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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kims neues U-Boot Atomare Bedrohung aus der Tiefe
Nordkorea kann jetzt wohl Atomwaffen von einem U-Boot aus abfeuern. Unbesiegbar ist die "Held Kim Kun Ok" nicht, aber Diktator Kim Jong Un plant schon weiter.
Die USA und ihre Verbündeten in Ostasien dürften den Kurs der "Held Kim Kun Ok" genau verfolgen. Nordkoreas erstes atomwaffenfähiges U-Boot ist in dieser Woche vom Stapel gelaufen, bei einem Staatsakt unter den Augen von Machthaber Kim Jong Un. Der Diktator vergrößert damit sein nukleares Drohpotenzial, und die "Held Kim Kun Ok" soll nur der Anfang sein.
Nordkorea könnte bis zu 86 U-Boote haben, schätzt die US-Denkfabrik Nuclear Threat Initiative. Kim Jong Un kündigte an, die Ausrüstung der Flotte mit Atomwaffen voranzutreiben. Dazu müssen die U-Boote aber umgebaut werden. Bei der "Held Kim Kun Ok" handelt es sich offenbar um ein stark abgewandeltes U-Boot der Romeo-Klasse, eines sowjetischen Designs aus den 1950er-Jahren. Das berichtet der U-Boot-Experte H I Sutton. Schon 2019 hatte das Regime Fotos vom Umbau des U-Boots in einem nordkoreanischen Trockendock veröffentlicht.
Kims U-Boot kann mehrere Atomraketen tragen
"Die wichtigste Veränderung ist wohl der Anbau eines Raketendecks mit insgesamt zehn Abschussrampen", schreibt Sutton jetzt im Fachmagazin "Naval News". "Nordkorea hat viel in sein Raketenprogramm investiert, daher ist anzunehmen, dass die Abschussrampen für atomwaffenfähige Raketen bestimmt sind." Auf Bildern von der "Held Kim Kun Ok" hat Sutton entdeckt, dass es vier größere und sechs kleinere Abschussrampen gibt.
Die größeren Abschussrampen könnten für Mittelstreckenraketen vom Typ Pukguksong bestimmt sein, glaubt Sutton. Diese Raketen sind für den Einsatz auf Schiffen und U-Booten konzipiert, können Nuklearsprengköpfe tragen und haben je nach Version eine Reichweite zwischen 650 und 2.000 Kilometer. Die kleineren Abschussrampen könnten laut H I Sutton für Kurzstreckenraketen oder Marschflugkörper vom Typ Hwasal-2 bestimmt sein. Auch diese Waffe kann nuklear bestückt werden und hat nach Schätzung des japanischen Verteidigungsministeriums eine Reichweite von etwa 1.500 Kilometern.
Dutzende Atomsprengköpfe im Arsenal
Nordkorea arbeitet schon seit Jahren daran, atomwaffenfähige Trägerraketen von U-Booten aus abfeuern zu können. Das würde dem abgeschotteten Land die Fähigkeit zum Zweitschlag geben: Selbst nach einem verheerenden Angriff auf das Festland wären die U-Boote immer noch in der Lage, Nuklearwaffen abzufeuern. Das erhöht die abschreckende Wirkung der Atomwaffen enorm. Der Konflikt auf der Halbinsel ist ein Relikt des Koreakriegs von 1950 bis 1953, der zur Teilung des Landes führte. Die USA unterstützen Südkorea und haben dort 30.000 Soldaten stationiert, Nordkorea dient wiederum China und Russland als Pufferstaat gegen die US-Truppen.
Den ersten Atomsprengkopf testete Nordkorea im Oktober 2006. Im Jahr 2021 schätzten US-Forscher das nordkoreanische Arsenal auf etwa 50 Sprengköpfe. Zugleich hat Machthaber Kim den Ausbau des Raketenprogramms vorangetrieben, mutmaßlich mit Unterstützung aus Russland und China. Die nordkoreanischen Raketen sind oft weiterentwickelte Modelle aus diesen Ländern. Jedes Jahr gibt es Dutzende Raketentests, mit der Hwasong-15 verfügt Nordkorea sogar über eine Interkontinentalrakete. Sie hat eine Reichweite von etwa 13.000 Kilometern und könnte mit einem Atomsprengkopf bestückt die USA treffen.
"Noch keine glaubhafte Zweitschlagfähigkeit"
Eine unmittelbare Bedrohung für das amerikanische Festland ist das neue U-Boot wohl nicht. "Selbst wenn Nordkorea jetzt Atomwaffen von U-Booten abschießen kann, ein oder zwei Schiffe sind noch keine glaubhafte Zweitschlagfähigkeit", schreibt das Fachmagazin "The War Zone". "Außerdem sind diese alten U-Boote nach heutigen Standards ziemlich laut und werden vom ersten Moment an verfolgt werden." Angetrieben werden U-Boote der Romeo-Klasse von einem dieselelektrischen Motor. Unter Wasser erzeugen sie zwar weniger Geräusche als ein atomgetriebenes U-Boot, müssen dafür aber häufiger auftauchen.
Für Nachbarländer wie Südkorea und Japan dürfte die Bedrohungslage durch die neuen nordkoreanischen Fähigkeiten aber zunehmen. Auch die US-Marine im Westpazifik wird wohl stärker gefordert sein – durch häufigere Patrouillen und die genaue Verfolgung der nordkoreanischen U-Boote.
Machthaber Kim droht immer wieder mit einer militärischen Eskalation in der Region und hat angekündigt, sein Atomwaffenarsenal auszubauen. Washington und Seoul warnen seit Monaten, dass Nordkorea bald wieder eine Atomwaffe testen könnte. Es wäre der erste Test dieser Art seit 2017. Unklar ist, ob die "Held Kim Kun Ok" die Erwartungen des Diktators erfüllen kann: "Der nächste Meilenstein für dieses ziemlich einzigartige Boot wird der erste Testabschuss einer Rakete von Bord aus sein", schreibt "The War Zone". "Und ob es diesen Test übersteht."
- navalnews.com: North Korea’s New Submarine Carries 10 Nuclear Missiles (englisch)
- thedrive.com: North Korea’s Diesel-Electric Ballistic Missile ‘Frankensub’ Emerges (englisch)
- zeit.de Nordkorea weiht erstes taktisches Atom-U-Boot ein
- fas.org: Status Of World Nuclear Forces (englisch)
- mod.go.jp: Recent Missile & Nuclear Development of North Korea