Ukraine kämpft ums Überleben Müder Selenskyj dankt seinen Partnern – nur einem Land nicht

Am dritten Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine versucht Wolodymyr Selenskyj, Optimismus zu verbreiten. Doch der Präsident wirkt müde.
Der umstrittene Rohstoffdeal zwischen der Ukraine und den USA soll Medienberichten zufolge nach tagelangem Ringen unterschriftsreif sein. Beide Seiten haben sich demnach auf Details eines Vertrags geeinigt. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es bisher nicht.
Die Ukraine hatte ein entsprechendes Angebot der USA und ihres Präsidenten Donald Trump mehrere Wochen unbeantwortet gelassen. Nun sieht sich das Land offenbar gezwungen, den für die USA lukrativen Deal doch zu unterschreiben. Neben den für Hochtechnologieprodukte wichtigen Seltenen Erden geht es um den Zugriff der USA auf ukrainisches Öl und Gas.
Trump fordert das Abkommen als Ausgleich für die bislang geleistete militärische Unterstützung der USA im Kampf der Ukraine gegen den völkerrechtswidrigen Überfall Russlands. Es scheint sich nun herauszustellen, dass sich Kiew genötigt sieht, dem Handel zuzustimmen, weil es ansonsten in seinem Überlebenskampf entscheidend ins Hintertreffen geraten könnte.
Selenskyjs Videoansprache: müder wirkender Präsident
Insidern zufolge hatte die Regierung in Washington eine Abschaltung des Satelliten-Internetsystems Starlink von Elon Musk ins Gespräch gebracht, sollte es keine Einigung geben. Das System gilt als ein wichtiger Stützpfeiler für das ukrainische Militär. Starlink gehört zu SpaceX, einem der Konzerne des Tesla-Chefs und Trump-Beraters Musk.
Zu den Staats- und Regierungschefs, die offen Kritik am Vorgehen der US-Regierung und dem nun erzielten Deal äußern, zählt der Bundeskanzler. Scholz hatte Anfang Februar im Zusammenhang mit Äußerungen Trumps gesagt, es "wäre sehr egoistisch, sehr selbstbezogen", wenn man die Ressourcen der Ukraine nutzen würde, um die Unterstützung bei der Verteidigung zu finanzieren.
Zudem verwies Scholz darauf, dass sich auch Deutschland nicht für die Unterstützung der angegriffenen Ukraine bezahlen lasse. "Das sollte die Haltung aller sein", sagte er. Auch die Vorgängerregierung in Washington unter Präsident Joe Biden hatte die Unterstützung der Ukraine mit ihrem Kampf um ihre Freiheit und Unabhängigkeit begründet.
Selenskyj dankte Scholz am Telefon
In seiner abendlichen Videobotschaft verlor Selenskyj kein Wort über die angebliche Einigung mit den USA. Er dankte nach den Veranstaltungen zum dritten Jahrestag des Kriegsbeginns den Verbündeten für ihre Hilfe. Selenskyj wirkte in dem Video müde und blass. Hatte er noch vor wenigen Wochen bei seinen allabendlichen Ansprachen kämpferisch in die Kamera geschaut, meist im khakifarbenen Militärhemd und mit wachem Blick, schien er nun erschöpft. Dennoch versuchte er auch am dritten Jahrestages des Kriegsbeginns Optimismus zu verbreiten, indem er auf die breite Unterstützung der westlichen Alliierten verwies.
Die internationalen Partner setzten ihre Unterstützung für die Ukraine nicht nur fort, sondern wollten sie noch ausweiten, sagte der ukrainische Regierungschef. Dann zählte er die militärischen Hilfspakete auf, die die europäischen Partner, aber auch internationale Verbündete wie Australien und Neuseeland angekündigt oder schon bereitgestellt haben. Selenskyj nannte dabei Großbritannien, Norwegen, Spanien, die baltischen Länder und andere. Sie seien wichtige Partner, um den Kampf der Ukraine für die eigene Unabhängigkeit und eine gerechte Weltordnung, in der das menschliche Leben einen Wert hat, zu sichern.
Er dankte auch dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der im Weißen Haus bei einem Treffen mit Trump um weitere US-Unterstützung für die Ukraine gebeten hatte. "Die Ukraine sieht, wie viel Frankreich tut für unsere gemeinsame Zukunft", erklärte Selenskyj nach einem Telefonat mit Macron. Er erwähnte in seiner Ansprache fast alle wichtigen Partnerländern – Deutschland aber nicht.
Scholz kritisiert den Rohstoff-Deal Trumps
Durch den bevorstehenden Regierungswechsel herrscht derzeit Ungewissheit in der deutschen Außenpolitik. Zudem hatte es kurz vor der Bundestagswahl Streit zwischen den aktuell noch regierenden Koalitionspartnern SPD und Grünen über die Ukrainepolitik gegeben. Die Grünen hätten gern noch vor der Wahl ein drei Milliarden Euro schweres zusätzliches Hilfspaket für die Ukraine beschlossen. Doch die SPD um Kanzler Scholz hatte dies mit Verweis auf die angespannte Haushaltslage abgelehnt.
Deutschland ist nach den USA das größte Geberland der Ukraine. Seit Februar 2022 hat die Regierung in Berlin mehr als 37 Milliarden Euro an Kiew zur Verfügung gestellt. Erst vor wenigen Tagen hatte Selenskyj allerdings mit dem geschäftsführenden Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) telefoniert und sich bei diesem für die fortwährende Unterstützung bedankt.
Selenskyj gratulierte Merz
Nach dem Wahlsieg der Union bei der Bundestagswahl hatte Selenskyj dem CDU-Chef Friedrich Merz gratuliert. "Das ist ein klares Votum der Wählerinnen und Wähler – und wir sehen, wie wichtig das für Europa ist", schrieb Selenskyj auf Deutsch auf der Plattform X. "Wir zählen auf die weitere Zusammenarbeit mit Deutschland, um Leben zu schützen, echten Frieden in die Ukraine zu bringen und Europa zu stärken", schrieb der ukrainische Staatschef.
Merz hatte sich immer wieder für eine starke Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen den russischen Aggressor ausgesprochen. Auch plädierte Merz im Gegensatz zu Olaf Scholz früh für eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern.
- bundesregierung.de: Bundeskanzler Scholz telefoniert mit dem ukrainischen Staatspräsidenten Selenskyj
- dw.com: Deutschland streitet über Hilfe für Ukraine
- spiegel.de: Jahrestag des russischen Angriffskriegs. Merz fordert Einbindung Kyjiws in Friedensgespräche
- merkur.de: Eskalationsbereit? Was Merz‘ Wahlsieg für die Ukraine bedeutet
- Mit Material der Nachrichtenagenturen Reuters und dpa