Neue Amtszeit für Alexander Lukaschenko "Die Hälfte der Welt träumt von unserer Diktatur"

Alexander Lukaschenko ist zum siebten Mal als Staatschef von Belarus vereidigt worden. Die Opposition unterdrückt er brutal. Und sieht sich als Vorbild für andere Diktatoren.
Der Mann ist sich ziemlich sicher. "Ihr müsst mich schon töten, wenn ihr neue Wahlen wollt", sagte der belarussische Staatschef Alexander Lukaschenko einmal. Und auch die Proteste zum Start seiner siebten Amtszeit überging er mit kühler Ignoranz. "Die Hälfte der Welt träumt von unserer 'Diktatur', der Diktatur der realen Wirtschaft und der Interessen unseres Volkes", sagte der 70-jährige Lukaschenko am Dienstagabend bei den Feierlichkeiten zu seiner siebten Amtszeit.
Seit 1994 herrscht Lukaschenko in Belarus. Und das mit brutalen Methoden. Die Presse wird unterdrückt, Oppositionelle werden inhaftiert. Dabei greift der Dauerherrscher auch zu rabiaten Methoden. 2021 zwang er eine Ryanair-Maschine auf dem Weg von Athen nach Vilnius beim Flug über Belarus mit Kampfjets seiner Luftwaffe zur Landung in der Hauptstadt Minsk. Sein Ziel: Er ließ den Oppositionellen Raman Pratassewitsch und dessen Freundin Sofia Sapega festnehmen. Die internationalen Proteste der EU und USA? Stören Lukaschenko wenig.
Auch der Start in die siebte Amtszeit wurde von Protestnoten begleitet. Die im Exil lebende Oppositionsführerin Svetlana Tichanowskaja bezeichnete Lukaschenkos Wahl als "Farce". Der Autokrat sei ein "Krimineller, der die Macht ergriffen hat". Lukaschenko war vor Ende Januar mit 86 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt worden. Und hatte sich nach den heftigen Protesten bei der Wahl vor fünf Jahren in diesem Jahr etwas Neues einfallen lassen. Fotos im Wahllokal wurden strikt unterbunden. Mit dieser Methode hatte die Opposition bei der letzten Wahl noch ihre Nein-Stimmen dokumentiert.
Ein Mann der sowjetischen Ordnung
Lukaschenko stört das nicht. "Ihr habt keine Zukunft", ließ er die Opposition zu Beginn seiner siebten Amtszeit wissen. Er sieht sich als Mann der sowjetischen Ordnung. Der belarussische Politikwissenschaftler Walerij Karbalewitsch notierte schon vor Jahren in seinem Aufsatz "Lukaschenka forever": "Auf demokratischem Weg an die Macht gelangt, hat er eine Diktatur aufgebaut und damit zum wiederholten Male in der Geschichte gezeigt, wie das Phänomen der Selbstvernichtung einer Demokratie funktioniert. Der belarussische Führer hat ein Entwicklungsmodell geschaffen, das die offizielle Propaganda als effektive Alternative zum demokratischen Modell der posttotalitären Transformation preist."
Lukaschenko wuchs in der Sowjetunion als Sohn einer Melkerin auf. Jugendfreunde erinnern sich an den einen oder anderen Konflikt mit dem Gesetz. Später setzte er auf die Ordnung, heuerte bei den Grenztruppen des Geheimdienstes KGB an und diente als Politoffizier in der Roten Armee. Den Untergang der Sowjetunion begriff er als Verlust von Ordnung – wie sein Intimus Wladimir Putin. Nach eigenen Angaben war er 1991 im belarussischen Parlament der einzige Abgeordnete, der gegen das Ende der Sowjetunion stimmte.
Den sowjetisch-russischen Reformer Michail Gorbatschow sah er als Schwächling. Die radikale Transformation zur Marktwirtschaft lehnte er ab. Stattdessen setzt Lukaschenko auf strikte Führung in Wirtschaft und Staat – für ihn ein Entwicklungsmodell für andere Staaten. Karbalewitsch analysiert: Das Modell Lukaschenko "stellt eine konservative Reaktion der belarussischen Gesellschaft auf die Herausforderungen von Modernisierung und Globalisierung, eine Art Revolte gegen Reformen dar".
Andere urteilen kritischer. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas kommentierte: "Die unerbittliche und beispiellose Unterdrückung der Menschenrechte, die Einschränkung der politischen Teilhabe und des Zugangs zu unabhängigen Medien in Belarus haben Lukaschenko jegliche Legitimität genommen."
Putins Verbündeter
Lukaschenkos engster Verbündeter ist Russlands Staatschef Wladimir Putin. Gerne bot er sein Land 2022 als Aufmarschgebiet für die russische Invasion in der Ukraine an. Später folgte die Drohung an den Westen, Russland könnte strategische Atomwaffen in seinem Land stationieren. Doch ist Lukaschenko stets darauf bedacht, die Eigenständigkeit seines Landes zu sichern – und natürlich seine Herrschaft. Jewgeni Prigoschin, Chef der Wagner-Miliz, wollte sich nach dem gescheiterten Putschversuch 2023 nach Belarus absetzen, Lukaschenko soll zwischen dem Aufständischen und Putin vermittelt haben. Genutzt hat es Prigoschin wenig. Er starb 2023 unter mysteriösen Umständen bei einem Flugzeugabsturz.
Doch sprach auch Lukaschenko schon früh von einer möglichen Waffenruhe in der Ukraine. Es ist weniger ein Wandeln zwischen Ost und West, vielmehr geht es um ein System von Nähe und Distanz zu Moskau. Das Ziel: die Sicherung seiner Herrschaft. Von "widersprüchlichen Beziehungen" spricht Stefan Meister, Ostexperte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).
Putin aber lässt am Machtverhältnis zwischen beiden keinen Zweifel. "Danke, dass Sie gekommen sind!“, empfing Putin einmal Lukaschenko zum Gespräch. "Als hätte ich ablehnen können", entgegnete dieser. Lukaschenko weiß: Ohne Gas und Erdöl aus Russland wäre die Wirtschaft seines Landes am Ende. E
Lukaschenko kann nicht verlieren. Auch nicht im Sport. Wie Putin liebt er das Eishockeyspielen. Wie Putin kann er auch im Sport nicht mit Niederlagen umgehen. Beide wollen stets auf der Seite der Sieger stehen. Abdanken wäre für Lukaschenko undenkbar. Viel eher denkt er an die Weitergabe seiner Macht in der Familie. Schon jetzt begleitet ihn sein Sohn Nikolai auf Reisen. Schon vor Jahren stellte Lukaschenko klar: "Ich werde mein Volk, meinen Staat und die Macht des Präsidenten selbst verteidigen, wenn nötig mit der Waffe in der Hand, wenn nötig allein. Ich werde sie verteidigen und ich fürchte nichts. Ich werde nicht außer Landes fliehen."
Eine offene Drohung.
- Nachrichtenagentur AFP
- thehill.com: "Authoritarian leader of Belarus is sworn for a 7th term and tells his critics ‘you have no future’"