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Baerbock empört über Aussage des Papst – Russland sieht sich bestätigt


Politiker kontern Papst-Aussagen zu Ukraine
"Ich halte das für grundfalsch"

Von reuters, dpa
Aktualisiert am 11.03.2024Lesedauer: 4 Min.
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CDU-Bundesvorsitzender Friedrich Merz (Archivbild): Er kritisierte die Äußerung des Papstes. (Quelle: Michael Kappeler/dpa/dpa)
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In einer Talkshow hat sich Außenministerin Baerbock mit aller Deutlichkeit gegen den "Friedensaufruf" des Papstes gestellt. Auch Christsoziale kritisieren das Kirchenoberhaupt. Aus Russland hingegen kommt Zustimmung.

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat Papst Franziskus Forderungen von möglichen Friedensverhandlungen mit Russland zurückgewiesen. "Auch als Mitglied der katholischen Kirche – ich teile sie nicht. Ich halte sie für grundfalsch", sagte Merz am Montag. Er sei von diesen Äußerungen überrascht gewesen. "Man sieht in der Geschichte: Auch die katholische Kirche ist nicht frei von Irrtum", sagte Merz.

Auch Außenministerin Annalena Baerbock reagierte zuvor entsetzt auf den Appell des Papstes. "Ich frage mich wirklich, was er sich dabei gedacht hat", sagte die Grünen-Politikerin am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Caren Miosga". "Ich versteh's nicht."

Baerbock vertrat die Ansicht, man könne manche Dinge nur verstehen, wenn man sie selbst sehe. Wenn man sehe, wie ein Kindergarten in der Ukraine angegriffen werde, wie Kinder und Jugendliche von Russen verschleppt würden. "Ich frage mich: Wo ist da der Papst? Der Papst muss davon wissen."

Auch Baerbocks Parteikollege, der Grünen-Co-Chef Omid Nouripour, bezeichnet die Aussagen von Papst Franziskus, als "schwer verwunderlich". Der Status quo dürfe nicht verstetigt werden. "Wir dürfen eines nicht vergessen: Wenn Russland aufhört zu kämpfen, ist der Krieg zu Ende. Wenn die Ukraine aufhört zu kämpfen, dann ist die Ukraine zu Ende, und zwar unter russischer Besatzung", sagte Nouripour in Berlin.

Auch Selenskyj weist Aufruf des Papstes zurück

Man müsse den Mut haben, an der Seite der Menschen in der Ukraine zu stehen und alles für die Ukraine zu tun, dass sie sich verteidigen könne, verlangte Baerbock. Wenn es eine minimale Chance gebe, dass das russische Regime Gesprächsbereitschaft zeige, "dann wäre die ganze Welt da und würde reden. Nur leider sehen wir jeden Tag das Gegenteil". Eine ausführliche Kritik des Interviews lesen Sie hier.

Auch von Christsozialen kam Kritik an der Papst-Aussage. "Durch das Hissen von weißen Flaggen ist in der Ukraine nichts gelöst, ganz im Gegenteil", sagte Hessens Regierungschef Boris Rhein (CDU) vor einer gemeinsamen Sitzung der Präsidien von CDU und CSU zur Verabschiedung des Europawahlprogramms der Union in Berlin. Ihm falle als gläubiger Katholik schwer, "nachzuvollziehen, was der Papst da gesagt hat. Es entspricht nicht meiner Meinung. Ich habe eine völlig andere Sicht der Dinge", ergänzte er.

"Kapitulation ist kein Frieden"

Rhein fügte mit Blick auf Russlands Präsidenten Wladimir Putin hinzu: "Denn uns muss allen klar sein, dass ein Sieg Putins in der Ukraine die Freiheit Europas in einer schlimmen Art und Weise beeinträchtigen wird. Nichts wird besser, wenn Putin dort siegt, sondern alles wird schlechter." CDU-Schatzmeisterin Julia Klöckner sagte, sie sei als Katholikin "mehr als irritiert über diese Aufforderung, man möge die weiße Fahne hissen". Wenn man fordere, jemand, der überfallen werde, solle sich ergeben, "dann ist das eine Aufforderung an Herrn Putin, mit kirchlichem Segen einfach weiterzumachen".

Diese Meinung vertritt auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Er sagte am Montag in Brüssel: "Kapitulation ist kein Frieden." Den Papst selbst nannte er namentlich nicht. Stoltenberg sagte weiter: "Präsident Putin hat diesen Krieg begonnen und er könnte ihn heute beenden. Die Ukraine hat diese Option dagegen nicht." Er rief alle Verbündeten auf, Kiew weiterhin militärisch zu unterstützen.

Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Appell von Papst Franziskus zu Friedensverhandlungen mit Russland scharf zurückgewiesen. Die Kirche sei bei den Menschen, sagte Selenskyj am Sonntag in seiner allabendlichen Videoansprache. "Und nicht zweieinhalbtausend Kilometer entfernt, irgendwo, um virtuell zu vermitteln zwischen jemandem, der leben will, und jemandem, der dich vernichten will."

Selenskyi: Kirche soll bei den Menschen sein

"Als das russische Böse am 24. Februar diesen Krieg begann, standen alle Ukrainer auf, um sich zu verteidigen. Christen, Muslime, Juden – alle", sagte Selenskyj. Und er danke jedem ukrainischen Geistlichen, der in der Armee, in den Verteidigungsstreitkräften ist. Sie stünden an der vordersten Front, sie schützten das Leben und die Menschlichkeit, sie unterstützten mit Gebeten, Gesprächen und Taten. "Das ist es, was die Kirche ist – bei den Menschen."

Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Äußerung von Papst Franziskus ebenfalls zurückgewiesen. "Wie Sie sich vorstellen können, ist der Bundeskanzler in dieser Frage nicht der Meinung des Papstes", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. "Richtig ist, dass die Ukraine sich gegen einen Aggressor wehrt." Sie bekomme auch viel internationale Unterstützung, um sich gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg verteidigen zu können. Hebestreit verwies aber auch darauf, dass man die Einordnung eines Vatikan-Sprechers zu den Äußerungen des Papstes zur Kenntnis genommen habe.

Der Pontifex hatte mit einem missverständlichen Appell zu Friedensverhandlungen in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine massiven Widerspruch ausgelöst. Die Äußerungen des Oberhauptes der katholischen Kirche wurden von vielen als einseitiger Appell allein an Kiew verstanden – von manchen gar als Aufruf zur Kapitulation.

Russland sieht sich bestätigt

In einem am Wochenende veröffentlichten Interview des Schweizer Fernsehens benutzte der 87-Jährige mit Blick auf die Schwierigkeiten der ukrainischen Armee auch das Wort von der "weißen Fahne" – in Kriegszeiten seit Jahrhunderten das Zeichen der Kapitulation, also sich kampflos den feindlichen Truppen zu ergeben. Lesen Sie hier mehr zu den Reaktionen auf die Aussage des Papstes.

Von russischer Seite wurden die Aussagen von Franziskus begrüßt. Russland verstehe die Äußerungen des Papstes in dem Interview mit dem Schweizer Fernsehen nicht als Aufruf an die Ukraine zur Kapitulation, sondern als Plädoyer für Verhandlungen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen Nachrichtenagenturen zufolge. Kremlchef Wladimir Putin habe immer wieder davon gesprochen, bereit und offen zu sein für Verhandlungen. "Das ist der bevorzugte Weg", sagte Peskow.

Kremlsprecher Peskow warf dem Westen und insbesondere Frankreich unterdessen vor, mit der Diskussion um die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine die Spannungen in dem Konflikt weiter anzuheizen. "Das ist eine gefährliche Linie, eine sehr gefährliche", sagte Peskow. Russland verfolge das genau. Schon jetzt hätten die russischen Dienste Informationen darüber, dass es auf dem Gebiet der Ukraine etwa Kräfte gebe, die sich zwar als Berater bezeichneten, aber direkten Bezug zur Nato hätten.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa und Reuters
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