Neue Umfrage in Großbritannien Sieben Jahre danach: Viele Briten enttäuscht vom Brexit
Sieben Jahre nach dem Brexit-Referendum wollen viele Briten zurück in die Europäische Union. Das liegt auch am empfundenen Versagen der britischen Regierung.
Die Stimmung in Großbritannien ist gedämpft, wenn es um den Brexit geht. Sieben Jahre nach dem Referendum wünscht sich eine Mehrheit der Briten eine Rückkehr in die EU. Laut dem Politikwissenschaftler John Curtice sprachen sich in aktuellen Umfragen durchschnittlich 59 Prozent der Menschen im Vereinigten Königreich für einen Wiedereintritt aus.
Trotz dieses Stimmungsumschwungs kann man jedoch nicht wirklich von "Bregret", einer Mischung aus "Brexit" und "Reue", sprechen. Denn immer noch würden drei Viertel der damaligen Brexit-Wähler bei einer erneuten Abstimmung die gleiche Entscheidung treffen, betont Curtice. Die Meinungen zum Brexit sind also tief verwurzelt.
Mehrheit hält Brexit für Misserfolg
Eine Umfrage im Auftrag des Tony-Blair-Instituts ergab, dass gut ein Drittel der Befragten (36 Prozent) mit dem aktuellen Status quo einverstanden ist und nicht zur EU zurückkehren möchte. 34 Prozent sind weiterhin der Meinung, dass der Austritt richtig war. Der von Tony Blair gegründete Thinktank betonte, dass insbesondere junge Menschen, die jetzt wahlberechtigt sind, proeuropäischer eingestellt sind als ältere Wählergruppen.
Laut einer Umfrage im Auftrag der Londoner Denkfabrik UK in a Changing Europe betrachtet nur noch jeder Zehnte Brite den Brexit als Erfolg. Eine Mehrheit von 52 Prozent der Briten ist der Meinung, dass der Brexit kein Erfolg war, und genauso viele glauben, dass er der britischen Wirtschaft geschadet hat. Selbst unter denjenigen, die für den Austritt gestimmt haben, sind nur 18 Prozent mit dem Ergebnis zufrieden.
Unabhängig von der Meinung zum Brexit ist das Vertrauen in die Politiker im Land erschüttert. Laut der Umfrage haben drei Viertel der Befragten in den letzten Jahren das Vertrauen in britische Politiker verloren.
Unter Sunak haben sich London und Brüssel angenähert
Das Tony-Blair-Institut forderte die Regierung auf, freiwillig EU-Regeln für Produktstandards und Lebensmittelsicherheit anzunehmen. Dies könnte als Grundlage für Verhandlungen über eine engere Handelsbeziehung mit der EU dienen.
Unter dem amtierenden Premierminister Rishi Sunak haben sich London und Brüssel angenähert. Zur Zeit der Ex-Regierungschefs Boris Johnson und Liz Truss war das Verhältnis stark gestört. Allerdings steht die konservative britische Regierung weiter unter Druck von Hardlinern, die fordern, durch den Brexit erlangte Handlungsspielräume stärker auszunutzen und Gesetze aus Zeiten der Mitgliedschaft loszuwerden.
Handelsverluste lassen sich nicht wettmachen
Das Volk habe damals dafür gestimmt, die Kontrolle zurückzubekommen, twitterte der Tory-Abgeordnete John Redwood. Die schottische Regionalregierung betonte, der Brexit habe dem nördlichsten britischen Landesteil schwer geschadet. Der einzige Weg, "diesen Schaden sinnvoll umzukehren und die zuvor erlebten Vorteile Schottlands wiederherzustellen, besteht darin, dass ein unabhängiges Schottland wieder der Europäischen Union beitritt", betonte der zuständige Minister Angus Robertson. Eine deutliche Mehrheit der Schotten hatte 2016 gegen den Brexit gestimmt.
Bisher gelang es London nicht, Abkommen zu schließen, die die Verluste im Handel mit der EU wettmachen. Auch das Versprechen, nach dem Brexit würden weniger Menschen nach Großbritannien einwandern und dadurch automatisch besser bezahlte Jobs für Briten entstehen, ging nicht auf. Die Migration nahm zu. Allerdings dürfte eine öffentliche Debatte ausbleiben. Wie UK in a Changing Europe ermittelte, will eine Mehrheit (54 Prozent) von dem Thema Brexit einfach nichts mehr hören.
- Nachrichtenagentur dpa