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Frankreich: Misstrauensvotum gegen Barnier – das bedeutet es für Macron


Misstrauensvotum steht bevor
Die französische Regierung steht vor dem Aus

Von t-online, fho

Aktualisiert am 04.12.2024 - 08:45 UhrLesedauer: 4 Min.
Der französische Präsident in der Bredouille? Über einen Kuss auf Emmanuel Macrons Wange wird derzeit viel diskutiert.Vergrößern des Bildes
Emmanuel Macron: Auch wenn sich das Misstrauensvotum nicht gegen ihn richtet, könnte es ihm Probleme bereiten. (Quelle: Jamie Squire/Getty Images)

Frankreich droht eine Regierungskrise. Das könnte nicht nur Auswirkungen für Präsident Macron haben, sondern auch für Deutschland.

Nach gerade einmal drei Monaten steht die Regierung von Frankreichs Ministerpräsident Michel Barnier vor dem Aus. Das rechte und linke Lager der Opposition hat jeweils ein Misstrauensvotum beantragt. Schon heute könnte eine Entscheidung fallen.

Das hätte Auswirkungen auf die Zukunft von Präsident Emmanuel Macron und auch auf die deutsche Wirtschaft. t-online gibt einen Überblick zur Lage.

Was sind die Hintergründe für das Misstrauensvotum?

Michel Barnier ist zwar Premierminister, hat aber keine eigene Mehrheit im französischen Parlament. Denn bei den vorgezogenen Neuwahlen im Sommer konnte kein Lager eine Mehrheit erringen. Um Gesetze durchzubringen, ist Barnier daher auf Stimmen aus der Opposition, vor allem vom rechtsnationalen Rassemblement National (RN), angewiesen. Er selbst gehört der Mitte-Rechts-Partei Les Républicains an, die gemeinsam mit der Macron-Partei Renaissance die Regierung stellt. Derzeit wird vor allem erbittert um den Haushalt gerungen. Barnier steht vor der Aufgabe, ein Loch in Höhe von 60 Milliarden Euro zu stopfen.

Im Zuge dessen habe er dem RN zu wenige Zugeständnisse gemacht, begründet die Partei nun ihren Vertrauensentzug. Zuvor hatte Barnier von seinen verfassungsrechtlichen Befugnissen Gebrauch gemacht und ein Gesetz zur Finanzierung der Sozialversicherung ohne Abstimmung im Parlament durchgesetzt. Die Linksfraktion kündigte daraufhin ein Misstrauensvotum an. RN-Spitzenvertreterin Marine Le Pen erklärte, ihre Partei werde dies unterstützen.

Barnier hatte noch versucht, im Streit über seinen Sparhaushalt dem RN entgegenzukommen, indem er auf geplante Kürzungen bei der Erstattung von Medikamentenkosten verzichtete. Le Pen reichte das nicht aus. Sie forderte weitere Maßnahmen, wie darauf zu verzichten, Rentenerhöhungen ab Januar nicht mehr an die Inflation zu koppeln. Als Barnier das ablehnte, erklärte Le Pen: "Die Franzosen haben genug." Sie hätten vielleicht gehofft, unter Barnier würde sich die Lage verbessern, doch sie habe sich weiter verschlechtert.

Das linke Lager hingegen kritisiert Barnier bereits seit seiner Ernennung und argumentiert, die aktuelle Regierung entspreche nicht dem Wählerwillen. Ein früherer Absetzungsversuch scheiterte, nun könnte es mit der Unterstützung des rechten Lagers gelingen.

Welches Ziel verfolgt Le Pen?

Zum einen dient ihr das Spektakel vor dem Misstrauensvotum als Machtbeweis. Jacob Ross von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik sagte dazu im ZDF: "Marine Le Pen hat in den vergangenen Tagen – fast genüsslich muss man sagen – wirklich Barnier vor sich hergetrieben."

Verunsicherung ins System zu bringen, könnte ihr zudem nutzen. Denn Le Pen möchte gerne Präsidentin werden, bislang hat das nicht geklappt. Und sollte die nächste Präsidentschaftswahl wie geplant erst 2027 stattfinden, könnte es für sie zu spät sein. Denn bereits im kommenden März steht das Urteil in einem Verfahren wegen Veruntreuung von EU-Geldern gegen die Rechtspopulistin an. Sollte sie dabei verurteilt werden, dürfte sie laut französischem Wahlrecht nicht mehr kandidieren. Bringt die aktuelle Regierungskrise bis dahin aber auch Macron ins Wanken, hätte sie noch Chancen.

Wie geht es nach dem Misstrauensantrag weiter?

Aus Sicht der Opposition wäre es ein Erfolg, sollte Barnier nach dem Misstrauensvotum seinen Rücktritt einreichen. Das gilt als sehr wahrscheinlich. Dabei wäre es in Frankreich das erste erfolgreiche Misstrauensvotum seit 1962. In Paris gibt es daher bereits Spekulationen über eine mögliche Nachfolge.

Als Kandidaten werden etwa Verteidigungsminister Sébastien Lecornu, der frühere sozialistische Premier Bernhard Cazeneuve und auch der vorherige Innenminister Gérald Darmanin in politischen Kreisen gehandelt, schreibt die Zeitung "Le Parisien". Auch der frühere EU-Kommissar Thierry Breton wurde genannt.

Welche Auswirkungen hat die Krise auf Macron?

Macron ist von dem Misstrauensantrag nicht direkt betroffen. Allerdings ist er dafür zuständig, den Premierminister zu ernennen. Denkbar ist, dass er Barnier bittet, für diese Übergangsphase kommissarisch im Amt zu bleiben. Denn einen geeigneten Kandidaten zu bestimmen, dürfte nicht einfach sein. Immerhin muss ein künftiger Premierminister entweder vom linken Lager oder von den Rechtsnationalen um Marine Le Pen gebilligt werden, um weiterhin Gesetze verabschieden zu können. Dabei darf der Kandidat aber auch nicht die Unterstützung des bisherigen Bündnispartners Républicains verlieren, so "Le Parisien".

Alternativ könnte Macron eine sogenannte Technokratenregierung einsetzen, also eine Regierung aus Experten, hohen Verwaltungsbeamten und Ökonomen. Diese könnte bessere Chancen haben, ein weiteres Misstrauensvotum zu überstehen. Denn die schwierigen politischen Mehrheitsverhältnisse bleiben in jedem Fall auf absehbare Zeit bestehen. Neuwahlen des Parlaments sind erst im Sommer 2025 wieder möglich. Da die Ernennung in Macrons Aufgabengebiet fällt und die letzte Auswahl auch erst wenige Monate her ist, könnte die Krise aber dennoch auf ihn zurückfallen. Vor allem die Opposition macht ihm diesbezüglich Vorwürfe. Letztlich wäre es aber "mehr als ein Scheitern Macrons", so die Expertenmeinung von Jacob Ross. Es sei stattdessen "ein Scheitern des aktuellen französischen politischen Systems, das in einer Sackgasse steckt". Damit spielt Ross auf die Hoffnung an, Frankreich könnte ob der unklaren Mehrheitsverhältnisse stärker auf Kompromisse setzen. Diese Hoffnung wurde nun enttäuscht.

Eigentlich sind die nächsten Präsidentschaftswahlen erst für 2027 geplant. Doch erste Kritiker aus den Reihen der Regierung bringen bereits einen Rücktritt von Macron und vorgezogene Wahlen ins Spiel. Macron selbst schließt das bislang aus, zumal er nach zwei Amtszeiten bei der nächsten Wahl nicht mehr antreten darf.

Was bedeutet das für Deutschland?

Bei einigen Ampelpolitikern dürfte die Regierungskrise in Frankreich noch recht frische Erinnerungen wachrufen. Immerhin war die Ampel Anfang November auch an Streitigkeiten über den bislang nicht verabschiedeten Haushalt 2025 zerbrochen. Dennoch wollte sich die Bundesregierung bisher nicht im Detail zur Lage in Frankreich äußern. Dabei ist Frankreich politisch der wichtigste Partner Deutschlands in der EU. Instabilität könnte sich daher auch auf die Zusammenarbeit auswirken.

Dazu kommt, dass Deutschland bereits die wirtschaftlichen Auswirkungen der politischen Krise in Frankreich zu spüren bekommt. So ist der Eurokurs abgerutscht. Die Gemeinschaftswährung verlor am Dienstagmorgen 0,1 Prozent auf 1,0482 Dollar. Zu Wochenbeginn fiel sie in der Spitze um ein Prozent. Die zuletzt steigenden Renditen französischer Staatsbonds beunruhigen auch die Märkte. Frankreich kämpft mit hohen Defiziten und einer hohen Gesamtverschuldung. Der Schuldenstand dürfte sich im kommenden Jahr auf mehr als 115 Prozent der Wirtschaftsleistung summieren, 2026 dann sogar auf gut 117 Prozent. Die EU-Schuldenobergrenze liegt hingegen bei 60 Prozent.

Dem Land stünden weitere unruhige Zeiten bevor, heißt es in einem Kommentar der Commerzbank: "Kein Wunder also, dass wir mittlerweile wieder unter 1,05 Dollar handeln – der Wechselkurs bleibt von allen Seiten unter Druck."

Verwendete Quellen
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