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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Vorstoß der Niederlande Der Preis wäre hoch
Die Niederlande verlangen eine Ausnahme von den EU-Asylregeln. Die Folgen dürften aber auch dem Rechtspopulisten Geert Wilders nicht gefallen.
Inhaltsverzeichnis
- Wie genau wollen die Niederlande aus den EU-Asylregeln ausscheren?
- Gibt es Vorbilder für die Forderungen der Niederländer?
- Könnten andere EU-Länder den Niederlanden folgen?
- Welche Konsequenzen hätte eine Ausnahme der Niederlande von den EU-Asylregeln?
- Welche Aussicht auf Erfolg hat das Ansinnen Den Haags?
Geert Wilders sitzt zwar nicht selbst am Kabinettstisch in Den Haag, aber seine rechtspopulistische Partei für die Freiheit (PVV) ist seit Juli als stärkste Kraft an der niederländischen Regierung beteiligt. Das wichtigste Wahlversprechen der Partei war die Eindämmung der Einwanderung in die Niederlande – und dieses Vorhaben treibt die PVV jetzt voran.
In einem Brief an die EU-Kommission vom Mittwoch verlangt Asylministerin Marjolein Faber von der PVV jetzt Ausnahmen von den Asylregeln in Europa. Die Niederlande würden die strengsten Einwanderungsregeln in ganz Europa bekommen, erklärte die Ministerin. Zudem wollen die Niederlande nach dem Vorbild Deutschlands auch schärfere Grenzkontrollen einführen, kündigte Faber an.
Bringt der Vorstoß aus den Niederlanden nun die europäischen Asylregeln ins Wanken? Die wichtigsten Fragen im Überblick.
Wie genau wollen die Niederlande aus den EU-Asylregeln ausscheren?
In einem Brief an die EU-Kommission fordert die niederländische Asylministerin Marjolein Faber einen "Opt out", also eine Ausnahme für ihr Land von den EU-Asylregeln. Diese sehen zum Beispiel vor, dass Menschen im ersten EU-Land, das sie betreten, Asyl beantragen müssen. Wenn ein Asylbewerber in einem EU-Land abgelehnt wurde, kann er keinen weiteren Asylantrag in einem anderen EU-Land stellen. Die Regeln enthalten auch einen "Solidaritätsmechanismus", der die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas vorsieht.
Welche Ausnahmen die niederländische Regierung genau fordert, geht aus dem Schreiben an die EU-Kommission nicht hervor. Die Ausnahmeregelung für die Niederlande soll laut Faber aber bei der nächsten Nachverhandlung über die europäischen Verträge ausgehandelt werden. Den im Juni in Kraft getretenen und jahrelang ausgehandelten EU-Migrationspakt stellen die Niederlande aber nicht infrage.
Gibt es Vorbilder für die Forderungen der Niederländer?
Bereits in der Vergangenheit haben mehrere EU-Länder für sich Ausnahmen von bestimmten Regeln der Union ausgehandelt. So sind zum Beispiel Dänemark und Irland vom Schengener Übereinkommen ausgenommen, mit dem 1990 die Grenzkontrollen in der EU abgeschafft wurden.
Das Schengenabkommen wurde zwar 1997 in die europäischen Verträge integriert, da beide Länder aber nicht Teil des ursprünglichen Abkommens waren, mussten sie die Bestimmungen auch nach 1997 nicht übernehmen. Seit 2001 wendet Dänemark die Schengen-Regeln freiwillig an und verzichtet auf ständige Grenzkontrollen. Irland setzt die Schengen-Regeln aus, um Grenzkontrollen zum britischen Nordirland zu vermeiden.
Könnten andere EU-Länder den Niederlanden folgen?
Nach der Ankündigung aus Den Haag teilte auch die ungarische Regierung mit, einen Ausstieg aus den EU-Asylregeln zu beantragen, falls eine Änderung der EU-Verträge dies zuließe. Andere EU-Regierungen haben sich bislang nicht zum Vorstoß der niederländischen Regierung geäußert.
Welche Konsequenzen hätte eine Ausnahme der Niederlande von den EU-Asylregeln?
Für die Niederlande und andere Staaten, die ihrem Beispiel folgen, könnte ein Ausscheren aus den europäischen Asylregeln unerwartete Folgen haben. So wäre es denkbar, dass andere EU-Länder Asylsuchende in die Niederlande weiterschicken, wenn sie mit ihrem Asylantrag in einem EU-Land gescheitert sind. Denn wenn die Niederlande aus den Regeln der EU ausscheren, hätten in der EU abgelehnte Asylsuchende immer noch das Recht, Asyl in den Niederlanden zu beantragen.
Ein ähnliches Szenario erlebte Großbritannien. So stieg die Zahl der Asylsuchenden dort nach dem Brexit zunächst an. Um ähnliche Konsequenzen zu vermeiden, müssten die Niederlande bilaterale Migrationsabkommen mit einzelnen Ländern schließen, um die Rückführung abgelehnter Asylbewerber zu regeln.
Welche Aussicht auf Erfolg hat das Ansinnen Den Haags?
In absehbarer Zeit dürfte der Antrag der Niederlande auf eine Ausnahme von den EU-Asylregeln keine Aussicht auf Erfolg haben. Nach Einschätzung des niederländischen Rats für Einwanderungsfragen könnte das Land nur durch eine Änderung der EU-Verträge von der gemeinsamen Migrationspolitik ausgenommen werden. Dazu wäre eine Zustimmung aller 27 Mitgliedstaaten notwendig. Diese sei nicht sehr wahrscheinlich, da die Zahl der Asylsuchenden in der EU dann auf weniger Mitgliedstaaten verteilt werden müsste.
Erreichen könnte die niederländische Regierung ihr Ziel also nur im Rahmen von Neuverhandlungen über die bestehenden EU-Verträge. Die EU-Kommission hat in einer ersten Stellungnahme zum Schreiben aus Den Haag bereits klargemacht, dass solche Nachverhandlungen in näherer Zukunft nicht zu erwarten sind.
- reuters.com: Netherlands seeks opt-out from EU migration rules - eventually (englisch)
- eutoday.net: Dutch Demand Opt-Out on EU Asylum Rules (englisch)
- thedanishparliament.dk: The Danish opt-outs from EU cooperation (englisch)
- dw.com: Migration: What next for the EU's asylum reform plans? (englisch)
- europeannewsroom.com: EU Commission: current asylum rules remain binding for the Netherlands (englisch)
- auswaertiges-amt.de: Schengener Übereinkommen
- mediendienst-integration.de: Europäische Asylpolitik und Grenzschutz
- Material der Nachrichtenagentur dpa