"Vertuschung" von Belästigungsvorwürfen? Grünen-Spitze im Europaparlament gerät zunehmend in Erklärungsnot
In der Affäre um den grünen Europapolitiker Malte Gallée wird Kritik an der Fraktionsspitze der Grünen im Europaparlament laut. In einem Brief erheben Kritiker schwere Vorwürfe.
In der Affäre um Vorwürfe gegen den grünen Europapolitiker Malte Gallée wird deutliche Kritik am Verhalten von Spitzenvertretern der Fraktion im Europaparlament laut. In einem unter anderem an die Co-Fraktionsvorsitzende Terry Reintke adressierten Brief heißt es, es werde zwar immer wieder bekräftigt, dass man gegen Belästigungen vorgehe. Die Realität habe aber gezeigt, dass die Fraktionsführung nicht tätig geworden sei, als Opfer um Hilfe gebeten hätten. Der Brief liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.
In dem Schreiben heißt es, Unterzeichnerinnen und Unterzeichner seien aktuelle und ehemalige Fraktionsmitarbeitende, Mitarbeitende von Abgeordneten, lokale Assistenten und Praktikanten der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament. Namen werden nicht genannt, der Brief konnte anonym unterzeichnet werden. Der dpa sind mehrere Unterzeichner des Schreibens bekannt.
Gallée weist Vorwürfe zurück
Der Grünen-Politiker Malte Gallée war am Freitag als Europaabgeordneter zurückgetreten, nachdem er von der Deutschen Presse-Agentur und dem "Stern" mit Vorwürfen konfrontiert worden war, sich unangemessen gegenüber Mitarbeitenden verhalten zu haben. "Ich bin davon überzeugt, dass ich mir nichts habe zuschulden kommen lassen", schrieb der 30-Jährige gleichzeitig. Er selbst habe deswegen im Sommer 2022 die Ombudsstelle der Grünen im Europäischen Parlament aufgefordert, dem nachzugehen.
Um welche Gerüchte es genau geht, hat der bislang jüngste deutsche Europaabgeordnete nicht gesagt. Auch die Co-Fraktionsvorsitzende Reintke und der Leiter der deutschen Grünen-Delegation, Rasmus Andresen, und die Fraktionspressestelle schweigen bislang zu Details. Mehr dazu lesen Sie hier.
Am Dienstagnachmittag teilte Reintke der dpa mit: "Die anonymen Berichte gehen mir sehr nahe und machen mich und uns betroffen." Es liege ihr persönlich am Herzen, dass die Fraktion ein vertrauensvoller und sicherer Arbeitsplatz sei. Der Fraktionsvorstand werde interne Verfahren stärken. "Entsprechende Maßnahmen wird der Fraktionsvorstand vorlegen", so Reintke.
Kritiker werfen Grünen-Fraktionsspitze "Vertuschung" vor
In dem jetzt öffentlich gewordenen Brief heißt es: "Vorwürfe der Belästigung und, was noch beunruhigender ist, die offensichtliche Vertuschung sind nicht nur entmutigend, sondern schockierend." Man wolle bei der defensiven Reaktion der Führung nicht mitmachen. Diese erkenne den Ernst der Lage und die Erfahrungen der Betroffenen nicht an.
Der Grünen-Politiker Gallée war Anfang 2022 für Sven Giegold ins Europaparlament nachgerückt, der als Staatssekretär ins Bundeswirtschaftsministerium wechselte. Auf der besonders bei jungen Menschen beliebten Kurzvideoplattform TikTok folgten ihm zuletzt mehr als 50.000 Menschen.
- Nachrichtenagentur dpa