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Bannons Bewegung: Der US-Rechtspopulist will Europa aufmischen


Bannons Bewegung
Wie der US-Rechtspopulist Europa aufmischen will

dpa, Verena Schmitt-Roschmann

28.08.2018Lesedauer: 5 Min.
Steven Bannon: Einst Berater von US-Präsident Donald Trump will er jetzt die Rechten in Europa einen.Vergrößern des Bildes
Steven Bannon: Einst Berater von US-Präsident Donald Trump will er jetzt die Rechten in Europa einen. (Quelle: Dan Anderson/imago-images-bilder)

Der Rechtsideologe Steve Bannon war Berater von US-Präsident Trump, bis er in Ungnade fiel. Nun sucht er in Europa Verbündete für seinen düsteren Nationalismus – einen hat er bereits gefunden.

Ein prächtiges Herrenhaus unter uralten Bäumen, verdeckt hinter dichten Hecken, bewacht von zwei mittelmäßig furchterregenden Hunden: Hier soll "Die Bewegung" beginnen. So jedenfalls plant es Mischaël Modrikamen, Chef einer belgischen Rechtspartei und nach eigenen Worten europäischer Partner des ehemaligen Trump-Beraters Steve Bannon. "The Movement" soll Europas Rechte einen und bei der Europawahl 2019 zum Triumph führen.

Ende Juli lancierte Bannon – inzwischen öffentlich zerstritten mit US-Präsident Donald Trump – den Plan für eine Art Zentrale der europäischen Rechten. Eine Stiftung in Brüssel solle es werden, etwa zehn Stellen zunächst, Spezialisten für Wähleranalyse, Recherche, Kommunikation, sagte der rechte Ideologe der Plattform "The Daily Beast". Dann meldete sich Modrikamen zu Wort und ergänzte, die Stiftung habe er längst gegründet und erwecke sie jetzt zusammen mit Bannon zum Leben.

Noch hat sich nicht allzuviel bewegt. Mitte September werde man startklar sein, sagt der 52-jährige Modrikamen, dessen Parti Populaire einen Sitz im belgischen Parlament hält. Für November plant er einen "Launch event" mit Bannon, der Vorsitzender der Stiftung werden soll. Modrikamen selbst sieht sich als Geschäftsführer. Der Einfachheit halber soll auch die "Bewegung" – wie schon seine Partei – zunächst Platz in seinem Haus im Brüsseler Süden finden.

Der leise Mann und sein "heiliger Kampf"

Modrikamen ist Anwalt. Ein nicht gerade lauter, etwas hölzern wirkender Mann, der sich für das Interview am Telefon viel Zeit nimmt. Bannon hingegen, der langjährige Chef der rechten US-Nachrichtenseite Breitbart, wird oft als ideologischer Finsterling beschrieben. Jüngst sagte er, die Rechte solle sich Rassismusvorwürfe wie eine Auszeichnung an die Brust heften. "Mir geht es um Macht", bekannte er im "Daily Beast".

Wie die beiden zusammen fanden, beschreibt Modrikamen so: Er habe sich als Trump-Fan der ersten Stunde schon kurz nach der US-Wahl 2016 an dessen Team gewandt und die Stiftung gegründet. Doch hätten die Trump-Leute damals Wichtigeres zu tun gehabt und das Projekt habe auf Eis gelegen. Als Bannon dann jüngst auf der Suche nach Verbündeten durch Europa reiste, habe der britische Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage den Kontakt hergestellt. "Es hat gepasst", sagt Modrikamen. "Wir haben dieselben Ziele."

Auf Facebook zeigt der Belgier schwärmerische Unterstützervideos für Trump und den "heiligen Kampf des Volks" um Souveränität und gegen angebliche Gefahren durch Flüchtlingswellen und Gewalt. "Ihre Bewegung ist jetzt global", jubelte Herr mit Hornbrille dem frisch gewählten US-Präsidenten 2016 zu. "In Europa brauchen wir jetzt Ihre Unterstützung."

Auch jetzt spricht Modrikamen vom "großen Kampf um die Seele der künftigen westlichen Zivilisation" zwischen "Souveränisten" und globalen Eliten, wie sie sich beim Weltwirtschaftsforum in Davos und den Bilderberg-Konferenzen tummeln. Die Wortwahl deckt sich mit Bannons, der ebenfalls den großen Gegensatz konstruiert zwischen "dem Populismus und der Partei von Davos".

EU-Freunde in Panik

Die nächste Etappe bei diesem Aufstand der angeblich kleinen Leute ist für beide die Europawahl im Mai 2019. "Das wird ein enorm wichtiger Moment für Europa", sagte Bannon dem "Daily Beast". Modrikamen spricht von einem Meilenstein und zitiert Umfragen, wonach euroskeptische Populisten ein Viertel oder gar ein Drittel der Sitze im nächsten Europaparlament erringen könnten.

Einen erheblichen Zuwachs sagt auch eine interne Simulationsrechnung aus dem Europaparlament voraus, die Umfragen vom Frühjahr berücksichtigt sowie die Verkleinerung des Parlament nach dem britischen EU-Austritt von 751 auf nur noch 705 Sitze. Christ- und Sozialdemokraten sowie die Grünen müssen demnach erhebliche Verluste befürchten.

Die Prognose bedeutet so lange vor der Wahl noch wenig, doch ist bei EU-Unterstützern so etwas wie in Panik spürbar. Fast niemand zweifelt nach den jüngsten Erfolgen von Populisten in Deutschland, Österreich, Ungarn oder Italien, dass sich auch im Europaparlament die Gewichte verschieben werden. Die Frage ist nur, wie weit, und was die EU-Kritiker damit anfangen.

Bannon träumt von der geballten Macht einer "Superfraktion" der Nationalisten und Populisten, statt der bisherigen Trennung in den Parlamentsgruppen EFDD und ENF. Bei seiner Europatour im Frühjahr umwarb der US-Politiker nicht nur die französische Rechtsextremistin Marine Le Pen und Italiens Lega-Chef Matteo Salvini, sondern auch Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban, der seine Fidesz-Partei bisher neben CDU/CSU bei der Europäischen Volkspartei einsortiert.

AfD legt wert auf Unabhängigkeit

Einige zweifeln am großen Schulterschluss, so etwa der frühere britische Europastaatsminister Denis Macshane, der auf "Politico" schrieb: "Die heutigen Anti-Immigranten-, Anti-EU-Populisten haben viel mehr Differenzen als Gemeinsamkeiten." Und der öffentliche Zuspruch für Bannons "Bewegung" war auf der europäischen Rechten nicht gerade euphorisch.

Die Alternative für Deutschland jedenfalls will sich nicht einreihen. "Es hat vereinzelte Kontakte gegeben, allerdings ist keine wie auch immer geartete institutionelle Zusammenarbeit geplant", sagt der Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Christian Lüth. Er betont: "Wir legen als Partei und Fraktion sehr großen Wert auf politische Unabhängigkeit und lehnen Einflüsse von außen grundsätzlich ab."

Modrikamen äußert sich nur vage über die Unterstützer der "Bewegung" - ein Begriff, den einst schon die Nationalsozialisten nutzten. Bannon habe Kontakte, es gebe eine Liste natürlicher Verbündeter in Europa, sagt der Belgier. Wie Bannon selbst sind es vor allem Ehemalige, die öffentlich Sympathie bekunden: Ex-Ukip-Chef Farage etwa oder dessen Ex-Berater Raheem Kassam, Ex-Chef von Breitbart in London. Von dpa erbetene Interviews mit beiden Politikern kamen nicht zustande.

Modrikamen betont, man plane ohnehin eher eine Dachorganisation, einen "informellen Club", finanziert mit "einigen Millionen" durch Spender in den USA und Europa. Fünf, sechs gemeinsame Grundsätze werde es geben – Ablehnung der EU in jetziger Form, Kontrolle der eigenen Grenzen und der Migration, Kampf gegen den radikalen Islam – "vielleicht noch ein oder zwei weitere, das war's". Fremdenfeinde, Rassisten und Antisemiten wie die Goldene Morgenröte aus Griechenland oder Jobbik aus Ungarn dürften dagegen nicht mitmachen, versichert Modrikamen.

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Alles ganz harmlos?

Alles harmlos also? "Ich warne davor, das zu unterschätzen", sagt der SPD-Politiker Jo Leinen, der seit 1999 im Europaparlament sitzt. "Ich halte die Einmischung von außen für brandgefährlich." In den USA gebe es enormes Knowhow zu Wähleranalysen und -beeinflussung über soziale Medien. "Bannon hat den Ehrgeiz, die Europäische Union zu zerschlagen", prophezeit Leinen düster. Und: "Das wird die schwierigste Europawahl seit ihrer Entstehung vor 40 Jahren."

Der Sozialdemokrat ist übrigens Ehrenpräsident einer anderen Bewegung, der 1948 gegründeten Europäischen Bewegung International. Es ist ein Netzwerk traditioneller EU-Unterstützer, ebenfalls mit Hauptquartier in Brüssel, nur nicht ganz so malerisch – in einem Zweckbau in einer Seitenstraße des Europaviertels. Leinen schöpft Mut aus dieser Bewegung, auch aus den Demonstrationen von Pulse of Europe. Aber ein bisschen mehr Unterstützung aus Gesellschaft, Wirtschaft, Gewerkschaften dürfte es aus Leinens Sicht schon sein. "Sich vornehm raushalten, geht nicht mehr", sagt der SPD-Mann. "Dafür sind die Gefahren viel zu groß."

Verwendete Quellen
  • dpa
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