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Litauens Ex-Präsident Landsbergis: "Russlands Ziel ist es, zu herrschen"


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Erster Präsident Litauens
"Wir können einen Angriff auf das Baltikum erwarten"

  • Jonas Mueller-Töwe
InterviewVon Jonas Mueller-Töwe

Aktualisiert am 11.03.2020Lesedauer: 4 Min.
Präsident Vytautas Landsbergis 1990 inmitten einer Demo für die Unabhängigkeit Litauens: "Wir können einen Angriff auf das Baltikum erwarten."Vergrößern des Bildes
Präsident Vytautas Landsbergis 1990 inmitten einer Demo für die Unabhängigkeit Litauens: "Wir können einen Angriff auf das Baltikum erwarten." (Quelle: ullstein-bild)
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Vytautas Landsbergis führte Litauen als erste Sowjetrepublik in die Unabhängigkeit. 30 Jahre später warnt er eindringlich vor der russischen Aggression: "Niemand kann sich in der Nähe Russlands sicher fühlen."

Es ist der 11. März 1990, als das Ende der Sowjetunion in greifbare Nähe rückt: Litauen erklärt als erste der Sowjetrepubliken seine Unabhängigkeit. An der Spitze des jungen Staates steht Vytautas Landsbergis, der seit Jahren auf diesen Tag hingearbeitet hat. Er wird das Land in Richtung Westen führen und lange im Europaparlament als Abgeordneter der Europäischen Volkspartei vertreten.

Fast 30 Jahre später blickt Landsbergis im Interview mit t-online.de auf die Geschehnisse zurück und spricht über den russischen Einfluss in Europa. Er warnt davor, die Sanktionen gegen Russland aufzuheben. Die Bedrohung sei noch immer real. Deutschland müsse endlich seine Unterwürfigkeit gegenüber dem Kreml aufgeben.

t-online.de: Herr Landsbergis, was ist Ihre eindrücklichste Erinnerung an privates und politisches Leben in der Sowjetunion?

Vytautas Landsbergis: Im engsten und vertrautesten Kreis war das Privatleben eine Zuflucht. Das Regime zog hingegen den Kurs auf eine intellektuelle Steinzeit vor.

Ihre Bewegung Sajudis trat für die Unabhängigkeit Litauens ein, fürchteten Sie keine Repressionen?

Nein. Unterdrückung war Teil des Lebens.

Als die Macht der Sowjetunion 1990 schwand, hielt Litauen die ersten freien Wahlen seit dem Zweiten Weltkrieg ab. Sie wurden Präsident und erklärten die Unabhängigkeit. Was waren Ihre Gedanken damals?

Freiheit und Demokratie weiter aufzubauen, in jedem Fall, selbst aus dem Gefängnis.

Der Unabhängigkeit folgte ein Putschversuch: Im Januar 1991 marschierten sowjetische Streitkräfte ein. Ihre Erinnerungen?

Da sie uns nicht stoppen konnten, setzten die Sowjets ihre Militärmacht gegen Zivilisten ein – und vergossen das Blut derjenigen, die schuldig waren, ihre Würde zu behalten.

Die Republik überlebte. Was bedeutete das für Sie?

Wir gewannen damals eine Schlacht – und erwarteten weitere.

Änderte sich das, als die Sowjetunion zerfiel und Russland selbst zum Sprung in die Demokratie ansetzte?

Für einige Zeit hofften wir damals, dass direkte gewaltsame Attacken ausbleiben könnten.

War Litauen an irgendeinem Punkt in den vergangenen fast 30 Jahren sicher vor dem russischen Machtanspruch? Welche Rolle spielten die EU und die Nato dabei?

Niemand kann sich in der Nähe Russlands sicher fühlen. EU und Nato gaben uns mehr Sicherheitsgarantien – aber das politische Umfeld, besonders im Osten, ist weit von Narrensicherheit entfernt.

Was waren Ihre Gedanken, als russische Streitkräfte 2014 auf die Krim einrückten?

Ganz einfach. Ich dachte: "Wer ist der Nächste?"

2016 sollen russische Geheimdienste in Montenegro einen Putschversuch orchestriert haben. Waren Sie überrascht?

Ich war positiv überrascht, dass sie damit gescheitert sind.

Was sind die Ziele der russischen Einflussoperationen in Europa und den USA?

Russlands Ziel ist es, zu herrschen. Dafür versucht es, irgendeine Form der direkten oder indirekten Unterwerfung zu erzwingen.

Sehen Sie Ähnlichkeiten zu den Methoden der Sowjetunion?

Grundlegende Ziele der Staatsführung sind die gleichen. Die Methoden haben sich weiterentwickelt und beinhalten nun terroristische Giftanschläge und weltweite Bestechung.

Inoffizielle Agenten des KGB wurden nach Ende des Kalten Kriegs in Westeuropa nur sehr selten entlarvt. Gibt es hier noch immer Menschen in Politik und Wirtschaft, die heute durch ihre frühere Arbeit für den KGB und andere russische Dienste erpressbar sind?

Nicht nur durch ihre Arbeit vor 1990 – sondern auch durch ihre Arbeit danach.

Was sind die militärischen Aspekte des russischen Einflusses?

Russland betreibt andauernde Anstrengungen, den Willen seiner Gegner sich der Aggression entgegen zu stellen, zu schwächen und zu brechen. Russland bevorzugt die weiche Kapitulation.

Ist Europa in der Lage, sich zu verteidigen?

Sofern es nicht am Willen mangelt ...

Wie wahrscheinlich ist ein militärischer Konflikt im Baltikum?

Die Formulierung ist falsch. Ich erwarte keinen "Konflikt", da die baltischen Staaten niemals jemanden angreifen werden. Wir können einen Angriff auf das Baltikum erwarten. Selbstverteidigung ist kein Konflikt.

In Deutschland gibt es starke Strömungen unter anderem in SPD, Linke und AfD, die für die Abschaffung der Russland-Sanktionen eintreten. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Werden Sanktionen gegen einen Aggressor und Besatzer aufgehoben, wird das Böse ermutigt – wie bei Hitler und Stalin. Das schriebe das Niedertrampeln der internationalen Ordnung fest. Macht nur so weiter, Jungs.

Gerade die AfD hat enge Beziehungen zu Moskau, wie Fidesz in Ungarn, wie Rassemblement National in Frankreich, wie Lega in Italien. Was sagt das über die Rechtsaußen?

Sie fürchten sich nicht, wie Putins Schützlinge zu wirken. Was für eine Freude, Marionetten zu sein…

Mitglieder dieser Bewegungen behaupten gern, Russland habe legitime Sicherheitsinteressen im Baltikum, die durch die Nato gefährdet werden – was würden Sie antworten?

Das "legitimste" Interesse der hegemonialen Herrschaft Russlands ist es, furchtsame und unterwürfige – also "befriedete" – Nachbarn dem andauernden geopolitischen Psychoterror des Kremls auszusetzen. Begleitet von Bestechungen mit seinem dreckigen Geld. Wenn die Nato den Eifer möglicher Kriegsverbrecher zügelt, ist das nichts Schlechtes.


Was sollte die deutsche Regierung tun? Was hoffen Sie für die [2019 kurz bevorstehenden] Europawahlen?

Die deutsche Regierung sollte sich zumindest von den Überbleibseln der Unterwürfigkeit gegenüber stalinistischen "Siegern" im Kreml distanzieren. Ich hoffe, dass das Europaparlament keinen Selbstmord begeht.

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Verwendete Quellen
  • Das Interview wurde im Mai 2019 per E-Mail geführt und aus dem Englischen übersetzt.
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