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Gaza-Israel und Fakenews: "Wir sind nirgendwo mehr sicher"


Falschinformationen im Krieg
"Wir sind nirgendwo mehr sicher"


Aktualisiert am 19.10.2023Lesedauer: 4 Min.
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Das Foto soll den beschädigten Parkplatz der Al-Ahli-al-Arabi-Krankenhauses in Gaza am morgen nach der Explosion zeigen.Vergrößern des Bildes
Das Foto soll den beschädigten Parkplatz des Al-Ahli-Arab-Krankenhauses in Gaza am Morgen nach der Explosion zeigen: Darüber, was genau vorgefallen ist, kursieren verschiedene Behauptungen. (Quelle: Twitter/Mohamed al Masri/t-online)

Was stimmt denn nun? Nach dem Hamas-Angriff auf Israel ist das Bedürfnis nach Fakten besonders groß. Ein Experte erklärt, warum das schwierig ist.

Aus Israel und dem Gazastreifen gehen derzeit schreckliche Bilder um die Welt – doch sowohl bei den Bildern als auch bei den mitgelieferten Informationen ist Vorsicht geboten. "Wir sind nirgendwo mehr sicher vor Fakenews", sagt Historiker Christian Hardinghaus im Gespräch mit t-online.

In seinem neuen Buch "Kriegspropaganda und Medienmanipulation" beschäftigt er sich auch mit der Verbreitung von Fehlinformationen. "Fakenews sind eine Form von Propaganda, die überall gestreut wird und sich über die sozialen Netzwerke verteilen soll."

Was nun nach dem Angriff auf Israel zu beobachten ist, sei keinesfalls ein neues Phänomen. Dahinter stehe ein bewährtes System von Kriegspropaganda und es sei quasi unmöglich, sich diesem zu entziehen. Vielmehr gehöre das Streuen falscher Informationen seit jeher dazu. "Propaganda als Technik funktioniert immer gleich, nur die technischen Mittel verändern sich", so Hardinghaus. "Netzkrieg" nennt es Mitali Mukherjee, Direktorin des Reuters-Journalismus-Instituts an der Universität Oxford, in der "Süddeutschen Zeitung".

Soziale Netzwerke beschleunigen Verbreitung

So können Akteure heutzutage auf Online-Plattformen zurückgreifen, auf denen sie ihre Inhalte ungeprüft und fast ungefiltert hochladen können. "So kann in Sekundenschnelle der größtmögliche Schaden angerichtet werden, denn die Algorithmen der sozialen Medien ermöglichen es, innerhalb von Sekunden Millionen Menschen zu erreichen. Das ist über klassische Medien quasi unmöglich", sagt Hardinghaus.

Darin liege auch der große Unterschied von weiter zurückliegenden Konflikten und dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine oder dem Hamas-Angriff auf Israel. Soziale Medien wie Facebook, Instagram und X (früher Twitter) gehören mittlerweile zum Alltag der meisten Menschen überall auf der Welt – auch in Deutschland. Ein Beitrag ist hier schnell abgesetzt, ein "Gefällt mir" leicht gesetzt, der Post einer anderen Person nebenbei geteilt.

Darauf haben es die Akteure im Krieg abgesehen, sagt der Experte. Dazu nutzten sie teils perfide Mittel. "Die Propagandisten setzen dabei darauf, dass die Menschen emotional auf die Falschnachricht reagieren und sie, noch bevor sie darüber nachdenken, weiterverbreiten." Gemeint sind damit: möglichst drastische Bilder und Vorwürfe schrecklicher Taten der Gegenseite.

Die besondere Rolle sozialer Medien ist auch der Politik bewusst. So forderte EU-Kommissar Thierry Breton zuletzt das chinesische Netzwerk TikTok auf, gegen Falschmeldungen auf der Plattform vorzugehen (t-online berichtete). TikTok ist vor allem bei Kindern und Jugendlichen beliebt.

"Es gibt keine 'guten' Quellen"

Um nicht auf Falschnachrichten hereinzufallen, rät der Experte vor allem dazu, einen kühlen Kopf zu bewahren – was ob der teils furchtbaren Bilder aber gar nicht immer so leichtfällt. "Ich selbst schaue mir die schrecklichen Bilder, die derzeit zirkulieren, an und warte, bis der erste Zorn und die erste Trauer über das Gesehene zurückgehen", beschreibt Hardinghaus sein eigenes Vorgehen. "Erst dann kann ich mich fragen, ob das Bild aus einer anderen Perspektive anders aussehen könnte. An dieser Stelle beginnt das kritische Hinterfragen und ich kann damit beginnen, ein einzelnes Bild mit anderen Meldungen aus verschiedenen Quellen abzugleichen."

Letzteres sei in der aktuellen Lage besonders wichtig, aber eben auch besonders schwierig. "Es gibt keine 'guten' Quellen, denn auch Politiker und Journalisten machen Fehler und sitzen Propaganda auf oder verbreiten sie sogar wissentlich. Aber eine terroristische Quelle ist definitiv nicht glaubwürdig."

Für Diskussionen hatte zuletzt eine mutmaßliche Explosion am Al-Ahli-Arab-Krankenhaus in Gaza geführt. Die Terrororganisation Hamas hatte behauptet, dass das Krankenhaus von einer israelischen Rakete getroffen worden sei und es in der Folge Hunderte Tote gegeben habe. Israel weist den Vorwurf entschieden von sich und beschuldigt die Terrorgruppe Islamischer Dschihad. Mehr dazu, was über den Vorfall bisher bekannt ist, lesen Sie hier.

Natürlich gibt es verschiedene Techniken, um Inhalte und Absender kritisch zu hinterfragen (mehr dazu lesen Sie hier) und auch digitale Anwendungen, um etwa herauszufinden, ob ein Bild oder ein Video schon früher einmal geteilt wurde und so gar nicht aktuell sein kann. Doch in der aktuellen Lage kommen selbst Profis an ihre Grenzen.

Die "Flut an Desinformation, die in solchen Konfliktlagen auf uns einströmt", ist laut Uschi Jonas "ein riesengroßes Problem", wie die Leiterin der Faktencheck-Redaktion des deutschen Recherchezentrums Correctiv der "SZ" sagte.

Hamas-Propaganda: "Wichtig ist einzig der Effekt"

Um die sozialen Netzwerke zu fluten, benötigen Terrororganisationen wie die Hamas vor allem Bilder. "Oft genug nutzt die Hamas Bilder von echten, aktuellen Opfern, doch wenn gerade keine verfügbar sind, greift sie auf Bilder von Puppen oder anderen Konflikten zurück", so Hardinghaus. "Wichtig ist einzig der Effekt."

Mit dem Streuen von immer neuen Bildern – echten wie gefälschten – beabsichtige die Hamas dabei auch, den bestehenden Antisemitismus zu befeuern. "Ein Ziel islamistischer Propaganda ist es, das alte Narrativ der Juden als Kindermörder zu befeuern. Dabei handelt es sich um ein antisemitisches Stereotyp, das auch von den Nazis und davor schon von fundamentalen Christen genutzt wurde. Nun bedient sich der moderne Islamismus daran."

Hardinghaus sieht darin eine große Gefahr. Denn letztlich sei es fast egal, ob nachgewiesen werde, dass eine Nachricht falsch gewesen sei. Wenn sie nur weit genug verbreitet worden sei, bleibe immer auch etwas von der Behauptung hängen.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Christian Hardinghaus
  • sueddeutsche.de: "Die Wahrheit wird vielleicht niemals aufgedeckt"
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