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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Krieg in der Ukraine Putin droht der Trump-Schlag
Die Lage für die Ukraine im Krieg gegen Russland ist ernst. Beim G7-Treffen in Italien ringen die Außenministerinnen und Außenminister auch deshalb um einen neuen Kriegskurs. Doch dem könnte nun Donald Trump in die Quere kommen.
Aus Fiuggi berichtet Patrick Diekmann
Ein Hauch von Abschied liegt in der Luft. Für einige Außenministerinnen und Außenminister der G7-Staaten ist die Zusammenkunft im italienischen Fiuggi das letzte Treffen dieser Art in ihrer Amtszeit, einige werden vielleicht komplett von der internationalen Bühne verschwinden. Antony Blinken etwa ist auf seiner Abschiedstournee. Der amerikanische Außenminister wird nur noch bis Januar im Amt sein, dann wird Donald Trump als künftiger US-Präsident vereidigt.
Blinken hat in den vergangenen Krisenjahren eng und vertrauensvoll mit den westlichen US-Partnern in Europa zusammengearbeitet, besonders mit der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock. Aber auch die Grünen-Politikerin steht vor einer ungewissen Zukunft: Ob ihre Partei nach der Bundestagswahl im Februar mitregieren wird, ist unklar.
Deswegen stand beim G7-Treffen in Italien vor allem ein Gefühl im Vordergrund: die Furcht vor der Zukunft. Es ging in den zwei Tagen darum, wichtige Weichen zu stellen, um sich bestmöglich auf Trump vorzubereiten. Der Republikaner gilt als unberechenbar; er könnte nach seiner Amtseinführung neue Dynamiken in den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten auslösen.
Trump holt bereits zum außenpolitischen Schlag aus. Dies erscheint im westlichen Bündnis gerade wie das bange Warten auf den großen Knall. Doch in welche Richtung sich die künftige US-Administration in entscheidenden Fragen bewegen wird, ist derzeit bestenfalls in Ansätzen erkennbar.
Deshalb gab es in Fiuggi unter den Diplomaten zumindest in der Krisenpolitik noch Hoffnung, dass es vielleicht unter Trump doch nicht so schlimm kommt, wie alle denken.
Ukraine in besonders großer Not
Der bereits seit Februar 2022 andauernde Krieg in der Ukraine war am Dienstag zum wiederholten Male auf der Tagesordnung im Kreis der G7. Als Gast nahm der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha teil. Und dabei wurde eines deutlich: Die Kriegslast für die Ukraine wird immer größer, das Durchhalten immer schwieriger.
Die russische Armee gewinnt im Osten des Landes immer mehr Boden. Nachts terrorisiert Moskau die Bevölkerung in zahlreichen ukrainischen Städten mit Drohnen- und Raketenangriffen.
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Außenministerin Baerbock erklärte am Dienstag zum Abschluss des G7-Treffens: "Wir haben auch hier und heute unsere feste Unterstützung für die Ukraine unterstrichen." Diese stehe "felsenfest", jetzt und in Zukunft. Es gehe eben nicht nur um die Verteidigung der Ukraine, sondern auch um "unseren Frieden und Sicherheit", sagte die Grünen-Politikerin erneut.
Doch wie soll die Ukraine Hoffnung schöpfen in dieser dramatischen Zeit voller Rückschläge? Das ginge eigentlich nur mit einer unerschütterlichen Unterstützung aus dem Westen – mit der Aussicht auf eine Verbesserung. Aber diese ist eben nicht in Sicht, im Gegenteil.
Dabei ist es nicht nur Trump, der die ukrainischen Verteidiger vor eine ungewisse Zukunft stellt. Kiew entgeht natürlich auch nicht, dass sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im anlaufenden Bundestagswahl als "Friedenskanzler" inszenieren möchte. Und sie sehen, dass Putin immer mehr aus der internationalen Isolation kommt, dass sich immer weniger westliche Politiker zu Besuchen in der Ukraine blicken lassen.
Eines liegt auf der Hand: Es geht nicht nur um die Unterstützung der Ukraine mit Waffen, Kriegsgerät und Geld. Sondern in diesen unsicheren Zeiten erscheint auch die Aufrechterhaltung der Kriegsmoral durch entscheidende Signale aus dem Westen als besonders wichtig – und hier liegt ein zentrales Dilemma der G7.
Momentan sind die führenden westlichen Industriestaaten geschwächt, vor allem durch die innenpolitischen Umbrüche in diesen Ländern. Während Putin sich nach der Unterstützung durch nordkoreanische Soldaten nun auch mit Huthi-Rebellen aus dem Jemen verstärken könnte, fanden die westlichen Unterstützer der Ukraine in Italien kaum Antworten. Durchhalteparolen erscheinen in der aktuellen Kriegsphase als zu wenig für die ukrainische Führung.
Aber zur Wahrheit gehört ebenfalls: Mehr Kraft können die G7 aktuell nicht auf die Straße bringen. Und in knapp zwei Monaten könnte Trump alles wieder revidieren.
Deswegen bemühten sich die G7 auch um die politische Einbindung anderer Staaten, zur Erhöhung des Drucks auf Putin. Der russische Präsident habe die vergangenen 1.000 Tage im Ukraine-Krieg genutzt, um den Krieg mit anderen Krisen in der Welt zu verzahnen, betonte Baerbock am Dienstag. "Das ist die Dramatik, in der wir im russischen Angriffskrieg sind: Dass in einer global vernetzten Welt auch diejenigen maximal vernetzt sind, die unseren Frieden und unsere internationale Ordnung zerstören wollen", sagte sie. Deswegen sei es gut, dass zahlreiche Staaten aus dem arabischen Raum und aus dem Indopazifik zu Gast in Italien waren, so Baerbock weiter.
Auch Putin fürchtet Trump
Es ging also in Italien eher darum, die Reihen mit Blick auf den Machtwechsel in Washington zu schließen und gleichzeitig für mehr internationale Unterstützung zu werben. Vor allem die Europäer müssten künftig besonders darauf achten, gegenüber Trump mit einer Stimme zu sprechen, so heißt es hier immer wieder. Das haben sie aus seiner ersten Amtszeit gelernt.
Doch ausgerechnet das steht auf dem Prüfstand, weil es innerhalb der Europäischen Union und der Nato Mächte wie Ungarn oder möglicherweise auch Rumänien gibt, die inhaltlich aus dem Bündnis ausscheren – und mit denen die künftige US-Regierung dann umso stärker kooperieren dürfte. In Rumänien könnte in der Stichwahl am 8. Dezember der prorussische und rechtsextreme Calin Georgescu zum Präsidenten gewählt werden.
Sein überraschender Erfolg bei den Präsidentschaftswahlen schlug beim G7-Treffen ein. Georgescu forderte bereits, die Forderungen von Putin zu erfüllen, damit in der Ukraine Frieden herrsche. Das Land am Schwarzen Meer ist äußerst wichtig für die westliche Unterstützung der Ukraine und auch für die ukrainischen Getreideexporte. Während im Westen also weitere Alarmsirenen ertönten, knallten im Kreml wahrscheinlich die Korken.
Doch es gibt auch einen Grund, warum Russland seine Angriffe aktuell forciert. Einerseits versucht der Kreml natürlich, die Schwäche des Westens für sich zu nutzen. Andererseits fürchtet Putin am Ende auch den Trump-Schlag. Denn auch beim G7-Treffen in Italien mag eigentlich niemand prognostizieren, ob der künftige US-Präsident die Unterstützung für Kiew einkürzt oder extrem ausbaut, um womöglich einen Waffenstillstand zu erreichen.
Am Ende könnte ein Fiebertraum für den russischen Präsidenten Wladimir Putin wahr werden. Sollte Trump etwa einen Friedensplan aufstellen, den Putin ignoriert, könnten die USA ihr Engagement in der Ukraine erweitern. Und das fürchtet der russische Präsident seit Kriegsbeginn. Deshalb droht Moskau regelmäßig mit einer Eskalation des Krieges oder mit dem Einsatz von Atomwaffen. Trump ist also auch für Russland schwer planbar, was für Putin zum Problem wird.
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Warten auf den Bruch
Mit Marco Rubio als Außenminister und Mike Waltz als sein künftiger Nationaler Sicherheitsberater hat Trump alles andere als russlandfreundliche Politiker ins Kabinett geholt. Sie stehen eigentlich für einen Kurs, den russischen Einfluss in Europa einzudämmen.
Deswegen gibt es im westlichen Bündnis auch zumindest etwas Hoffnung. Im Hintergrund laufen bereits Gespräche zwischen westlichen Regierungen und den entscheidenden Akteuren der künftigen Trump-Administration.
Machtwechsel gehören in Demokratien dazu, aber diese kosten auch Zeit und Ressourcen. Die globalen Krisen halten eben nicht an, bis der Westen sich politisch sortiert hat. Im Gegenteil: Autokratische Herrscher wie Putin werden versuchen, von dieser westlichen Umbruchzeit zu profitieren.
"Was können wir noch weiter tun?", fragte Baerbock am Dienstag. Sie möchte nicht nur prüfen, was aus dem deutschen Haushalt noch finanziert werden könnte. Auch im EU-Haushalt könnte es eventuell noch Reserven geben. Und immerhin: Aus Deutschland sollen noch in diesem Jahr zwei weitere Iris-T-Systeme und Drohnen an die Ukraine geliefert werden.
Für die Außenministerinnen und Außenminister der G7 ging es in Italien eher um eine Selbstvergewisserung, dass man trotz der gegenwärtigen Umbrüche in wichtigen westlichen Staaten trotzdem handlungsfähig ist. Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg – und das gehört zur Wahrheit auch dazu – taten sich die führenden Industriestaaten allerdings erneut schwer, eine gemeinsame Antwort zu finden. Dabei drängt die Zeit – besonders für Kiew. Aber auch für das gesamte westliche Bündnis in Vorbereitung auf Donald Trump.
- Berichterstattung vom G7-Treffen in Fiuggi