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Amnesty International kritisiert westliche Doppelmoral


Mahnung an Deutschland
Amnesty International kritisiert westliche Doppelmoral

Von dpa
28.03.2023Lesedauer: 3 Min.
Agnes Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International (Archivbild): Ihre Organisation kritisiert den Westen.Vergrößern des Bildes
Agnes Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International (Archivbild): Ihre Organisation kritisiert den Westen. (Quelle: Laurent Gillieron)

Amnesty International hat dem Westen einen Mangel an Maßnahmen gegen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Kritik gibt es auch an China und Iran.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft westlichen Ländern Doppelmoral vor. Gegen Gegner wie Russland werde hart vorgegangen, bei Verbündeten sei das anders, ist eine Essenz aus dem Jahresbericht 2022/2023, der am Montagabend vorgelegt wurde. "Die entschlossene Reaktion des Westens auf Russlands Aggression gegen die Ukraine steht in scharfem Kontrast zu einem beklagenswerten Mangel an sinnvollen Maßnahmen gegen schwerwiegende Verletzungen durch einige ihrer Verbündeten, darunter Israel, Saudi-Arabien und Ägypten", kritisierte die Menschenrechtsorganisation.

Scharfe Kritik gab es auch am brutalen Vorgehen der iranischen Regierung gegen Demonstranten sowie an Einschüchterungsversuchen mit Gewalt und Drohungen aus China.

"Westen misst mit zweierlei Maß"

"Russlands Invasion in der Ukraine ist ein erschreckendes Beispiel dafür, was passieren kann, wenn Staaten glauben, sie könnten internationales Recht missachten und Menschenrechte ohne Konsequenzen verletzen", sagte Amnesty-Generalsekretärin Agnès Callamard. "Die Reaktionen auf Russlands Invasion in der Ukraine haben uns gezeigt, was getan werden kann, wenn der politische Wille vorhanden ist." Diese Maßnahmen mit harten Sanktionen müssten eine Blaupause sein für den Umgang mit anderen Menschenrechtsverletzungen.

Dass der Westen mit zweierlei Maß messe, habe es etwa China, Ägypten und Saudi-Arabien ermöglicht, Kritik an ihrer Menschenrechtsbilanz zu umgehen, betonte Amnesty. Doppelmoral und unangemessene Reaktionen auf Menschenrechtsverletzungen hätten auf der ganzen Welt zu Straflosigkeit und Instabilität geführt. Konkret nannte Amnesty "ohrenbetäubendes Schweigen zur Menschenrechtsbilanz Saudi-Arabiens, Untätigkeit gegen Ägypten und die Weigerung, dem israelischen System der Apartheid gegen die Palästinenser entgegenzutreten".

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AI Deutschland: Vor der eigenen Tür kehren

Der Generalsekretär von Amnesty International Deutschland, Markus Beeko, sagte, der russische Krieg in der Ukraine wirke wie ein Brandbeschleuniger, der negative menschenrechtliche Entwicklungen verstärke. "Wer die Einhaltung der Menschenrechte gegenüber anderen Ländern einklagt und einfordert, der muss ebenso vor der eigenen Tür kehren", forderte er von Deutschland und der Europäischen Union (EU).

Beeko lobte die Aufnahme von mehr als einer Million Menschen aus der Ukraine durch Deutschland als gut und wichtig. Doch Menschen Schutz zu gewähren, bedeute auch, die Ressourcen dafür bereitzustellen, dass sie gut untergebracht würden und am gesellschaftlichen Leben teilhaben könnten. "Die Kommunen müssen hierfür vom Bund dauerhaft unterstützt werden", forderte er. Es dürfe zudem "keine Doppelstandards" geben. "Die unbürokratische Hilfe für Menschen aus der Ukraine sollte eine Blaupause für den Umgang mit Schutzsuchenden aus allen Teilen der Welt sein", verlangte Beeko.

Hervorstechende Entwicklungen Protest und Flucht

Protest und Flucht seien 2022 hervorstechende Entwicklungen gewesen, sagte Beeko. So hätten Sicherheitsbehörden in 85 der von Amnesty International betrachteten 156 Länder unrechtmäßige Gewalt gegen Protestierende eingesetzt. In 35 Ländern seien sie mit tödlichen Waffen vorgegangen, und in 33 Ländern sei es zu Tötungen gekommen. Zudem seien in 79 Ländern Aktivistinnen und Aktivisten willkürlich festgenommen worden. In 29 Ländern sei das Recht auf friedlichen Protest eingeschränkt worden. Weltweit seien im vergangenen Jahr 103 Millionen Menschen auf der Flucht gewesen. Das seien 20 Millionen mehr als 2021, so viele wie nie zuvor, bilanzierte Beeko.

Kritik an Einschränkungen von Versammlungsfreiheit

Gerade vor dem Hintergrund weltweit zunehmender staatlicher Gewalt gegen Protestbewegungen sei es wichtig, dass die Versammlungsfreiheit in Deutschland ein hohes Gut bleibe, mahnte Beeko. Deshalb sehe Amnesty "mit Sorge, dass mehr und mehr Bundesländer repressive Versammlungsgesetze erlassen, die das Recht auf friedlichen Protest einschränken und die Befugnisse der Polizei ausweiten, etwa in Nordrhein-Westfalen, Bayern und zuletzt in Hessen". Beeko forderte von der Bundesregierung und der EU zudem, die Entwicklung, den Verkauf und den Export von biometrischen Überwachungstechniken zu verbieten. Solche Technologien würden etwa im Iran oder Russland eingesetzt, um Protestierende zu verfolgen.

Amnesty kritisierte auch, dass unzureichende Ermittlungen bei Vorwürfen über diskriminierende Personenkontrollen (Racial Profiling) in Deutschland das Recht auf Nichtdiskriminierung verletzt hätten.

Aktivistin: Sanktionen gegen Iran nicht zielführend

Mariam Claren, Aktivistin und Tochter der im Oktober 2020 im Iran festgenommenen iranisch-deutschen Frauenrechtlerin Nahid Taghavi, äußerte sich eher unzufrieden mit der deutschen Reaktion auf den gewalttätigen Umgang der iranischen Führung mit den aktuellen Protesten im Land. Zwar sehe man "deutliche Reaktionen". So habe die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) gemeinsam mit Island eine Sondersitzung des UN-Menschenrechtsrats initiiert, woraufhin eine Resolution verabschiedet worden sei.

Dennoch seien viele Sanktionen gegen Iran nicht zielführend, bemängelte Claren. Es würden immer wieder Einzelpersonen sanktioniert. "Aber ich habe nicht das Gefühl, dass es seitens der Bundesregierung eine klare Linie zur neuen Iranpolitik, die es meines Erachtens benötigt, gibt." Im Vergleich mit anderen Ländern gebe es aus Deutschland zwar "ein wenig mehr Reaktionen. Aber von zufrieden kann nicht die Rede sein", sagte sie.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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