Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Staatsbesuch aus der Türkei "Hamas-Verbot heißt: Kein Erdoğan-Besuch"
Am Freitag soll der türkische Präsident Erdoğan zu einem Kurzbesuch nach Deutschland kommen. Er unterstützt die Hamas und hetzt gegen Israel. Müssen wir seinen Besuch akzeptieren?
Noch in dieser Woche soll Recep Tayyip Erdoğan zum Staatsbesuch nach Berlin kommen. Viel zu besprechen gibt es allemal, denn der türkische Machthaber hat seit dem Angriff der Hamas auf Israel mehrfach seine Unterstützung für die Terrororganisation betont.
Ist es richtig, den türkischen Präsidenten in dieser Situation einzuladen?
Das muss man aushalten
Er macht es einem nicht leicht. Zum wiederholten Mal hat sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan vollkommen indiskutabel zum akuten Nahostkonflikt, der Hamas und Israel geäußert. Dieses Mal hat er mit einem Pseudo-Geschichtssermon das Existenzrecht Israels in Abrede gestellt.
Kann man so jemanden als Staatsgast in Deutschland empfangen, wie das am Ende dieser Woche Bundeskanzler und Bundespräsident tun werden? So schwer es fällt: Man kann nicht. Man muss. Erdoğan ist ein schier unerträglicher Partner, aber eben: ein Partner. Kluge, weitsichtige Außenpolitik widersteht dem Reflex, das zu tun, was einem das Herz empfiehlt nach der Lektüre solcher Nachrichten aus Ankara.
Erdoğan wird gebraucht, sein Land ist Vollmitglied in der Nato, und wenn es Politiker gibt, über die man in einem verhärteten Konflikt auch die Gegenseite erreichen kann, dann sollte man sich dieser Möglichkeit nicht berauben. Daher war es ebenso richtig von Bundeskanzler Olaf Scholz, vor Kurzem und nach dem Angriff der Hamas auf Israel den Emir von Katar wie vorgesehen zu empfangen. Ja, Katar finanziert und beherbergt den Terror der Hamas, aber ohne das Land wird man keine Aussicht haben, die verbliebenen Geiseln eventuell freizubekommen. Dabei könnte unter Umständen auch Erdoğan helfen.
Außenpolitik ist nicht, sich nur mit den besten Freunden des gemeinsam richtigen Standpunktes zu versichern. Richtige Außenpolitik fängt da an, wo es wehtut. Wie bei Erdoğan.
Ein Hamas-Verbot bedeutet auch: Kein Besuch von Erdoğan
Was haben wir dem türkischen Präsidenten nicht schon alles durchgehen lassen: 2018 überfiel seine Armee mithilfe islamistischer Milizen die kurdische Provinz Afrin in Nordsyrien und tötete unzählige Menschen.
Als sein Verbündeter, der aserbaidschanische Präsident Alijew, in diesem Jahr eine ethnische Säuberung an der hauptsächlich armenischen Bevölkerung in der Region Bergkarabach durchführte, viele Menschen tötete und hunderttausend weitere vertrieb, bezeichnete Erdoğan das als "historischen Erfolg".
Von den Menschenrechtsverletzungen in der Türkei ganz zu schweigen – die Pressefreiheit ist weitgehend ausgeschaltet und Menschen, die es wagen, den Präsidenten zu kritisieren, landen schneller im Gefängnis, als sie "Kurdistan" sagen können.
Seit dem 7. Oktober weigert er sich, den Angriff der Hamas auf Israel zu verurteilen. Im Gegenteil: "Die Hamas ist keine Terrorgruppe, sondern eine Widerstandsgruppe, die kämpft, um ihr Land und ihr Volk zu schützen", erklärte er am 25. Oktober im türkischen Parlament. Zudem erkennt er das Existenzrecht Israels nicht an.
Deutschland sollte sich gut überlegen, ob es einen solchen Antidemokraten und Terrorunterstützer wirklich einladen und ihn hier mit allen diplomatischen Ehren empfangen will, als hätte es all die Menschenrechtsverletzungen und die Unterstützung von Terrororganisationen nie gegeben. Seit Anfang November ist die Hamas in Deutschland verboten. Die richtige Konsequenz aus diesem Verbot heißt auch, dass man ihre Freunde und Förderer nicht zum Staatsbesuch in Deutschland empfängt.
Ja, Außenpolitik bedeutet auch, sich über Positionen zu streiten und in langen Debatten den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden. Dazu muss man allerdings zumindest ansatzweise gewisse Grundsätze vertreten, über die Einigkeit besteht. Dass man Terrororganisationen nicht unterstützt und Angriffe auf Minderheiten nicht glorifiziert, sollte dazugehören. Wenn diese Grundsätze nicht mehr gelten, können wir uns gleich von der "wertegeleiteten Außenpolitik" verabschieden.
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