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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Geplatzter Gipfel mit Kim Trump ist kein "Dealmaker" und das Gerede von "Deals" gefährlich
Donald Trump inszeniert sich als "Dealmaker" – und die Welt fällt auf seine Behauptungen herein. Das Ende des Gipfeltreffens mit Kim Jong Un wäre ein guter Zeitpunkt, sich zu besinnen.
Donald Trump und Kim Jong Un haben ihren zweiten groß inszenierten Brudergipfel vorzeitig beendet. Ohne Ergebnis. Ohne Abkommen. Oder, wie es in der Sprache des US-Präsidenten heißt: ohne "Deal". Eine gute Gelegenheit, um sich ein für alle Mal von diesem Zombiewort zu verabschieden, das wegen Trump ein Eigenleben entwickelt hat und das Denken und Sprechen verklebt. Also: Weg mit dem "Deal", und erst recht weg mit dem "Dealmaker"!
Um das kurz aus dem Weg zu räumen: Natürlich ist es nicht verwerflich, wenn politische Verhandlungen ohne Ergebnis enden. So etwas passiert ständig, es passierte diversen US-Präsidenten und ihren Chefverhandlern in Gesprächen mit Nordkorea, weil die Interessen der USA und des wahrscheinlich einzigen totalitären Staates der Welt kaum überlappen. Trump ist nicht vorzuwerfen, dass er auf dieselben Probleme stößt.
"Deal" ist nicht einfach ein anderes Wort für "Abkommen"
Trump ist vorzuwerfen, dass er so tut, als habe er die einmalige Gabe, durch "Deals" Einigkeit zu erzielen. Der "Deal" ist dabei ja nicht nur ein anderes Wort für "Abkommen" oder "Vertrag", das ist ein weit verbreitetes Missverständnis. Dafür gibt es auch im Englischen etwa die Begriffe "Treaty", "Agreement", "Accord" oder "Convention". Der viel zitierte "Iran Deal" Barack Obamas heißt eigentlich: "Joint Comprehensive Plan of Action". Der "Brexit-Deal" von Theresa May heißt in der Politik "Withdrawal Agreement", und Diplomaten nutzen auch diese Begriffe.
Der "Deal" ist ein ganz eigener Begriff, hinter dem "Deal" steht eine ganz bestimmte Vorstellung von Politik, und zwar eine unpolitisch-autoritäre.
Im "Deal" steckt die Vorstellung, dass Politik einfach ist, nicht unendlich kompliziert, und dass deshalb das persönliche In-die-Augen-Schauen von zwei Staatenlenkern materielle Interessengegensätze besser auflösen kann als es lange Verhandlungen zwischen diplomatischen Apparaten können. Und damit steckt darin das im Kern autoritäre Misstrauen gegen Verträge und Bürokraten, das Vertrauen in starke Führer und deren Handschlag.
Imagepflege durch ein Buch
Natürlich war es hilfreich, dass Helmut Kohl und Michail Gorbatschow zusammen saunieren konnten, dass Helmut Schmidt und Valery Giscard d’Estaing befreundet waren und dass Angela Merkel und Barack Obama sich am Ende sehr gut verstanden. Aber dadurch wird Politik nur leichter, nicht ersetzt. Widerstreitende Vorstellungen vom Guten und Richtigen, komplexe Gruppenzugehörigkeiten, alte Ängste und neue Wünsche, all das muss man kennen und abwägen und irgendwie einen Weg finden, der für alle annehmbar ist. Das dauert und es ist schwer.
Trump aber behauptet, für ihn gelte das alles nicht, weil, ja, warum eigentlich? Weil er eben ein "Dealmaker" sei, selbstredend ein sehr großartiger. Dieses Image pflegt er mindestens seit "The Art of the Deal", seinem Bestseller von 1987. Der Titel stammt natürlich nicht von ihm, sondern von seinem Co-Autor Tony Schwartz, der nach eigener Aussage das Buch allein geschrieben hat. Trump nutzt das Bild, um sich zu vermarkten.
Und die Öffentlichkeit gibt sich der Illusion hin. Sie wiederholt, mal zustimmend, oft ironisch, die Zuschreibung als "Dealmaker" und etabliert damit diese Kategorie. Sie übernimmt Trumps Idee vom "Deal". Dabei weiß wahrscheinlich niemand, was ein "Dealmaker" sein soll. Wodurch unterscheidet er sich vom Verhandler? Was kann er oder sie, was zeichnet ihn aus? So bleibt nur das zirkuläre: Ein "Dealmaker" ist jemand, der "Deals" abschließt.
Trumps "Deals" müssen auf dieser Ebene scheitern
Dabei muss man bei Trump bedenken, dass seine Art, "Deals" zu machen, nicht wirklich auf die Politik übertragbar ist. Trumps Erfolge beruhen im Wesentlichen auf drei Säulen. Einem ererbten Vermögen, Externalisierung von Kosten und schmutzigen Tricks.
Ein Vermögen, nämlich die militärische, politische, ökonomische und kulturelle Übermacht der USA, hat Trump auch als Präsident geerbt.
Es gibt aber kein Außen der Welt (so wie es eine US-Gesellschaft gibt, die eben mehr Steuern zahlen muss, wenn Trump für seine Immobilienkäufe keine Steuern zahlt), deshalb musste Trumps Ansatz der Externalisierung von Kosten als Präsident an Schranken stoßen; da ist dann oft niemand mehr, der zahlen kann.
Schließlich Drohungen und Lügen: Trump versucht das auch als Präsident, er hat ja auch Kim die nukleare Vernichtung angedacht, aber alle wissen, dass ein US-Präsident nicht mal eben so einen genozidalen Angriffskrieg beginnen kann. Denn die US-Politik ist (noch) demokratisch, nicht autoritär.
Damit fällt Trumps "Dealmaking" in sich zusammen. Zurück bleibt: Politik. Die Welt der Abkommen und Verträge, die nicht deshalb so heißen und so mühevoll erarbeitet werden, weil allen anderen Politikern das "Dealmaking"-Gen fehlte, sondern weil die Welt kompliziert ist. Man muss Interessengegensätze ausgleichen, man kann sie nicht durch magische Behauptungen auflösen.
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Tony Schwartz bedauert heute öffentlich, Trumps Aufstieg befördert zu haben. Und formuliert es mit einem US-Sprichwort: "Ich habe ein Schwein mit Lippenstift bemalt." Die Öffentlichkeit, könnte man ergänzen, hat seit 2016 viel Rouge und Puder hinzugefügt. Das hat Spaß gemacht, wie Kinderschminken. Aber irgendwann ist der Spaß vorbei. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt. Deal?
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