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Putin-Verbündeter Serbien steckt Balkan in Brand: Im Auftrag des Kremls?


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Angst vor neuem Krieg
In Putins Auftrag? Serbien zündelt am Balkan


Aktualisiert am 15.01.2023Lesedauer: 6 Min.
Zuletzt besuchte Putin Serbien im Jahr 2019: In der serbischen Bevölkerung ist der russische Präsident beliebt – trotz seiner Invasion in der Ukraine.Vergrößern des Bildes
Zuletzt besuchte Putin Serbien im Jahr 2019: In der serbischen Bevölkerung ist der russische Präsident beliebt – trotz seiner Invasion in der Ukraine. (Quelle: Mikhail Klimentyev/imago-images-bilder)
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Die Provokationen Serbiens wecken Sorgen vor einem erneuten Krieg im Balkan. Die Unruhe ist kein Zufall: Russland nutzt seinen Einfluss, um die Region zu destabilisieren.

Es sind martialische Bilder, aufgenommen in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo: Im Stechschritt marschieren Hunderte Paramilitärs und Polizisten auf. Sie tragen Maschinenpistolen in der Hand, neben ihnen rollen gepanzerte Wagen durch den Ostteil der Stadt.

Was auf den ersten Blick anmutet wie eine gewöhnliche Militärparade, birgt auf den zweiten politischen Sprengstoff: Mit dem Aufmarsch feiern die Männer den Gründungstag der sogenannten Republik Srpska 1992 – und das, obwohl das bosnische Verfassungsgericht den Marsch zuvor untersagt hatte.

Die, die dort am 9. Januar vor den Augen des serbischen Außenministers aufmarschierten, gehören zu der serbischen Entität Bosniens. Ihre Veranstaltung ist für die bosnische Regierung eine maximale Provokation, wird dabei doch ein Tag gefeiert, der als Auslöser für den Bosnienkrieg gilt, in dessen Verlauf vor allem Serben unter ihrem Führer Radovan Karadžić zahlreiche Massaker an den muslimischen Bosniern begangen.

Der Tag und der Marsch zeigen: Auf dem Balkan brodelt es. Wieder einmal. Serbien zündelt in der Region – und erhält dabei offenbar Rückendeckung aus Moskau. Am Ende profitiert von der Unruhe vor allem einer: Wladimir Putin.

Seit Jahren ist der Westbalkan eine politisch äußerst schwierige Region. Nicht nur in Bosnien und Herzegowina, sondern auch im Kosovo sorgt Serbien für Unruhe. Dort eskalierte die Situation Ende Dezember beinahe, als sich serbischstämmige Bürger dem Staat widersetzten, Straßensperren errichteten – mit freundlicher Unterstützung der serbischen Regierung. Diese zog Militärgerät nahe dem Nachbarland zusammen, schickte den Armeechef an die Grenze, warnte vor einem "bewaffneten Konflikt". Mehr dazu lesen Sie hier.

Dabei handelt es sich nicht nur um einen Konflikt zwischen zwei verfeindeten Nachbarstaaten. Vielmehr scheint es so, als setze der EU-Beitrittskandidat Serbien im Balkan derzeit ganz bewusst auf Provokation – mit Rückendeckung aus Moskau.

"Kopf in Brüssel, Herz in Moskau"

Erstaunlich wäre das kaum. Nicht erst seit Russlands Überfall auf die Ukraine betreibt Serbien eine Pendelpolitik zwischen der Europäischen Union und Russland. Auf der einen Seite ist das Land EU-Beitrittskandidat, die EU sein wichtigster Handelspartner, an dessen Seite Serbien bei den Vereinten Nationen für die Verurteilung des russischen Angriffskrieges in der Ukraine stimmte.

Auf der anderen Seite steht Serbien ideologisch dem Kreml deutlich näher, hält etwa enge wirtschaftliche Beziehungen. So weigerte sich Präsident Alexander Vučić etwa, sich den Sanktionen gegen Russland anzuschließen – sehr zum Ärger der EU.

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"Vučić versucht, mit den großen Machtblöcken der nördlichen Hemisphäre, also dem Westen, China und Russland, zusammenzuarbeiten und dabei seinem Land eine Bedeutung zu geben, die ihm eigentlich weder politisch noch wirtschaftlich zukommt", sagt Oliver Jens Schmitt, Osteuropa-Historiker an der Universität Wien und Direktor der Balkanforschung bei der österreichischen Akademie der Wissenschaften.

In diesem Zusammenhang sieht der Experte auch die jüngsten Provokationen in Bosnien und Herzegowina sowie im Kosovo, die er als "Störmanöver" bezeichnet. "Vučić dreht deutlich an der Eskalationsspirale", sagt Schmitt. Dafür nutzt er gezielt die serbischstämmige Bevölkerung in den Nachbarländern, wie jüngst im Kosovo und in Bosnien und Herzegowina. "Diese Diaspora ist in ihrer Mehrheit ein fatales Element, weil sie den serbischen Ultranationalismus unterstützt, auch gewaltsam, wie Ausschreitungen in Wien wiederholt zeigten."

Seit dem Zerfall Jugoslawiens gibt es im Balkan viele kleinere Staaten mit starken nationalistischen Strömungen – besonders stark fällt das in Serbien aus. Und es sind die serbischen Nationalisten, die die EU und die Nato leidenschaftlich hassen. Dafür feiern sie Wladimir Putin, der in Serbien teilweise Heldenstatus genießt.

In der Hauptstadt Belgrad gibt es etwa Wladimir-Putin-Graffitis. Cafés sind nach ihm benannt, eine Brandy-Sorte, eine Kirche, sogar ein ganzes Dorf trägt den Namen des russischen Präsidenten. 80 Prozent der Serben sind laut Umfragen prorussisch eingestellt, immerhin knapp die Hälfte der Bevölkerung unterstützt den russischen Krieg in der Ukraine – mit steigender Tendenz. Fragt man Menschen in Serbien, wie sie zu Russland und zur EU stehen, erhält man oft die Antwort: "Unser Kopf ist in Brüssel, aber unser Herz in Moskau."

Das hängt eng mit den serbischen Medien zusammen, die vor allem kremlnah berichten. Am Tag nach dem Angriff titelte eine Zeitung etwa: "Russischer Coup als Antwort auf die Drohungen der Nato". Es ist ein Spiegelbild der Politik des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić, der die Medien nach und nach auf Linie gebracht hat.

Russland ködert Serbien mit billigen Rohstoffen

Putin nutzt seine Beliebtheit in Serbien aus, um seinen Einfluss in dem Balkanstaat auszubauen. Russland verkauft billige Rohstoffe an Belgrad und rüstet die serbische Armee militärisch auf. Die Ölindustrie des Landes liegt quasi in russischen Händen, der größte serbische Gasspeicher Banatski Dvor gehört mehrheitlich dem russischen Staatskonzern Gazprom.

Im Süden Serbiens hat Russland zudem ein "Zentrum für Katastrophenhilfe" gebaut, wie es offiziell heißt. Westliche Regierungen allerdings gehen davon aus, dass es sich um ein Spionagezentrum und den Nukleus einer künftigen russischen Militärbasis handelt.

Diese Zusammenarbeit habe für beide Länder Vorteile, sagt Schmitt. "Serbien will von der russischen Militärtechnologie profitieren und Russland kann eine Militärbasis auf dem Westbalkan aufbauen – nur rund 100 Kilometer Luftlinie entfernt von der amerikanischen Basis Camp Bondsteel im Kosovo." Leicht dürfte eine dauerhafte militärische Präsenz in der gegenwärtigen Krise für Russland allerdings nicht werden. Russische Flugzeuge bekommen keine Genehmigung, über EU-Gebiet zu fliegen, Außenminister Sergej Lawrow konnte Serbien deswegen im Juni 2022 nicht wie geplant besuchen.

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Für besonderes Aufsehen sorgte darüber hinaus ein Gasdeal, der im Sommer – als längst die russischen Gräueltaten in der Ukraine bekannt waren – besiegelt wurde. Russland gewährte Serbien einen höchst freundschaftlichen Preis, der nach serbischen Angaben bei einem Drittel dessen lag, was andere europäische Staaten zu diesem Zeitpunkt zahlten.

Welche Versprechen Serbien Russland im Gegenzug machte – unklar. Und doch geben die Worte des serbischen Innenminister Aleksander Vulin nach dem Deal Aufschluss über die Haltung seines Landes: "Die Vereinbarung (...) ist ein Beweis dafür, wie sehr die Entscheidung Serbiens, sich nicht an der antirussischen Hysterie zu beteiligen, respektiert wird", und fügte hinzu: Man akzeptiere keine Befehle aus dem Westen.

"Russland versucht überall, die EU zu schwächen"

Fakt ist auch: Die Bedeutung Serbiens für Russland dürfte seit dem Angriff auf die Ukraine gestiegen sein. Die jüngsten Provokationen Serbiens gegenüber den Nachbarstaaten spielen Putin ebenfalls in die Karten. "Russland versucht überall, wo es nur irgend geht, die EU zu schwächen", sagt Balkanexperte Schmitt. "Und die Störmanöver Serbiens kommen da gerade recht."

Wie eng die Bande zwischen Russland und Serbien sind, zeigt sich auch in der Kosovo-Politik. Serbien betrachtet den Nachbarstaat bis heute als abtrünnige Provinz, und auch die russische Führung erkennt die Souveränität des Landes nicht an.

Diese enge Verbindung reicht weit in die Vergangenheit zurück: Während Russland Serbien im Kosovokrieg mit Waffen belieferte, bombardierte die Nato ab 1999 Belgrad – nachdem Menschenrechtsverletzungen und drohende ethnische Säuberungen durch die serbische Armee bekannt geworden waren.

Nach dem Jugoslawien-Krieg entstand nicht nur gegenseitiges Misstrauen auf dem Balkan, sondern es bildeten sich auch eine Reihe von fragilen Staaten – Bosnien ist da keine Ausnahme. Die Führung der serbischen Entität drängt dort längst auf eine Abspaltung, will ein "Großserbien" schaffen. Der Vertreter der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina, Christian Schmidt, bewertete die illegale Parade in der ARD-"Tagesschau" als ein "schleichendes Auseinanderbringen des Staates".

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Russland und Serbien profitieren von Eskalation

Auch rund um die jüngste Eskalation zwischen Serbien und Kosovo kamen Ängste auf, ein erneuter Krieg könne ausbrechen. Doch das scheint mit Blick auf Serbiens militärische Kapazitäten unwahrscheinlich. Die kleine Armee verfügt nur über 28.000 aktive Soldaten und 50.000 Reservisten.

Sie ist vor allem mit Panzern und Kampfflugzeugen ausgerüstet, die noch im ehemaligen Jugoslawien oder in der ehemaligen Sowjetunion hergestellt wurden. Im Kosovo hat hingegen die US-Armee einen Stützpunkt, der zu der Nato-geführten Mission KFOR gehört, die den Frieden in dem Land überwachen soll.

Und dennoch sind die vielen kleinen Eskalationen für Serbien und Russland nützlich.
Schmitt meint dazu: "Damit steigt auch die Aufmerksamkeit im Westen. Und das ist Vučićs politisches Kapital." Und der russische Präsident kann die fortwährende politische Instabilität im Balkan nutzen, um auch die EU zu destabilisieren.

"Es ist ein Punkt erreicht, an dem die EU es einfach nicht mehr hinnehmen kann, dass ein kleiner Regionalstaat sich dauernd mit Störmanövern in Szene setzt, die erheblichen Schaden anrichten können", sagt Balkanexperte Schmitt. Er bemängelt, in der EU sei noch immer der Glaube verbreitet, dass Serbien der Schlüssel zur Lösung der Probleme auf dem westlichen Balkan sei. "Das geht vor allem zulasten der Staaten, die in den 1990ern schon einmal Opfer serbischer Aggressionen waren."

Wie sehr sich Serbien in Szene setzt, zeigte ein Moment während der illegalen Parade in Bosnien und Herzegowina besonders deutlich. Milorad Dodik, Präsident der Republik Srpska, verlieh Putin in Abwesenheit feierlich den höchsten Orden. Für Schmitt ist klar: "So etwas geschieht nicht ohne die Zustimmung aus Belgrad."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Oliver Jens Schmitt
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