterhin der Überzeugung, dass Nord Stream 2 "ein schlechter Deal" sei, der die Abhängigkeit Europas von russischer Energie verstärke. "Das ist eine schlechte Situation und eine schlechte Pipeline, aber wir müssen helfen, die Ukraine zu schützen, und ich habe das Gefühl, dass wir mit dieser Vereinbarung einige wichtige Schritte in diese Richtung gemacht haben."
Widerstand im US-Kongress
In den USA gibt es seit Jahren parteiübergreifend Widerstand gegen Nord Stream 2. Die Einigung stößt daher auch im Kongress auf Widerstand. Der ranghohe Republikaner, Michael McCaul, teilte in einem Statement mit, er zweifele nicht daran, dass Moskau die Pipeline "als Waffe der Nötigung" gegen die Ukraine und die transatlantische Energiesicherheit nutzen werde, sobald sie in Betrieb sei.
Auch aus den Reihen von Bidens Demokraten gab es Zweifel. "Deutschland ist ein wichtiger Verbündeter und ich begrüße die diplomatischen Bemühungen der Biden-Administration, einen Weg für Nord Stream 2 auszuhandeln. Aber ich bin noch nicht davon überzeugt, dass diese Vereinbarung Putin ausreichend daran hindern kann, diese Pipeline als Waffe zu nutzen, um politischen Einfluss auf Europa auszuüben", schrieb etwa Senatorin Jeanne Shaheen auf Twitter.
Kritik aus Polen und der Ukraine – Lob aus Moskau
Deutliche Kritik kam aus Polen und der Ukraine. Beide Länder warnten in einer gemeinsamen Mitteilung der Außenministerien, diese Entscheidung habe eine "politische, militärische und energietechnische Bedrohung für die Ukraine und Mitteleuropa geschaffen". Zugleich erhöhe sie das Potenzial, dass Russland die Sicherheitslage in Europa weiter destabilisiere. "Leider können die bisherigen Vorschläge zur Deckung des Sicherheitsdefizits als nicht ausreichend angesehen werden, um die Bedrohungen durch Nord Stream 2 wirksam einzudämmen", hieß es in der Erklärung.
Lob kam aus Moskau: "Diese Vereinbarung gibt uns die Möglichkeit, den Bau von Nord Stream 2 in Ruhe abzuschließen und den Betrieb vollständig aufzunehmen", sagte Wladimir Dschabarow vom Föderationsrat - das Oberhaus des russischen Parlaments - der Agentur Interfax. Zugleich stellte er Bedingungen für eine mögliche Verlängerung des Transitvertrags durch die Ukraine: Die Ukraine sollte sich als "konstruktiver Partner" unter Beweis stellen. Bei "normalen Bedingungen" werde niemand Druck ausüben auf die Ukraine. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte der Staatsagentur Ria Nowosti, die Verhandlungen über einen neuen Transitvertrag dürften nur von rein "kommerziellem Charakter" sein.
Merkel telefoniert mit Putin
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) telefonierte am Mittwoch nach Regierungsangaben mit dem russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin – Thema dabei war auch Nord Stream 2. Merkel dürfte Putin den Durchbruch im Streit mit den USA erläutert haben.
Biden und Merkel hatten am vergangenen Donnerstag in Washington einen Neustart in den deutsch-amerikanischen Beziehungen beschworen, nach schwierigen Jahren unter Bidens Vorgänger Trump. Biden sagte dabei, er habe Merkel gegenüber nochmals seine Bedenken bezüglich der Pipeline ausgedrückt. Russland dürfe diese nicht nutzen, um "die Ukraine auf irgendeine Weise zu erpressen".
Merkel sagte nach dem Treffen in Washington, Nord Stream 2 sei ein zusätzliches Projekt und keine Alternative zum Gastransit durch die Ukraine: "Unser Verständnis war und ist und bleibt, dass die Ukraine Transitland für Erdgas bleibt." Merkel machte deutlich, man werde "auch aktiv handeln", falls Russland das Recht der Ukraine auf Gastransit nicht einlösen werde.
- Eigene Recherchen
- Nachrichtenagentur dpa