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Ukraine-Krieg | Leopard 2-Panzer aus Polen? "Ein Gewaltiger Tabubruch"


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Diskussion um Leopard 2
"Das ist ein gewaltiger Tabubruch"


Aktualisiert am 23.01.2023Lesedauer: 4 Min.
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Begehrtes Kriegsgerät: Aufnahmen zeigen die Kampfkraft des Leopard II. (Quelle: t-online)
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Außenministerin Baerbock würde eine polnische Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine nicht blockieren wollen. Doch ist eine Abgabe über Dritte so einfach?

Annalena Baerbock (Grüne) hat sich im Streit um die Leopard-Panzer vorgewagt: Sollten Länder, die das deutsche Panzermodell besitzen, sich entscheiden, diese an die Ukraine zu liefern, würde Deutschland das nicht blockieren, sagte sie am Sonntag dem französischen TV-Sender LCI. "Im Moment ist die Frage noch nicht gestellt worden, aber wenn wir gefragt würden, würden wir nicht im Weg stehen", so die Bundesaußenministerin.

Ähnlich hatte sich zuvor auch Parteikollege und Vizekanzler Robert Habeck geäußert. Mittlerweile hat der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki angekündigt, man wolle eine Ausfuhrgenehmigung für die Panzer beantragen.

Am Montag wiederholte Baerbock ihre Forderung nicht noch einmal – ihr Chef Olaf Scholz ist in der Frage ohnehin bisher zurückhaltender. Man handle nur eng abgestimmt mit westlichen Partnern, teilte der Kanzler am Wochenende bei seinem Besuch in Paris mit. Doch wie genau läuft ein Genehmigungsverfahren der Panzer in der Bundesregierung überhaupt ab? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen.

Welche Länder wollen Leopard-Panzer an die Ukraine liefern?

Allen voran Polen. Man wolle notfalls zusammen mit anderen Ländern eine "kleinere Koalition" bilden, teilte Ministerpräsident Morawiecki am Wochenende mit. Welche Staaten dieser "kleineren Koalition" angehören, ist derzeit noch unklar.

Vom polnischen Verteidigungsministerium heißt es, man habe in Ramstein Gespräche mit Vertretern von 15 Ländern geführt, die Leopard-Panzer einsetzen. Diese könnten nach gemeinsamen Absprachen in die Ukraine überführt werden. Offenbar ist Polen bereit, innerhalb der Allianz 14 seiner 247 Leopard-Panzer abzugeben. Auch Finnland, das rund 200 Leopard-2-Panzer besitzt, erklärte bereits, liefern zu wollen, falls Deutschland dem zustimme.

Lettland, Estland und Litauen riefen Deutschland am Wochenende dazu auf, rasch Leopard-Kampfpanzer für die Ukraine freizugeben. Die drei baltischen Staaten besitzen selbst allerdings keine entsprechenden Modelle. Gleiches gilt für Großbritannien, das allerdings bereits die Lieferung von 14 Challenger-2-Panzern verkündete. Auch aus Spanien verlautbarte es noch im Sommer, man könne möglicherweise ältere Leopard-Panzer abgeben. Das sei zurzeit aber kein Thema mehr, sagte Außenminister José Manuel Albares kürzlich auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos.

Klar dürfte allerdings auch sein, dass aus ukrainischer Sicht die vorgeschlagenen Mengen bei Weitem nicht ausreichen. Der Oberkommandant der ukrainischen Streitkräfte, Walerij Saluschnyj, machte im Dezember deutlich, in welcher Größenordnung die Ukraine Waffen benötigen würde, um Russland zu besiegen: Man bräuchte 300 nicht weiter definierte Panzer, 600 bis 700 Schützenpanzer und 500 Haubitzen, sagte Saluschnyj in einem Interview mit dem "Economist".

Warum muss Deutschland überhaupt einer Lieferung zustimmen?

Weil es das Grundgesetz vorschreibt. In Artikel 26 Absatz 2 heißt es, dass Waffen zur Kriegsführung in Deutschland nur mit Genehmigung der Bundesregierung "hergestellt, gefördert und in Verkehr" gebracht werden dürfen. Grundsätzlich gilt also: Ohne die Zustimmung der Bundesregierung geht in der deutschen Rüstungsindustrie nichts.

Das gilt auch, wenn Waffen wie etwa Panzer sich nicht mehr in Deutschland befinden, aber aus deutscher Produktion stammen. Empfängerländer wie beispielsweise Polen müssen Deutschland vor Erwerb der Waffen in einer Erklärung zusichern, dass sie ohne deutsche Genehmigung nicht mehr den Besitzer wechseln. Seit 2015 darf die Bundesregierung vor Ort Kontrollen durchführen, um zu prüfen, ob die Bestimmungen tatsächlich eingehalten werden.

Wie läuft der Genehmigungsprozess ab?

Grundsätzlich muss zunächst eine Voranfrage gestellt werden, wenn ein Rüstungsunternehmen oder ein Staat daran interessiert ist, deutsche Waffen weiterzugeben. Die polnische Regierung hat am Montag etwa angekündigt, eine Genehmigung für den Export von Leopard-Panzern beantragen zu wollen. Verantwortlich für die Kontrolle und Genehmigung von Rüstungsexporten ist das Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz von Vizekanzler Robert Habeck (Grüne).

Das bedeutet allerdings nicht, dass Habecks Haus allein über Waffenexporte entscheiden kann. Laut dem Ministerium trifft bei "besonders bedeutenden Ausfuhrvorhaben" der Bundessicherheitsrat die Entscheidung: Vorsitzender ist dort der Bundeskanzler. Ständige Mitglieder des Rats sind zudem mehrere Bundesminister (Kanzleramtschef, Verteidigungs-, Außen-, Innen-, Finanz-, Justiz- und der Wirtschaftsminister sowie die Ministerin für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). Zusätzlich anwesend sind der Chef des Bundespräsidialamtes und der Generalinspekteur der Bundeswehr als Beobachter.

Der Ausschuss tagt grundsätzlich geheim. Deshalb erfährt die Öffentlichkeit auch nicht, wann das Gremium zusammenkommt oder ob in der Vergangenheit Anträge für Waffenlieferungen abgelehnt wurden.

Was passiert, wenn Polen die Panzer ohne Genehmigung liefert?

Völlig geräuschlos würde eine solche Weitergabe wohl nicht ablaufen, obwohl Habeck und Baerbock grundsätzlich keine Einwände haben. "Werden im Rahmen der Vor-Ort-Kontrollen Unregelmäßigkeiten festgestellt, wird der Drittstaat grundsätzlich von einer Belieferung mit weiteren Kriegswaffen und kriegswaffennahen sonstigen Rüstungsgütern ausgeschlossen", heißt es vom Wirtschaftsministerium. Kurz gesagt: Wer sich nicht an die deutschen Vorgaben hält, wird künftig keine Waffen aus deutscher Produktion mehr erhalten.

Das könnte auch bei der aktuell diskutierten Weitergabe von Panzern Konsequenzen haben, glaubt Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). "Deutschland würde möglicherweise keine Ersatzteile mehr exportieren", sagt der Militärexperte im Gespräch mit t-online. Dadurch könnte das ukrainische Militär schnell Probleme bei der Wartung der Panzer bekommen.

Mölling befürchtet zudem einen diplomatischen Schaden, falls sich ein Land über die deutschen Exportvorgaben hinwegsetzt: Die Weitergabe der Leopard-Panzer klinge zwar "einfach, aber das ist ein gewaltiger Tabubruch". Der Experte fürchtet, dass eine solche Entscheidung einen Keil zwischen die westlichen Staaten treiben könnte. "Das Land, das von diesem Bruch profitiert, ist in erster Linie Russland."

Verwendete Quellen
  • Interview mit Christian Mölling
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen: Reuters, AFP, dpa
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