Was steckt dahinter? Biden will Zeichen setzen – und kassiert doppelte Absage
Joe Biden hatte bei einer wichtigen Rede wohl auf starke Bilder gehofft, doch daraus wird nichts. Der Grund ist die Absage zweier Frauen.
Am Donnerstagabend (Ortszeit) wird Joe Biden in Washington D.C. seine Rede zur Lage der Nation halten. Nach dem beeindruckenden Sieg seines republikanischen Konkurrenten Donald Trump bei den Vorwahlen nur zwei Tage zuvor wird der Auftritt des amerikanischen Präsidenten mit Spannung erwartet. Für den Amtsinhaber steht viel auf dem Spiel. "Der Präsident wird nicht nur dafür beurteilt werden, was er sagt", schreibt das US-Magazin "Politico" im Vorfeld der Rede, "sondern vor allem dafür, wie er es sagt."
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Biden steht unter Druck. Die anhaltenden Gerüchte um seinen Gesundheitszustand, zahlreiche Versprecher und vermeintliche Symptome von Gebrechlichkeit haben das Vertrauen der Wähler in den 81-Jährigen in den vergangenen Monaten erschüttert. Auch politisch stehen die Zeichen für Biden auf Sturm. Jüngste Umfragen sehen Donald Trump in der Wählergunst erstmals leicht in Führung.
In dieser Situation wollte das Weiße Haus offenbar mit Symbolik punkten. Es hatte zwei Frauen eingeladen, die für einen unerschütterlichen Willen und die Kraft zum Widerstand stehen: Julia Nawalnaja, die Witwe des in russischer Haft verstorbenen Regimekritikers Alexej Nawalny und Olena Selenska, Frau des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Doch Biden erhielt einen Korb. Beide Frauen sagten ihre Teilnahme an der Rede in der US-Hauptstadt ab.
Besuch von Waisenkindern wichtiger
Das bestätigte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, am Mittwoch auf Nachfrage in Washington. Selenska und Nawalnaja seien als Gäste zur Rede zur Lage der Nation am Donnerstag eingeladen worden – Selenska vom Weißen Haus und Nawalnaja von Biden persönlich, erklärte Jean-Pierre. Zu Gründen für die Absagen wollte Jean-Pierre sich nicht äußern und verwies auf die beiden Frauen.
Sofort schossen Spekulationen ins Kraut, was hinter der Doppel-Absage stecken könnte. Die "Washington Post" wollte von einer Animosität der beiden Frauen als Grund hinter ihrem Fernbleiben wissen. Demnach habe Ukraines First Lady Selenska nicht neben der russischen Oppositionellen Nawalnaja sitzen wollen. Das jedoch wurde von Selenskas Team dementiert, wie die "New York Times" unter Berufung auf eine Sprecherin berichtet. Vielmehr fühle sich die Frau des ukrainischen Präsidenten an einen Termin gebunden, der schon lange im Voraus geplant gewesen ist. So erhält sie am Tag der Rede unter anderem Besuch von Kindern aus einem Waisenhaus.
Dennoch ist die Absage ungewöhnlich. In der Vergangenheit war die ukrainische Führung immer sehr um Repräsentation im Ausland bemüht, nicht nur Präsident Selenskyj selbst lässt normalerweise kaum eine Gelegenheit aus, bei den Verbündeten für die eigene Sache zu werben. Auch das Verhältnis zwischen Selenska und den USA war bislang eng. So besuchte Jill Biden, die First Lady der USA, im Mai 2022 die Ukraine, als Zeichen der Solidarität mit dem von Russland völkerrechtswidrig angegriffenen Land. Im Gegenzug reiste Selenska im Juli desselben Jahres nach Washington und traf dort das amerikanische Präsidentenpaar.
Biden muss auf starke Bilder verzichten
Der US-Präsident kämpft seit Monaten vergeblich um die Freigabe eines rund 60 Milliarden Dollar schweren Hilfspakets für die Ukraine. Dieses wird jedoch im Kongress von den Republikanern blockiert. Dahinter soll der Einfluss Trumps stecken. Dieser hatte die Hardliner seiner Partei und schließlich auch den Mehrheitsführer im Senat, Mike Johnson, davon überzeugt, den Gesetzentwurf abzulehnen, obwohl daran führende Republikaner mitgewirkt hatten.
Auf die Bilder der beiden starken Frauen Selenska und Nawalnaja, beide ein Symbol des Widerstands gegen die neoimperialistische Politik Wladimir Putins, muss Biden nun verzichten.
Nawalnaja begründet ihre Absage mit Gesundheit
Im Gegensatz zum Westen, wo Alexej Nawalny vor allem als Kämpfer gegen das Putin-Regime gesehen wird, ist der Blick in der Ukraine auf den jüngst verstorbenen Oppositionellen nicht ganz so eindeutig. Dort gilt Nawalny aufgrund älterer Aussagen als russischer Imperialist, der etwa die Besetzung der Krim durch Russland einst guthieß.
Nawalnaja wiederum begründete ihre Absage mit ihrer angeschlagenen Gesundheit. Sie wäre gern in die USA gekommen, sagte eine Sprecherin der "Washington Post", doch die Anstrengungen der vergangenen Wochen seien nicht spurlos an ihr vorübergegangen. Nawalny war laut russischen Behörden am 15. Februar in einer Strafkolonie am Polarkreis gestorben. Seine Beerdigung konnte nach langen Verzögerungen erst in der vergangenen Woche stattfinden.
- politico.com: Biden’s State of the Union address is seriously high stakes (englisch)
- nytimes.com: Ukraine’s First Lady Declines Invitation to State of the Union Address (englisch)
- washingtonpost.com: Ukraine’s first lady declines State of the Union invitation (englisch)
- npr.org: President Biden's State of the Union speech faces dual political challenges (englisch)
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa