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Ukraine-Krieg im Winter: "Die messbaren Erfolge bleiben aus"


Vorteil für Putins Truppen
"Dann sieht sich Russland auf der Siegerstraße"


Aktualisiert am 16.10.2024 - 09:53 UhrLesedauer: 5 Min.
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Ukrainische Artillerie in der Region Donezk: Die Jahreszeit des Schlamms gefährdet die ukrainische Kriegsführung.Vergrößern des Bildes
Ukrainische Artillerie in der Region Donezk: Die Jahreszeit des Schlamms gefährdet die ukrainische Kriegsführung. (Quelle: IMAGO/Dmytro Smolienko)

In der Ukraine beginnt die kalte Jahreszeit. Russland könnte sie nutzen, um der Ukraine empfindlich zu schaden.

Nach dem Sommer kommt der Schlamm. Im Osten der Ukraine regnet es seit Tagen immer häufiger, in den kommenden Tagen und Wochen prognostizieren Meteorologen den Beginn der berüchtigten Schlamm-Saison, die als fünfte Jahreszeit in der Ukraine gilt.

Die Verteidiger des Landes, das sich seit mehr als zweieinhalb Jahren gegen den russischen Angriffskrieg wehrt, müssen sich auf eine veränderte Kriegsführung einstellen. Denn während der schlammigen Jahreszeit, die in der Regel von Oktober bis Anfang oder Mitte Dezember geht und im Frühjahr zwischen Februar und April erneut auftritt, sind schwere Radfahrzeuge an der Front nahezu nutzlos, da sie im Schlamm einsinken.

Die Ukrainer nennen diese Zeit des Schlamms Besdorischschja – das bedeutet so viel wie "Straßenlosigkeit". Auf Russisch heißt sie Rasputitza. Was bedeutet sie für den Krieg in der Ukraine? Hilft die Besdorischschja einer Kriegspartei vielleicht sogar? Und wie verändert sich die Kriegsführung? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen.

Welche Folgen hat der Schlamm für den Krieg in der Ukraine?

Als offensichtlichste Folge der schlammigen Jahreszeit verlangsamen sich motorisierte Vorstöße entlang der Front. In den vergangenen Jahren machten zahlreiche Videos auf Telegram und in den sozialen Medien die Runde, die zeigten, wie Fahrzeuge und Fußsoldaten sich durch teils kniehohe Schlammmassen kämpfen mussten.

Auf das Problem verweist auch Oberst Markus Reisner vom österreichischen Bundesheer. "Wir werden auch in diesem Winter sehen, wie das schlechte Wetter die Kämpfe verlangsamt", sagte der Militärexperte im Gespräch mit t-online. Auch kann es zu mehr Ausfällen unter den Soldaten kommen, weil sie nur unzureichende Winterquartiere haben, erklärt Reisner. "Das ist auch der Grund, warum wir derzeit sehen, dass die Russen versuchen, urbane Räume in ihren Besitz zu nehmen", so Reisner weiter.

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Doch auch für die Ukraine könnte die Schlammsaison zum Problem werden – und zwar bei ihrem Vorstoß in der russischen Region Kursk. Der russische Militärblogger Boris Roschin berichtete jüngst, die Saison habe dort bereits begonnen. Für die ukrainischen Truppen, die in die Region im August einmarschierten, könnte es schwer werden, ihre Positionen in Russland zu halten. Denn die ukrainischen Truppen nutzen vor allem Radfahrzeuge, um sich in der Region Kursk zu bewegen. Solange die Böden fest und die Straßen befahrbar waren, war das kein Problem.

Die Situation ändert sich allerdings, wenn der Schlamm kommt. Dann haben die Russen mit ihren schweren Kettenfahrzeugen einen Vorteil und könnten versuchen, die ukrainischen Angreifer in Kursk zurückzudrängen.

Welche Folgen hat der Herbst noch auf den Schlachtfeldern?

Die Bäume verlieren ihre Blätter. Dieser Umstand wird für russische und ukrainische Truppen zum Problem, denn normalerweise bietet das dichte Blattwerk guten Schutz für Artillerie und gepanzerte Fahrzeuge.

Dieser Schutz fällt nun weg – und russische sowie ukrainische Positionen haben es deutlich schwerer, sich vor den Drohnen des Feindes zu verstecken. In Kombination mit dem Schlamm können unbefestigte Positionen nun schnell zur Todesfalle werden. Denn im Verlauf des Jahres zeigten Videos auf X immer wieder den Einsatz sogenannter "Drachen-Drohnen".

Video | Ukrainische "Drachen-Drohne" erstmals eingesetzt
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Quelle: t-online

Das sind Drohnen, die mit Thermit bestückt werden. Sie lassen bis zu 2.100 Grad Celsius heißes Material auf den Feind herabfallen, das zu schwersten Verbrennungen führen kann. Diese "Drachen-Drohnen" dienen zwar auch dazu, das Blattwerk in der Nähe feindlicher Stellungen zu beseitigen – zerstören allerdings auch effektiv Fahrzeuge und machen Soldaten kampfunfähig. Ihr Einsatz – sowohl auf russischer als auch auf ukrainischer Seite – wird durch das fehlende Laub erleichtert.

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Wem hilft der aufziehende Winter?

Der Winter mit seinem schlechten Wetter könnte in diesem Jahr vor allem der russischen Armee helfen. Denn die Ukraine setzt in diesem Krieg mittlerweile stark auf Drohnen. Und gerade die leichten ukrainischen "Selbstmord-Drohnen", also kleine unbemannte Flugkörper, die beim Aufprall explodieren, können bei heftigen Winden, bei Regen oder schlechter Sicht nicht fliegen.


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Der Nebel kann dazu führen, dass die Ukrainer einen russischen Angriff übersehen und dementsprechend schlecht vorbereitet sind.


Oberst Markus Reisner, Österreichisches Bundesheer


Deshalb freut sich der russische Kriegsblogger Juri Podoljaka am Montag auf seinem Telegram-Kanal: "Und so begannen sie heute Morgen mit Wehklagen. Dass das Wetter im Oktober in der Region Kursk nicht stimmt und sie daran hindert, zu kämpfen. Es heißt, es habe angefangen zu regnen, und am Morgen sei der Nebel stark, weshalb Drohnen (bislang ihre Hauptangriffskraft) heute nicht fliegen."

Doch nicht nur Angriffsdrohnen können bei schlechtem Wetter nur eingeschränkt fliegen. Auch Aufklärungsdrohnen sind von Wind und Nebel beeinträchtigt, erklärt Markus Reisner. "Das kann dazu führen, dass die Ukrainer im Nebel einen russischen Angriff übersehen und dementsprechend schlecht vorbereitet sind."

Ein weiteres Problem für die Ukraine ergibt sich aus einer Kampfstrategie der russischen Truppen, die Reisner erklärt: "Die Russen rücken in Kleingruppen vor, mit denen sie Lücken in der ukrainischen Verteidigung erkennen". Sobald sie eine Lücke erkannt hätten, würden sie mit schweren Waffen nachziehen und den Ukrainern so empfindliche Nadelstiche versetzen. "Ich erwarte also, dass die Russen auch im Winter weiter vorrücken und zumindest lokal begrenzte Geländegewinne erzielen können", sagt Reisner. Er glaubt, dass die russische Armee jetzt schon Vorbereitungen für die Zeit trifft, in der der Boden gefroren ist. "Dann kann Russland auch im Winter weiter vorstoßen", so Reisner.

Für die Ukraine könnte das schlechte Wetter und die damit verbundene Ineffizienz ihrer Drohnen zu einem großen Problem werden. Denn immer noch fehlt den ukrainischen Verteidigern im Osten des Landes viel Artilleriemunition, die flugunfähige Drohnen zumindest teilweise ersetzen könnte.

Was bedeutet der Winter für Selenskyjs Friedensplan?

Nichts Gutes. Denn vor der schlammigen und später auch eisigen Jahreszeit haben die Russen wegen ihrer geringeren Abhängigkeit von Drohnen die besseren Chancen, um Geländegewinne zu erzielen. "Die Ukraine muss aber aus einer Position der Stärke heraus mit den Russen verhandeln", sagt Markus Reisner. "Wenn die Russen erkennen, dass sie nicht aus der Position der Stärke verhandeln, warum sollten sie dann auf die ukrainischen Forderungen eingehen?"

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Es braucht viele Angriffe, dicht hintereinander gesetzt und über Wochen und Monate ausgeführt.


Oberst Markus Reisner, Österreichisches Bundesheer


Aus diesem Grund beharre Wolodymyr Selenskyj auch weiterhin auf seiner Forderung nach weiteren Waffensystemen, erklärt Reisner. Ihm zufolge hat diese Forderung gerade durch das ausgefallene Treffen in Ramstein einen herben Rückschlag erlitten. "Kommen weniger Waffen in der Ukraine an, wird es für die Ukrainer schwer, in diese Position der Stärke zu kommen. Dann sieht sich Russland auf der Siegerstraße und wird weitermachen wie bisher", erklärt Reisner.

Als großes Problem identifiziert Oberst Reisner außerdem das Ausbleiben von sogenannten messbaren Erfolgen. "Das wäre zum Beispiel ein schwerer Angriff der Ukraine auf ein Munitionslager in Russland." So käme es zu einem Erliegen der Lieferungen an die Front, was zum messbaren Ergebnis führen würde, dass die russischen Artillerieschläge zurückgingen oder die russischen Truppen zurückweichen würden, erklärt Reisner.

"Diese messbaren Erfolge der Ukraine sieht man derzeit nicht – trotz der vermeintlich spektakulären Erfolge, die immer wieder von ukrainischer Seite vermittelt werden". Der Oberst des österreichischen Bundesheers schließt mit einer Empfehlung: "Es braucht viele ukrainische Angriffe, dicht hintereinander gesetzt und über Monate ausgeführt".

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