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Olaf Scholz in Usbekistan: Das bedeutet das Land für Deutschland


Scholz besucht Usbekistan
Dieses Land darf nicht Russland und China überlassen werden

MeinungGastbeitrag von André Algermißen (KAS)

14.09.2024Lesedauer: 4 Min.
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Der Bundeskanzler besucht am Sonntag die usbekische Hauptstadt Taschkent. (Archivfoto) (Quelle: imageBROKER/Offenberg/imago-images-bilder)

Bundeskanzler Olaf Scholz reist erstmalig in seiner Amtszeit nach Zentralasien. Neben Kasachstan wird Scholz auch Usbekistan besuchen. Was das Land für Deutschland bedeutet.

Deutschland war eines der ersten Länder, das die Unabhängigkeit Usbekistans anerkannt und diplomatische Beziehungen aufgenommen hat. Mit seinen rund 37 Millionen Einwohnern ist Usbekistan ein Schlüsselstaat in Zentralasien. Die 2017 begonnene Reformpolitik von Präsident Schawkat Mirsijojew findet auch international Beachtung.

In den vergangenen sieben Jahren wurden wichtige wirtschaftspolitische Weichen neu gestellt. Die usbekische Währung ist seit September 2017 frei konvertierbar. Der Staat will seinen Anteil an den weitverbreiteten Staatsunternehmen reduzieren und bemüht sich, die Voraussetzungen für ausländische Investitionen zu schaffen und deren Rechtssicherheit zu gewährleisten. Das Land öffnet sich international und verbessert die Beziehungen zu seinen Nachbarn. Die bis 2016 praktisch geschlossenen Grenzen wurden geöffnet, die Ausreisegenehmigung für die eigenen Staatsbürger aufgehoben, Flug- und Bahnverbindungen in die Nachbarstaaten wieder aufgenommen.

(Quelle: privat)

Zur Person

André Algermißen leitet das Regionalprogramm Zentralasien der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in der usbekischen Hauptstadt Taschkent. Zuvor war der Historiker in der Hauptabteilung Analyse & Beratung der Stiftung tätig.

Die im Lande stark ausgeprägte Korruption, die traditionell eine Hemmschwelle für den Markteintritt von ausländischen Unternehmen darstellt, soll durch öffentlichkeitswirksame Maßnahmen Schritt für Schritt reduziert werden. Im Lande wurde dafür eine mit vielen Kompetenzen ausgestattete Antikorruptionsbehörde geschaffen. Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International verbessert Usbekistan etappenweise seine Rangposition.

Potenzial durch Sonnentage und Bodenschätze

Für 2023 erreichte Usbekistan auf einer 100-Punkte-Skala (0: hohes Maß an Korruption und 100 keine Korruption) 33 Punkte (31 im Jahr 2022), belegte den Rang 121 unter 180 Ländern der Welt (verbessert um fünf Positionen im Vergleich zum Jahr 2022). Dennoch sind weitere tiefgreifende Reformen und konsequente Anstrengungen erforderlich.

Deutschland gehört zu den Top 10 der wichtigsten Wirtschafts- und Handelspartner Usbekistans weltweit. Das bilaterale Handelsvolumen betrug 2023 rund 1,2 Milliarden Euro: Viele große deutsche Unternehmen wie Siemens, Claas, MAN und Knauf sind im Land tätig. Usbekistan ist für Deutschland auch deswegen interessant, weil das Land mit seinen mehr als 330 Sonnentagen im Jahr über ein kaum ausgeschöpftes Potenzial für erneuerbare Energien, insbesondere für Solarenergie, verfügt. Des Weiteren gibt es in dem zentralasiatischen Staat Bodenschätze wie Erdgas, Gold und Kupfer.

Die Frage der Anwerbung von qualifizierten Arbeitskräften aus Usbekistan nach Deutschland entwickelt sich zurzeit zu einem zentralen Bereich der bilateralen Zusammenarbeit. Während in Deutschland im Jahr 2023 rund 570.000 Stellen nicht besetzt werden konnten, verfügt Usbekistan über eine junge und gut ausgebildete Bevölkerung. Hinzukommt, dass das Interesse am Erlernen der deutschen Sprache im Land zunimmt. Nach Schätzungen erlernen mehr als 400.000 Schüler sowie rund 19.000 Studenten die deutsche Sprache, wodurch eine entscheidende Grundvoraussetzung für den Eintritt in den deutschen Arbeitsmarkt bei vielen potenziellen Arbeitskräften erfüllt wäre.

Terrorgefahr steigt

Usbekistan grenzt direkt an Afghanistan und ist somit ein Schlüsselakteur in der Region. Beide Länder haben ein Interesse an einer stabilen und sicheren Lage in Afghanistan, da dies direkte Auswirkungen auf die regionale Sicherheit und die wirtschaftliche Entwicklung hat. Religiöse Extremisten und Terroristen aus Afghanistan und anderen Nachbarstaaten sowie radikal-islamische Gruppierungen versuchen, im Land Fuß zu fassen und das säkulare Gesellschaftsmodell infrage zu stellen. Eine Intensivierung der deutsch-usbekischen Zusammenarbeit in Bereichen wie der Terrorismus- und Extremismusbekämpfung, der Gewährleistung regionaler Sicherheit und der Bewältigung der Situation afghanischer Flüchtlinge in Deutschland bietet sich daher an.

Kritiker einer Intensivierung der deutsch-usbekischen Beziehungen verweisen auf die Abhängigkeit des Landes von Russland. Diese Abhängigkeit ist ein komplexes Thema, das wirtschaftliche, politische und sicherheitspolitische Aspekte umfasst.

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Enge Beziehung zu Russland

Russland ist nach China der zweitgrößte Handelspartner des Landes. Von Januar bis Juni 2024 betrug der Anteil Russlands am Außenhandelsumsatz Usbekistans 18,1 Prozent (China 18,5 Prozent, Deutschland 1,6 Prozent). Zahlreiche Usbeken sind als Gastarbeiter in Russland tätig und ihre Geldüberweisungen sind eine wichtige Einkommensquelle für viele usbekische Familien. Das Land ist teilweise auf russische Energieimporte angewiesen, insbesondere bei der Erdgasversorgung.

Die enge wirtschaftliche Verflechtung macht Usbekistan anfällig für negative wirtschaftliche Entwicklungen in Russland, wie etwa die im Zuge des russischen Krieges in der Ukraine verhängten Wirtschaftssanktionen, die zu einem Rückgang der Rücküberweisungen führen.

Neue Märkte im Blick

Ansonsten machen Faktoren wie eine lange gemeinsame Geschichte politischer und wirtschaftlicher Beziehungen, die geografische Nähe, niedrigere Studien- und Lebenshaltungskosten sowie ein umfangreiches Angebot an Stipendien und Förderprogrammen Russland für junge Usbeken zu einem attraktiven Ziel für ihr Studium. Zurzeit studieren mehr als 60.000 Usbeken in Russland und es gibt mehrere Niederlassungen russischer Universitäten im Land.

Usbekistan ist nun bestrebt, seine Handelsbeziehungen durch die Erschließung neuer Märkte in Asien, Europa und dem Nahen Osten sowie durch die Entwicklung alternativer Energiequellen und den Ausbau der Energiepartner zu diversifizieren. Durch innenpolitische Reformen, gemeinsame Wirtschaftsinitiativen und -projekte in Zentralasien, etwa die Entwicklung der Infrastruktur und den Ausbau der Handelsbeziehungen mit den Nachbarländern, versucht das Land die regionale wirtschaftliche Vernetzung und Integration voranzutreiben. Perspektivisch könnte so die Abhängigkeit von Russland verringert werden.

Die deutsch-usbekischen Beziehungen müssen in ihrem derzeitigen Zustand konkreter und effektiver gestaltet werden, um zu greifbaren Ergebnissen und einer stärkeren Partnerschaft zu gelangen. Es liegt daher im deutschen Interesse, in Usbekistan gezielt die wirtschaftliche Partnerschaft zu fördern, einen aktiven politischen Dialog zu führen, die sicherheitspolitische Zusammenarbeit zu intensivieren und die Verbreitung der deutschen Sprache und Kultur zu stärken. Zentralasien ist bereits seit der Seidenstraße einer der verbindenden Korridore zwischen Asien und Europa. Wollen Deutschland und Europa dieses Potenzial ernst nehmen, darf die Region nicht China und Russland überlassen werden.

Die im Gastbeitrag geäußerten Ansichten geben die Meinungen der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

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