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Nach Treffen mit Putin und Xi: Orbán besucht Trump – und die Wut wächst


Orbán zu Besuch bei Trump in Mar-a-Lago
Er kennt kein Halten mehr


13.07.2024Lesedauer: 6 Min.
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NATO-NORDICS/HUNGARYVergrößern des Bildes
Viktor Orbán: Durch seine Treffen mit Donald Trump und Wladimir Putin wächst in der Nato der Unmut. (Quelle: Marton Monus/reuters)

Nach Treffen mit Wladimir Putin, Xi Jinping und einem Zwischenstopp beim Nato-Gipfel in Washington reiste Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán zu Donald Trump nach Florida. Eine Provokation, die für weiteren Ärger sorgen wird.

Als wären die diplomatischen Ohrfeigen für seine eigentlichen Verbündeten nicht schon hart genug gewesen. Aber der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán bleibt selbst beim Jubiläums-Nato-Gipfel in Washington seiner Rolle als Quertreiber unter Bündnispartnern treu. Gerade noch wurde er vom amtierenden US-Präsidenten Joe Biden in der Hauptstadt in Empfang genommen. Da platzte plötzlich die Nachricht mitten in den Gipfel, dass Orbán am letzten Tag gleich weiterfliegen würde. Und zwar zu jenem Mann, auf dessen Wahlsieg er im November dieses Jahres hofft.

Der ungarische Ministerpräsident reiste zu Donald Trump nach Mar-a-Lago. Es ist nicht das erste Mal, dass die beiden sich treffen. Viktor Orbán ist fest eingebunden in die Aktivitäten der Trump-Republikaner. Der Ex-Präsident erwähnt Orbán schon seit Monaten in vielen seiner Wahlkampfreden und bezeichnet in als "einen starken Anführer". Die rechtskonservative CPAC-Konferenz aus den USA ist zudem längst ein Exportschlager und fand zuletzt unter Beteiligung Orbáns in Ungarns Hauptstadt Budapest statt.

Video | "Demokraten bis hin zu den höchsten Positionen haben Biden angezählt"
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Quelle: t-online

Es wächst der Eindruck: Viktor Orbán ist nicht nur auf eigene Rechnung in der Welt der Autokraten unterwegs, sondern er ist es auch von Donald Trumps Gnaden. Der ungarische Ministerpräsident wirkt mit seinen Besuchen bei Wladimir Putin und Xi Jinping wie die diplomatische Vorhut einer möglichen, zweiten Präsidentschaft des Republikaners. Schon seit Monaten behauptet Trump, er werde den Krieg zwischen Russland und der Ukraine binnen weniger Stunden beenden. Welchen Preis das angegriffene Land dann zahlen müsste, ist die Frage.

Orbán selbst bezeichnet seine Autokraten-Reise als "Friedensmission 5.0". Es sei ihm eine Ehre gewesen, "Präsident Trump" in Mar-a-Lago zu besuchen". Man habe Möglichkeiten diskutiert, um Frieden zu schaffen, so Orbán. Die gute Nachricht des Tages sei, Trump werde das Problem lösen. Und Trump, der noch längst nicht wiedergewählt ist, lobte sogleich seinen inoffiziellen Außenbeauftragten aus Ungarn: "Danke Viktor. Es muss Frieden geben, und zwar schnell." Zu viele Menschen seien gestorben in diesem Krieg, der nie hätte begonnen werden dürfen, schrieb Trump auf seinem eigenen sozialen Netzwerk "Truth Social".

Die Wut bei den Bündnispartnern wächst

Orbáns Treffen mit Donald Trump in Mar-a-Lago fand nur wenige Stunden nach dem Ende des Nato-Gipfels in Washington statt. Noch kurz vor seiner Abreise, streuten Vertraute des ungarischen Präsidenten, die Stimmung bei Joe Bidens Dinner mit den Staats- und Regierungschefs, an dem auch Orbán teilgenommen habe, sei "so wie auf der untergehenden Titantic gewesen". So soll Ungarns Ministerpräsident es ihnen selbst berichtet haben.

Je weiter der nach wie vor amtierende US-Präsident Joe Biden im Wahlkampf in die Defensive gerät, desto mehr scheint sich Orbán aus der Deckung zu trauen. Doch er beschädigt damit nicht nur die amerikanische Regierung, sondern auch die Nato-Partner und als amtierender Ratspräsident auch die Europäische Union.

Dabei überrascht kaum, dass der ungarische Ministerpräsident auf einen Wahlsieg des Republikaners setzt. Ungarns Ministerpräsident Orbán ist mit seiner Nähe zu Putin im Kreis der Nato ohnehin schon relativ isoliert. Doch wegen seiner diplomatischen Reisen zu Xi, Putin und nun auch noch zu Trump wächst seit Tagen die Wut im westlichen Bündnis. Orbán tue so, als reise er mit einem Mandat der Europäischen Union, empörten sich viele europäische Diplomaten am Rande des Nato-Gipfels in Washington.

Orbán soll die Folgen seines Handelns spüren

Nur wie soll der Rest der Nato und wie soll die EU reagieren? Einerseits wollen die übrigen Staats- und Regierungschefs keine Totalblockade gegen Orbán organisieren, etwa durch einen Boykott des kommenden EU-Gipfels im November in Budapest. Damit würde man Orbán erst recht in die Falle gehen, heißt es in deutschen Diplomatenkreise. Aber der ungarische Ministerpräsident soll offenbar trotzdem zu spüren bekommen, dass er sich nicht einfach so verhalten kann, wie er es derzeit tut.

Denkbar wäre etwa, trotzdem nach Budapest zu reisen und dann ein geschlossenes, gemeinsames Statement der übrigen 26 EU-Staaten zu verfassen, das klarmacht, wie isoliert Orbán mit seinen Positionen zu Putin, Xi und Trump steht. Die größte Eskalation würde die Einleitung eines Artikel-7-Verfahrens gegen Ungarn darstellen. Dabei könne festgestellt werden, dass in den Vorstößen Orbáns die Gefahr einer Verletzung der EU-Werte besteht oder bereits eine schwerwiegende Verletzung erfolgt ist. Als schwerste Sanktion könnten dann sogar die Stimmrechte Ungarns ausgesetzt werden.

Putin, Xi und Trump – Orbáns Freunde im Geiste

Der Besuch Orbáns bei Trump ist nur das neueste Beispiel von der Quertreiberei des Ungarn. Orbán ist schon seit vielen Jahren vielfach auf einem komplett anderen Kurs als seine Partner in der EU und Nato. Zwar hält er Ungarn strategisch im Westen verankert, doch der Ministerpräsident regiert sein Land immer autokratischer, indem er beispielsweise versucht, die Pressefreiheit und die Unabhängigkeit der Justiz in seinem Land systematisch auszuhöhlen.

Orbán will zwar wirtschaftlich von seiner geografischen Lage in Europa und seiner EU-Mitgliedschaft profitieren, politisch aber fühlt sich Orbán Staatschefs wie Putin, Xi Jinping oder Ex-Präsident Trump näher. China und Russland streben eine multipolare Weltordnung an, in der jedoch demokratische Standards oder Menschenrechte die internationale Zusammenarbeit nicht mehr dominieren sollen. Und das liegt auch in Orbáns Interesse.

Orbán ist ähnlich wie Trump ein Protektionist, der nur das zu tun gedenkt, was seiner Auffassung nach im Sinne Ungarns ist. So ist Ungarn das einzige Land in der Europäischen Union, das noch immer 70 Prozent seiner Energieimporte – Gas und Öl – aus Russland bezieht. Und die ungarische Führung hat nach Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine den Import von russischem Gas noch einmal erhöht. Das ist nicht nur eine Provokation für viele EU-Partner, Orbán zeigt damit auch klar, dass er mit dem Krieg eigentlich nichts zu tun haben will.

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Trumps Allianz mit Orbán wirkt vor diesem Hintergrund durchaus widersprüchlich. Schließlich gehörte Trump über viele Jahre zu den größten Kritikern von Deutschlands Pipeline-Projekt Nordstream, weil es die Erdgasabhängigkeit von Russland weiter erhöhte. Aber für Trump und erst recht für Putin und Xi Jinping erweist sich Orbán aktuell eben als nützlicher diplomatischer Bomber, der die westlichen Allianzen destabilisieren kann, indem er Uneinigkeit kreiert und dadurch Prozesse verzögert.

Ohrfeigen für die EU

Orbáns Kurs hat System. Sein Außenminister Péter Szijjártó ließ sich erst im März von der russischen Nachrichtenagentur Tass wie folgt zitieren: "Wir werden die Versorgungssicherheit unserer Länder in keiner Weise aufgrund irgendwelcher politischer und ideologischer Wünsche gefährden, unabhängig davon, wer sie initiiert hat." Ungarn werde die Kooperation mit "alten und verlässlichen Partnern" nicht aufgrund des Drucks von Drittstaaten aufgeben. Den von Russland gestarteten Krieg in Europa ließ er dabei unerwähnt.

Das ist nicht nur eine Ohrfeige für die EU und die Unterstützer-Allianz der Ukraine. Es ist bemerkenswert, weil Russlands Krieg in direkter Nachbarschaft zu Ungarn stattfindet, das eine gemeinsame Grenze mit der Ukraine teilt. Länder wie Rumänien oder Polen stellen sich aus eigenen Sicherheitsinteressen deutlich dagegen. Die Orbán-Regierung klopft Putin als lukrativem Geschäftspartner hingegen auf die Schulter. Auch das passt zu Trumps transaktionalem außenpolitischen Verständnis. Sein Motto: Wenn der Deal stimmt, ist alles andere egal.

Orbán isoliert Ungarn immer weiter

Dabei bringt Orbán seine ungarische Regierung in ein Dilemma: Das Land gehört zu den größten Nettoempfängern von EU-Hilfen, ohne dieses Geld würde Ungarn in große Probleme geraten. Auch Trump, Putin oder Xi könnten das kaum auffangen.

Orbán hat in den vergangenen Jahren außerdem bewiesen, dass er kein geschickter Pendeldiplomat ist. Ihm gelingt es nicht, wie etwa der Türkei oder Indien, gleichzeitig mit dem Westen und mit Russland Geschäfte zu machen. Stattdessen versucht der ungarische Regierungschef, seine EU-Partner zu erpressen. Zuletzt drohte er mit einer Blockade der Ukraine-Hilfen der EU, woraufhin die EU-Kommission sich genötigt sah, eingefrorene Gelder für Ungarn freizugeben. Diese Strafmaßnahme wegen Orbáns umstrittener Justizreform wurde somit vereitelt. Auch diesen Schachzug des ungarischen Ministerpräsidenten haben die EU-Partner nicht vergessen.

Orbán weiß seit der Abwahl der PiS-Partei in Polen, dass er in der EU inzwischen isoliert dasteht. Es bleibt ihm deshalb offenbar nur, alles auf einen Wahlsieg von Donald Trump zu setzen. Sollte der dann wirklich einen für die Ukraine nachteiligen Frieden erzwingen, wäre nicht nur Putin der Gewinner. Auch Orbán könnte dann erst recht weiter unbeschadet Geschäfte mit dem Kreml machen.

Konfrontationskurs, solange Biden geschwächt ist

Orbáns Verhalten hat Vertrauen in der westlichen Allianz stark beschädigt. Vertrauliche Informationen hinsichtlich der Ukraine werden nicht mehr mit ihm geteilt. Beim Nato-Gipfel wurden solche strategischen Fragen ebenfalls nicht besprochen, versicherte ein westlicher Diplomat t-online. Sogar optisch war zu beobachten, dass Orbán meist alleine dasteht, wenn die anderen Staats- und Regierungschefs in Pausen miteinander sprachen.

Orbáns Reaktion aber ist nicht Einsicht. Im Gegenteil: Er reizt die roten Linien seiner Partner immer weiter aus und sorgt damit für immer größere Wut. Und neue Konflikte sind bereits vorprogrammiert. Sein ungenierter Besuch bei Trump zeigt, dass Ungarns Regierungschef sich auf der Gewinnerstraße wähnt. Das Ergebnis des US-Wahlkampfes entscheidet auch darüber, ob sich Orbáns Autokraten-Reise für ihn auszahlen wird. Das Verhältnis zu den EU-Partnern aber wird dann wohl kaum noch zu kitten sein.

Verwendete Quellen
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