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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nigel Farage ist zurück "Diese Wahl ist eine Migrations-Wahl"
Großbritannien leidet unter dem Brexit. Nun könnte einer seiner größten Befürworter erneut Karriere machen.
14 Jahre lang regierten die konservativen Tories Großbritannien. Fünf Premierminister und einen EU-Austritt später ist die Stimmung im Land schlecht. Während sich die Löhne immer noch auf dem Niveau von 2010 bewegen, sind die Lebenshaltungskosten explodiert.
Die britische Wohltätigkeitsorganisation Trussel Trust gibt an, im vergangenen Jahr doppelt so viele Lebensmittelpakete an Bedürftige verteilt zu haben wie vor fünf Jahren. Schuld an der wirtschaftlich schlechten Situation sei neben Corona und Ukraine-Krieg vor allem der Brexit, so Peter Adrian von der Deutschen Industrie- und Handelskammer im Gespräch mit der "Tagesschau".
Nigel Farage zwischen Politik und TV
Trotzdem schafft es gerade einer der größten Befürworter des Brexits aus der jetzigen Situation Kapital zu schlagen. Denn Nigel Farage, der erst als Chef der UK Independence Party (UKIP) und später mit der von ihm gegründeten Brexit Party am lautesten für einen EU-Austritt agitierte, liegt gerade in Umfragen knapp hinter den Tories auf dem dritten Platz.
Eigentlich hatte sich der 60-Jährige, der in der Vergangenheit immer wieder mit migrationskritischen und islamfeindlichen Aussagen aufgefallen war, schon aus der Politik verabschiedet, um einer Karriere als TV-Persönlichkeit nachzugehen. Zuerst verdingte er sich als Moderator des rechten Nachrichtensenders GB-News und später als Kandidat beim britischen "Ich bin ein Star, holt mich hier raus".
Doch Anfang des Monats gab er bekannt, dass er wieder antreten und auch den Vorsitz der Brexit Party, die seit 2021 Reform UK heißt, übernehmen würde. Die Ankündigung kam nur eine Woche, nachdem er erklärt hatte, nicht zu kandidieren. Er wolle stattdessen Donald Trump bei seiner Wiederwahl unterstützen, meinte er damals.
Migration als wichtigstes Thema
Schon bei seiner Ankündigung stellte Farage klar, welches Thema er besetzen würde: "Diese Wahl ist eine Migrations-Wahl" erklärte Farage dem versammelten Publikum in Glaziers Hall, einem noblen Londoner Veranstaltungsort nahe der Themse. Eine Strategie, die durchaus Erfolg versprechen könnte, denn Migration ist, laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov, hinter der Wirtschaft und dem Mangel an bezahlbaren Wohnraum das für die Wähler wichtigste Thema.
Doch es bleibt abzuwarten, ob es Farage und seiner Reform UK Partei gelingt, die guten Umfrageergebnisse von knapp 16 Prozent in Parlamentssitze zu verwandeln. Denn anders als in Deutschland gibt es in Großbritannien kein Verhältniswahlrecht – bei dem die Sitze im Parlament im Verhältnis zu den Wahlergebnissen der verschiedenen Parteien verteilt werden – sondern ein sogenanntes Mehrheitswahlrecht. Das bedeutet, dass der Kandidat mit den meisten Stimmen in einem Wahlkreis ins Parlament einzieht, alle anderen Stimmen verfallen.
Farage plant, sich im unweit von London gelegenen Clacton-on-Sea zur Wahl aufstellen zu lassen. Die Kleinstadt mit 53.000 Einwohnern ist einer der wenigen Wahlkreise, in dem jemals ein Vertreter der UKIP ins Parlament gewählt wurde. Sollte es Farage so gelingen, ins Parlament einzuziehen, wäre dies eine Premiere, denn bis jetzt schaffte es der Europakritiker nie ins britische, dafür aber mehrfach ins Europäische Parlament.
- yougov.co.uk: "The most important issues facing the country" (englisch)
- bbc.com: "General election 2024 poll tracker: How do the parties compare?" (englisch)
- bbc.com: "Who is Reform leader Nigel Farage?" (englisch)
- theguardian.com: "Nigel Farage, the man who wants to be the UK’s answer to Donald Trump" (englisch)
- tagesschau.de: "'Ein wirtschaftliches Desaster'"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa