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Afrika: Buffalo-Rad bringt den Kontinent in Bewegung


Ein Projekt bewegt Afrika
Büffel mit zwei Rädern

Von Horand Knaup

Aktualisiert am 09.04.2019Lesedauer: 5 Min.
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Das Buffalo-Bike in Afrika: Küken und Ananas, Mais, Milch und Eier – alles wird auf den Gepäckträger geschnallt.Vergrößern des Bildes
Das Buffalo-Bike in Afrika: Küken und Ananas, Mais, Milch und Eier – alles wird auf den Gepäckträger geschnallt. (Quelle: WBR)

Ein erstaunliches Projekt bringt Afrika in Bewegung: Ein tropentaugliches Fahrrad sorgt für mehr Bildung, höheren Warenumschlag und eine bessere medizinische Versorgung.

Meistens beginnt das Große im Winzigkleinen. So war es auch bei Brian Moonga. Als er vor acht Jahren, damals 42 Jahre alt, bei einer kleinen Hilfsorganisation anheuerte, war der sambische Ableger von WBR ein kleiner Laden. Eine kleine Hinterhofwerkstatt in der Hauptstadt Lusaka, in der einige Leute Fahrräder zusammenschraubten.

Heute reist Moonga durch Europa, um für WBR, für World Bicycle Relief, und seine Fahrräder zu werben. Ein bisschen kalt ist es in Mitteleuropa für den Mann aus dem südlichen Afrika, seine Jacke öffnet er selbst im Café nur eine Handbreit. Aber Moonga ist bester Dinge – er ist schließlich Botschafter eines Erfolgsprojekts. 24.000 Fahrräder hat er im vergangenen Jahr in seinem Land unter die Leute gebracht. Eine respektable Zahl, wenn man in Betracht zieht, dass geteerte Straßen in Sambia eher die Ausnahme sind und der Großteil der Pisten und Wege aus Sand und Schotter besteht.


Der Verkauf von Velos wäre erst einmal keine Nachricht. Doch die Buffalo-Fahrräder, für die Moonga durch Europa tourt, sind besondere Räder: Einfach, schwer, robust. Kein Licht, keine Handbremse, dafür 25 Kilo Stahl, Rahmen, Lenker, Tretlager, zwei Räder, Gepäckträger, Klingel – fertig ist das Monster.

Vor allem aber sind die Räder ein Verkaufsschlager. Jedenfalls in Afrika. Fast eine halbe Million Buffalos rollen inzwischen durch den Kontinent. Nicht nur in Sambia. Auch in Kenia, Ghana, Zimbabwe oder Mosambik. Und kein Zweifel – sie tragen mehr zur Entwicklung des Kontinents bei als so manches millionenschwere Hilfsprojekt.

Auch die Vereinten Nationen setzen aufs Rad

Auch die Vereinten Nationen haben das inzwischen erkannt. Seit vergangenem Jahr ist der 3. Juni "Weltfahrradtag", auch in diesem Jahr soll er begangen werden. Mit der Einführung des Aktionstages haben die Vereinten Nationen das Fahrrad in ihren Instrumentenkasten zur Erreichung der globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) aufgenommen. Zudem fordern sie ihre Mitglieder auf, dem Fahrrad in ihren Entwicklungsstrategien besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Moonga, heute 50 Jahre alt, verheiratet, vier Kinder, weiß, wovon er spricht. Seine Eltern waren Lehrer. Er hatte Glück, als er zur Schule ging: Er wohnte neben dem Schulhaus. Seine beiden Sitznachbarn traf es schlechter. Sie hatten bereits Strecken von sieben und elf Kilometern hinter sich, wenn sie die Schule erreichten. Jeden Morgen, zu Fuß. Und Nachmittags wieder zurück. Beide schafften den Grundschulabschluss nicht. Moonga machte Abitur, studierte Betriebswirtschaft, wurde Banker. Später arbeitete er für eine Gesundheits-NGO, dann wechselte er zu WBR.

Begonnen hat die Geschichte von World Bicycle Relief aber ganz woanders – mit einer biblischen Katastrophe. Es war im Januar 2005, als der Gründer und Besitzer der US-Fahrradteile-Firma Sram, Frederick K. Day, in Sri Lanka helfen wollte. Einige Tage zuvor war der Tsunami über die Küstenregionen der Insel gerollt und hatte alles Leben erstickt. 24.000 Fahrräder, zusammengeschraubt in Indien und aus eigener Tasche bezahlt, schickte Sram damals als Soforthilfe nach Sri Lanka.

Die Aktion war so erfolgreich, dass einige Hilfsorganisationen vor Ort Day baten, die Aktion doch auf Afrika zu übertragen. Auch dort seien Mobilität und Transport, insbesondere auf dem Land, eine enorme Herausforderung.

Eine halbe Million Buffalo-Räder rollen durch Afrika

Zuallererst ging es Day und seinen Helfern aber nicht um den Transport von Waren, sondern darum, mit den Rädern den Schulweg abzukürzen. "Drei, acht, bis zu 15 Kilometer Schulweg – zu Fuß", sagt Moonga, "für Schüler in Afrika keine Seltenheit". Über Stock und Stein und während der Regenzeit durch Matsch, Bäche und manchmal auch Flüsse. Gute schulische Leistungen sind da nicht mehr möglich.

Also suchte Day nach abgelegenen Land-Schulen, gründete Komitees, die wiederum die bedürftigsten Schüler für die gestifteten Räder aussuchten: 70 Prozent sollten Mädchen sein, so war die Vorgabe, und die mit dem weitesten Schulweg zuerst.

Eine knappe halbe Million Buffalo-Räder rollen inzwischen durch Afrika. Zusammengeschraubt in kleinen Werkstätten in Sambia, Kenia, Malawi und Zimbabwe. Alles ist angepasst: Die Reifen sind unkaputtbar, beinahe zumindest, Speichen und Felgen sind gehärtet, der Rahmen ist verstärkt und auch der Gepäckträger ist auf alles vorbereitet: Er kann bis zu 100 Kilo tragen. Auf Teer und im Sand, auf Geröll und auch im Schlamm sind die Räder im Einsatz, bepackt mit allem, was in Afrika transportiert wird: Mangos und Milch, Hühner und Ziegen, Holzkohle und Wasser.

Inzwischen sind es längst nicht mehr nur Schüler, die sich aufs Buffalo schwingen. Krankenschwestern und Ärzte besuchen ihre Patienten per Rad, Händler schnallen Hühner und Ananas, schwere Milchbottiche und turmhohe Eier-Paletten auf den Gepäckträger. Das Buffalo ist Treiber für die Gesundheitsversorgung auf dem Land, für den Handel, für die Mobilität überhaupt. "500 Millionen Menschen sind in Afrika jeden Tag für die Basisversorgung unterwegs", sagt Moonga. Bisher nur selten auf zwei Rädern.

Andere Räder hielten nicht durch

Anfangs hatte WBR-Gründer Day noch indische und chinesische Räder nach Afrika verschiffen lassen, doch deren Lebenszeit blieb begrenzt: Sie waren afrikanischen Schotterpisten nicht gewachsen.

Dann gewann Day den US-Produzenten Giant, der die Einzelteile fürs Buffalo in seinen Fabriken in China fertigen und sie nach Afrika verschiffen lässt. Im Falle von Sambia werden sie dann in der Hauptstadt Lusaka zusammengeschraubt. In Spitzenzeiten bis zu 120 Räder pro Tag, wie Moonga stolz berichtet. Und wenn es sein muss, nieten 12 Leute ein Rad auch in 15 Minuten zusammen.

Spitzenzeiten sind dann, wenn, wie kürzlich passiert, die Kinderhilfsorganisation Unicef innerhalb von zwei Wochen 1.900 Räder geliefert haben will. Und mit Sonderschichten auch geliefert bekommt.

Damit die Sache auch nach der Auslieferung noch rund läuft, haben über 1.000 Velo-Mechaniker eine einwöchige Kurzausbildung erfahren. Verteilt übers ganze Land flicken sie bei Bedarf Schläuche, tauschen Lager aus und ziehen Speichen ein – alles kein Problem.

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Nachfrage übersteigt die Kapazitäten

Natürlich kann man die Räder auch kaufen. Umgerechnet 170 Dollar kosten sie. Das ist für viele in Afrika mehr als ein Monatslohn – und doch übersteigt die Nachfrage die Produktionskapazitäten deutlich. Die robuste Konstruktion des Buffalo hat sich herumgesprochen. Zwar bieten Konkurrenten aus Indien und China günstigere Modelle an. Doch die sind vielfach nach zwei Jahren verschlissen.

Und die Pläne für die Zukunft? Moonga versprüht Optimismus: In ganz Afrika wurden bisher 400.000 Büffel-Räder ausgeliefert. In diesem Jahr soll die Halbe-Million-Marke fallen.


Derzeit basteln sie an einem Modell mit Gangschaltung. Der allfällige Staub, der sich in jede Ritze hineinfrisst und sich gegebenenfalls mit Milch, Pflanzenöl, Eigelb oder auch nur Wasser zu einer klebrigen Paste vermischt, verhinderte bisher eine tropentaugliche Nabenschaltung. Das soll sich ändern. Moonga ist guter Dinge: "Wir schaffen das. Und dann sind wir auch schnell bei einer Million Buffalo-Räder."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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