Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Umbruch in der Weltordnung Diesem Plan muss Europa sich entgegenstellen

Amerika ist zu Zugeständnissen bereit, damit Russland einem Waffenstillstand zustimmt. Doch Europa sollte sich gegen die Aufhebung der Sanktionen verwahren.
Ein Ziel hat Wladimir Putin schon mal erreicht. In dieser Woche wird er wieder mit Donald Trump telefonieren. Amerika ist also gewillt, auf Augenhöhe mit Russland zu verhandeln. Der amerikanische Präsident hofiert den russischen Präsidenten.
Schon lange stellt sich die Frage, aus welchem Grund der eine dem anderen so viel Verständnis zollt. Kluge Leute, die Donald Trump kennen, führen seine Bereitschaft zum Entgegenkommen auf seine Bewunderung für Autokraten zurück – für starke Männer, die ihr großes Land mit eiserner Faust beherrschen.
Diese Fähigkeit hat Putin zweifellos bewiesen. Er will Russland wieder groß machen und die Mittel dazu, kriegerischer Imperialismus der alten Art, stören Trump nicht, im Gegenteil. Von ihm gibt es Sätze, aus denen sich schließen lässt, wie er sich mit Putin identifiziert.

Zur Person
Gerhard Spörl interessiert sich seit jeher für weltpolitische Ereignisse und Veränderungen, die natürlich auch Deutschlands Rolle im internationalen Gefüge berühren. Er arbeitete in leitenden Positionen in der "Zeit" und im "Spiegel", war zwischendurch Korrespondent in den USA und schreibt heute Bücher, am liebsten über historische Themen.
Warum sollte sich Putin auch beeilen?
Ohne Zweifel sieht sich Trump in der Tradition der großen Männer, die sich unerhörte Dinge vornehmen. Was für Putin die Ukraine ist, ist ihm Kanada – ein Land, das er sich unterwerfen will, weil es kein Recht auf Eigenheit, auf Unabhängigkeit besitzt. Der Starke verschlingt den Kleinen, so denken sich Autokraten die Welt.
Aber erst einmal beugen sich die beiden Herren über die Ukraine und machen sich daran, deren Schicksal zu bestimmen. Es ist offenbar egal, dass Putin den Vorschlag für eine Waffenruhe, die 30 Tage anhalten soll, eigentlich abgelehnt hat. Denn wer Bedingungen stellt, Nachfragen hat und europäische Kontingente, die später den endgültigen Waffenstillstand überwachen könnten, vorsorglich ablehnt, signalisiert Desinteresse.
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Warum sollte sich Putin auch beeilen? Militärisch sind seine Truppen auf dem Vormarsch, im Donbass wie in der Region Kursk, langsam zwar, aber die Zeit spielt für ihn. Wolodymyr Selenskyj wechselte gerade den Generalstabschef aus, was immer ein Alarmzeichen dafür ist, dass hier etwas schiefgeht.
Darum will Trump Russland auf seine Seite ziehen
Dass Putin überhaupt in die privilegierte Lage geraten ist, Gegenforderungen aufzustellen, verdankt er dem einfühlsamen amerikanischen Präsidenten. Trumps Interesse ist es, Russland an seine Seite zu ziehen im strategischen Großkonflikt mit China. Er glaubt, er bekommt das hin, indem er Angebote unterbreitet, die Russland nicht abschlagen kann. Dazu gehört die Wiederaufnahme in den Kreis der G7-Staaten. Aus ihm war Russland nach der Annexion der Krim ausgeschlossen worden.
Russland ist in der Zwischenzeit eine strategische Partnerschaft mit China eingegangen, wobei Partnerschaft ein großes Wort ist, wenn man die Größenverhältnisse bedenkt. Chinas Einfluss wächst rasant, politisch wie ökonomisch. Russlands Einfluss mäandert, zum Beispiel im Nahen Osten. Deshalb ist China Koch und Russland Kellner.
Trump bringt Putin in eine komfortable Situation. Er will etwas von ihm. Deshalb spielt er mit Selenskyj. Behandelt ihn schäbig. Nennt ihn einen Diktator. Behauptet, die Ukraine habe den Krieg angefangen. Hat Verständnis für Putin und serviert ihm deshalb die Ukraine auf dem Silbertablett.
Trump ignoriert Europa
Trump will diesen Krieg beenden. Er hat es nicht nur großmäulig versprochen, er ist nicht nur davon überzeugt, dass es ihn nicht gegeben hätte, wäre er im Februar 2022 Präsident gewesen – für ihn ist die Ukraine ein Störfaktor, der beseitigt werden muss. Die Lehre, die er daraus zieht, heißt: Putin soll sich nehmen, was er will, und Europa soll schauen, wo es bleibt.
Deshalb mangelt es nicht an Zugeständnissen. Russland stört die Vielzahl der Sanktionen, die sich aber umgehen lassen, schon wahr, aber dennoch bleiben sie ein Ärgernis, weil sie Putin zum internationalen Paria machen. Trump scheint jetzt bereit zu sein, auf mittlere Sicht diese Strafmaßnahmen aufzuheben. Damit gibt er Russland die unverhoffte Chance auf Rückkehr in die Normalität.
Im Zusammenspiel der Autokraten kommt Europa noch nicht einmal eine Nebenrolle zu. Trump ignoriert den Kontinent, der mehr in die Aufrüstung der Ukraine investierte als die USA. Man darf jetzt gespannt sein, ob sich England und Frankreich nachhaltig in Erinnerung bringen und ein Wörtchen bei der Regelung der Nachkriegsordnung in der Ukraine mitreden können.
Europa muss so schnell wie möglich aufrüsten
Wichtig wäre es natürlich auch, wenn die anderen G7-Länder Einspruch gegen Russlands Wiedereingliederung erheben würden. Vier der sieben Staaten (Deutschland, Großbritannien, Italien, Frankreich) liegen ja in Europa. Ihr Votum hat Gewicht, zumal Kanada und vielleicht auch Japan Trumps Neokolonialismus zutiefst misstrauisch begegnen.
Und wenn es zur Zurücknahme der Sanktionen kommen sollte, wäre es nur angemessen, wenn Europa nicht wie üblich den USA folgte. Die Zeiten des Geleitschutzes sind ja vorbei. Konsens war gestern. Dissens und Disruption sind heute.
Auf der Weltbühne ordnen sich ein paar Verhältnisse neu. Es wäre nur zu gut, wenn sich Europa politisch so viel Macht zulegte, wie es seinen ökonomischen Möglichkeiten entspricht. Und natürlich ist eine Voraussetzung für größere Autorität der militärische Aufbau, der so schnell wie möglich vonstattengehen sollte.
- Eigene Beobachtungen