Hamas-Geiseln Israel macht weitreichendes Angebot
Bislang herrschte Stillstand in den Bemühungen um eine Freilassung der israelischen Hamas-Geiseln. Doch nun soll Netanjahus Regierung ein Angebot gemacht haben.
Israel schlägt einem Medienbericht zufolge in dem seit mehr als 100 Tagen tobenden Gazakrieg eine zweimonatige Feuerpause vor. Das Angebot, das den Vermittlern aus Ägypten und Katar übergeben worden sei, soll zur Freilassung aller Geiseln führen, die sich in der Gewalt der islamistischen Terrororganisation Hamas befinden, berichtete das Nachrichtenportal "Axios" am Montagabend. Der Autor des Beitrags, der bekannte und gut vernetzte israelische Journalist Barak Ravid, berief sich auf zwei namentlich nicht genannte israelische Regierungsbeamte.
Nach dem terroristischen Überfall der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober auf Gebiete in Südisrael halten die Terroristen nach israelischen Regierungsangaben immer noch 136 Menschen im Gazastreifen fest.
Eine zweimonatige Feuerpause wäre das bisher weitreichendste Angebot dieser Art, das die israelische Regierung unterbreitet hat. Im Laufe einer einwöchigen Waffenruhe Ende November hatte die Hamas 105 Geiseln freigelassen. Im Gegenzug hatte Israel 240 palästinensische Häftlinge aus seinen Gefängnissen entlassen.
Keine Beendigung des Krieges
Seitdem ließ Israels Regierung wenig Bereitschaft erkennen, sich auf Zugeständnisse für weitere Geiselfreilassungen einzulassen. Nachdem inzwischen rund 25 Entführungsopfer nicht mehr am Leben sein dürften, nahm die Kritik an der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu. Am vergangenen Wochenende demonstrierten in Israel Tausende Menschen, um sie zu ernsthafteren Bemühungen um eine Geiselbefreiung zu bewegen.
Das Angebot einer zweimonatigen Feuerpause sieht dem Bericht zufolge keine Beendigung des Krieges durch Israel vor. Israels Militär würde sich demnach lediglich aus den Bevölkerungszentren zurückziehen. Den Palästinensern, die auf Anweisung des israelischen Militärs in den Süden des Gazastreifens geflohen sind, wäre es möglich, wieder in den Norden zurückzukehren. Der israelische Vorschlag sei bereits vor zehn Tagen vom Kriegskabinett gebilligt worden, schrieb "Axios".
Die Terrororganisation Hamas hatte bislang jegliche neue Geiselfreilassungen an ein Ende des Krieges geknüpft. Ägyptische und katarische Vermittler bemühen sich seit Wochen, die unterschiedlichen Forderungen zu überbrücken. Auf dem Tisch liegt ein Dreistufenplan, der den Ablauf von Geiselfreilassungen und Einstellung der Kampfhandlungen regelt.
Zu Wochenbeginn traf nach Informationen von US-Medien der Nahost-Koordinator von US-Präsident Joe Biden, Brett McGurk, in der Region ein, um Gespräche in Kairo und Doha zu führen.
Kommt doch noch eine Zweistaatenlösung?
Unterdessen arbeiten die arabischen Länder laut einem weiteren Medienbericht an einem Vorschlag für eine Zweistaatenlösung nach Ende des Gazakrieges. Saudi-Arabien biete im Gegenzug für die Schaffung eines palästinensischen Staates die Anerkennung Israels an, berichtete das "Wall Street Journal" unter Berufung auf arabische Beamte.
Der Vorschlag sei Israel über die USA unterbreitet worden und der erste gemeinsame Plan arabischer Staaten für die Beendigung des Krieges und eine Zweistaatenlösung, hieß es. Die Details des Vorschlags würden noch ausgearbeitet, bisher sei die Haltung der israelischen Regierung ablehnend. Die Gründung eines palästinensischen Staates sei dabei der Hauptstreitpunkt.
Vor dem Gazakrieg hatte Saudi-Arabien als wichtige Schutzmacht der Palästinenser unter US-Vermittlung bereits Gespräche über eine mögliche Normalisierung der Beziehungen mit Israel geführt, was durch den Krieg aber zum Erliegen kam. Die sich abzeichnende Annäherung wäre aus Sicht der islamistischen Hamas, der libanesischen Hisbollah-Miliz und des Iran als wichtigster Unterstützer beider Gruppen zu ihrem Schaden gewesen.
Das brutale Massaker der Hamas und anderer extremistischer Gruppen im Süden Israels am 7. Oktober war daher von einigen Experten auch als Versuch der Islamisten gesehen worden, die Annäherung zu torpedieren.
Die Nachricht über den arabischen Vorschlag kommt zu einem Zeitpunkt, da erneute diplomatische Bemühungen um eine Beendigung der Kämpfe angelaufen sind. Nach den USA verstärken nun auch Deutschland und die EU den Druck auf Gegner einer Zweistaatenlösung für den Nahostkonflikt. Bei einem EU-Treffen am Montag in Brüssel wurde Kritik an Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geübt. Dieser hatte am Wochenende deutlich gemacht, dass er eine Zweistaatenlösung nach dem Ende des Gazakrieges weiterhin ablehnt.
- Nachrichtenagentur dpa