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Israels Präsident Netanjahu: Was der beantragte Haftbefehl bedeutet


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Haftbefehle beantragt
Dann könnte Netanjahu verhaftet werden


21.05.2024Lesedauer: 5 Min.
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Benjamin Netanjahu: Gegen den israelischen Ministerpräsidenten wurde ein Haftbefehl beantragt. (Quelle: imago-images-bilder)
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Vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wurde ein Haftbefehl gegen den israelischen Regierungschef beantragt. Was bedeutet das für Netanjahu?

Die Mitteilung erregte Aufsehen: Am vergangenen Montag wurden am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag mehrere Haftbefehle beantragt. Einer der Beschuldigten: der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Die Ankündigung hat weltweit zu heftigen Reaktionen geführt. Doch was genau bedeutet der Antrag? t-online gibt einen Überblick:

Was wurde konkret beantragt?

Am Montag hatte der Chefankläger Karim Khan mehrere Haftbefehle beantragt. Der 54-jährige Schotte untersucht in der Position seit 2021 mutmaßliche Verbrechen, die bei ausreichender Beweislage in Den Haag zur Anklage kommen können. Konkret beantragte Khan die Befehle gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und gegen Verteidigungsminister Joav Galant. Ihnen werden unter anderem das Aushungern, die vorsätzliche Tötung und Verfolgung von Zivilisten vorgeworfen.

"Wir gehen davon aus, dass die angeklagten Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Rahmen eines umfassenden und systematischen Angriffs auf die palästinensische Zivilbevölkerung gemäß der Politik des Staates begangen wurden", hieß es von Khan in einer Mitteilung. Khan hatte dafür über Monate ermittelt und auf Interviews, Audio-, Video- und Satellitenmaterial verwiesen.

Als Beispiel für mutmaßlich begangene Verbrechen nannte Khan etwa die Schließung der drei Grenzübergänge aus dem Gazastreifen und die "anschließende willkürliche Einschränkung des Transfers lebenswichtiger Güter." Khan betonte dabei, dass Israel wie alle Staaten das Recht habe, seine Bevölkerung zu schützen. Dabei habe man sich aber an das humanitäre Völkerrecht zu halten.

Gleichzeitig beantragte Khan aber auch Haftbefehle gegen führende Köpfe der Terrororganisation Hamas. Konkret ging es dabei um den Chef Yahya Sinwar, den Leiter des militärischen Flügels, Mohammed Deif, und den Leiter des Politbüros, Ismail Hanija. Ihnen werden unter anderem die Kriegsverbrechen Vernichtung, Mord, Geiselnahme, Vergewaltigung und Folter vorgeworfen.

Ob die beantragten Haftbefehle erlassen werden, müssen nun die Richter der Vorverfahrenskammer des IStGH entscheiden. Wenn sie die Tatvorwürfe als bestätigt ansehen, kann das Hauptverfahren gegen die Beschuldigten eingeleitet werden. Der Völkerrechtler Kai Ambos von der Universität Göttingen geht davon aus, dass die Haftbefehle erlassen werden: "Das ist sehr wahrscheinlich, so sieht es eigentlich auch jeder, mit dem ich bisher gesprochen habe", sagte der Jurist der "Zeit".

Was ist der Internationale Strafgerichtshof?

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH oder englisch: ICC für "International Criminal Court") wurde 1998 gegründet und sitzt in der niederländischen Stadt Den Haag. Zuständig ist das Gericht etwa für Verbrechen wie Völkermord, Kriegsverbrechen oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Juristische Grundlage ist das sogenannte Römische Statut, das von 123 Ländern unterzeichnet wurde. Belangt werden können dabei nur Personen, die die Staatsangehörigkeit eines der Mitgliedsländer haben oder eine Straftat in einem der Mitgliedsländer begangen haben. Zusätzlich können auch Staaten, die nicht formell Mitglied sind, dem Gericht die Erlaubnis erteilen, in ihrem Land tätig zu werden. Aktuell ist das etwa in der Ukraine der Fall, wo Khan ebenfalls ermittelt, obwohl das Land kein direktes Mitglied ist.

Gleichzeitig hat das nationale Recht Vorrang vor den Vorgaben des IStGH. Dieser wird also nur tätig, wenn entsprechende Fälle nicht auf nationaler Ebene verfolgt werden beziehungsweise ein Land selbst nicht willens ist, Ermittlungen einzuleiten.

Was würde es bedeuten, wenn der Haftbefehl erlassen wird?

Sollte das Gericht dem Antrag von Khan stattgeben, würde das in allererster Linie die Bewegungsfreiheit der Angeklagten erheblich einschränken. Denn jedes Land, das das Gericht als Vertragsstaat anerkennt, müsste die Beteiligten festnehmen lassen und nach Den Haag ausliefern, sobald sie einen Fuß in das entsprechende Land setzen.

Allerdings können sich die Vertragspartner einem solchen Haftbefehl auch widersetzen. Im Falle der Hamas-Führer ist das Risiko einer solchen Festnahme etwa gering. Vermutet wird, dass sich Deif und Sinwar weiter in den Tunnelsystemen der Terrorgruppe im Gazastreifen aufhalten. Die Palästinensische Autonomiebehörde erkennt das Gericht in Den Haag zwar seit 2015 an. Allerdings ist es ausgeschlossen, dass die Hamas ihre führenden Köpfe selbst nach Den Haag ausliefert. Hamas-Auslandschef Hanija soll sich dagegen seit Längerem in Katar aufhalten. Dort wird das Gericht nicht anerkannt.

Schwieriger ist dagegen die Situation bei Galant und Netanjahu: Auslandsreisen in weite Teile Europas inklusive Deutschlands, Afrikas sowie Nord- und Südamerikas wären dann de facto nicht mehr möglich. Israel selbst hatte das Römische Statut zwar einst unterzeichnet, es allerdings nie ratifiziert, sodass den Politikern keine Festnahme im eigenen Land droht. Ebenfalls unbedenklich wären etwa Reisen in die USA, Russland oder die Türkei.

Wie ernst die Vertragsstaaten die Regelungen nehmen, zeigte sich jüngst an einem anderen Beispiel: Im vergangenen August war der russische Präsident Wladimir Putin zu einem Gipfel der Brics-Staaten in Südafrika eingeladen. Gegen Putin liegt seit dem vergangenen März ein Haftbefehl vor, da ihm die Entführung von Kindern in der Ukraine vorgeworfen wird.

Die südafrikanische Regierung hatte vor dem Gipfel monatelang offengelassen, ob Putin persönlich erscheint. Kurz vor Beginn des Treffens teilte das Büro des Präsidenten Cyril Ramaphosa mit, dass Putin nicht persönlich an dem Treffen teilnehme. Seit der Haftbefehl erlassen wurde, hat der russische Präsident auch keinen anderen der 123 Staaten besucht, die den Strafgerichtshof anerkennen.

Gleichzeitig ist es unwahrscheinlich, dass es in absehbarer Zeit zu einem Prozess käme, falls die Haftbefehle vorlägen. Prozesse in Den Haag können mitunter Jahrzehnte dauern, allerdings am Ende auch zu Urteilen führen. Ein Beispiel ist der Balkan-Krieg in den Neunzigerjahren, bei dem Jahre später führende Köpfe zu Haftstrafen verurteilt wurden.

Welche Reaktionen lösen die beantragten Haftbefehle aus?

Beide beschuldigte Parteien weisen die Vorwürfe des Chefanklägers Khan scharf zurück. "Ich weise mit Ekel den Vergleich des Anklägers in Den Haag zwischen dem demokratischen Israel und den Massenmördern der Hamas zurück", sagte Regierungschef Netanjahu am Montag. Der Regierungschef nennt Chefankläger Khan einen der "großen Antisemiten der Moderne". Auch Verteidigungsminister Galant sprach von einer "abscheulichen Parallele", die Khan mit seinem Antrag ziehe.

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Auch die Hamas wies die Vorwürfe zurück und suchte dagegen die Schuld bei Israel: "Seine Entscheidung vergleicht das Opfer mit einem Henker und ermutigt die (israelische) Besatzung, den genozidalen Krieg fortzusetzen", hieß es in einer Stellungnahme der Hamas, die von dem Hamas-nahen TV-Sender Al-Aksa am Montag verbreitet wurde.

Die Bundesregierung kritisierte den Umstand, dass die gleichzeitige Beantragung der Haftbefehle gegen Hamas-Mitglieder und israelische Regierungsmitglieder suggeriere, dass die Handlungen beider Seiten gleichgesetzt werden. Das Außenministerium sprach in einer ersten Reaktion davon, es sei ein unzutreffender Eindruck der Gleichsetzung entstanden. Das Gericht müsse nun eine Reihe schwieriger Fragen beantworten, inklusive "seiner Zuständigkeit und der Komplementarität von Ermittlungen betroffener Rechtsstaaten, wie es Israel einer ist." Damit ist gemeint, dass der Gerichtshof nur dann strafverfolgend tätig werden kann, wenn Staaten nicht willens oder nicht in der Lage sind, eine bestimmte schwere Straftat ernsthaft zu verfolgen.

Die US-Regierung nahm Israel in Schutz: "Entgegen den Anschuldigungen des Internationalen Gerichtshofs gegen Israel handelt es sich nicht um Völkermord", sagte US-Präsident Joe Biden im Rosengarten des Weißen Hauses anlässlich einer Feier für die Errungenschaften amerikanischer Juden in den die USA. "Wir weisen das zurück. Wir stehen an der Seite Israels."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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