Für Erstürmung gedacht Bundesregierung findet Idee für russischen Mini-Reichstag merkwürdig
Russland hat kürzlich angekündigt, einen Mini-Reichstag zu bauen, den militärbegeisterte "Patrioten" in einem Freizeitpark erstürmen können. Die Bundesregierung hat auf diesen Plan nun mit Befremden reagiert.
Regierungssprecherin Ulrike Demmer sagte: "Die Idee ist überraschend und spricht für sich." Das russische Verteidigungsministerium wies die Kritik als unbegründet zurück und griff deutsche Politiker an.
Russland will den Berliner Reichstag im Militär-Freizeitpark Kubinka westlich von Moskau in kleinerem Maßstab nachbauen, wie Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Mittwoch angekündigt hatte. Junge militärbegeisterte Menschen sollen demnach üben, wie man ein Gebäude stürmt.
Schoigu sagte, im "Patrioten Park" würden auch weitere Schauplätze des Zweiten Weltkrieges nachgebaut. Die Besucher sollten die Atmosphäre der damaligen Zeit nachfühlen und sich selbst im "Überlebenskampf versuchen" können.
Deutsche Erziehung sieht anders aus
In Berlin löste das Projekt Kritik aus. Deutschland würde etwas Vergleichbares zur "Erziehung und Ertüchtigung der deutschen Jugend nicht unbedingt bauen, und das gilt auch für die Art und Weise, wie das betrieben wird", sagte Außenamtssprecher Martin Schäfer.
Der russische Militärsprecher Igor Konaschenkow erwiderte: "Die Attacken dazu von einzelnen deutschen Politikern lösen nicht nur Erstaunen aus, sondern sie werfen auch die Frage auf, welche Haltung sie eigentlich zu den 'Erbauern' des Dritten Reiches von 1933 bis 1945 haben."
Sieg über Hitler-Deutschland für Russen und Nachbarn weiterhin bedeutsam
Zugleich verteidigte er das Projekt als wichtiges Symbol für den Sieg der damaligen Sowjetunion über Hitler-Deutschland. Das Modell des von erbitterten Kämpfen völlig zerstörten Reichstages solle Bestandteil der militärhistorischen Landschaft des Freizeitparkes werden. "Das Hissen der roten Fahne auf dem Gebäude des nationalsozialistischen Reichstages im Mai 1945 durch Soldaten der Roten Armee ist eines der bedeutendsten Symbole des Sieges über den deutschen Nationalsozialismus", sagte er.
In vielen ehemaligen Sowjetrepubliken wird der 9. Mai als einer der wichtigsten Feiertage des Jahres begangen. Seit rund zehn Jahren donnern wie zuletzt zu Sowjet-Zeiten Kampfpanzer, Raketenträger und Fliegerstaffeln über den Roten Platz in Moskau und in vielen anderen Städten - es soll ein Fest für die ganze Familie sein. Bereits Babys werden in uniformähnliche Schlafanzüge gesteckt, Erstklässler salutieren auf den Straßen vorbeifahrenden Panzern. Das Spalierstehen bei der Militärparade ist für viele quasi Pflicht.
Die Rote Armee hatte den Reichstag im Mai 1945 erobert. Sowjetische Soldaten hinterließen auf seinen Mauern Namen und Botschaften - die Schriften sind teilweise noch erhalten.
In Kubinka gibt es bereits ein Panzermuseum, ein "lebensgroßes Partisanendorf" und ein nachgebautes U-Boot aus dem Zweiten Weltkrieg für Schieß- und Militärübungen. "Die ganze Familie kann den Tag dort mit Kämpfen verbringen und mit deftigen Fleischnudeln beschließen", sagte Schoigu kürzlich. Auch ein erstes provisorisches Modell des Mini-Reichstages soll nach Medienberichten bereits existieren. Wann der nachgestellte Sturm auf den Reichstag beginnen soll und wie der Bau finanziert wird, ließ der Minister bisher jedoch offen.