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Bei Bolsonaro-Niederlage: Bricht in Brasilien die Hölle los?


Wahl in Brasilien
Bricht die Hölle los, wenn Bolsonaro verliert?


Aktualisiert am 02.10.2022Lesedauer: 4 Min.
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Luiz Inacio Lula da Silva: Der ehemalige brasilianische Präsident hofft auch eine zweite Amtszeit. (Quelle: reuters)

Jair Bolsonaro droht als Präsident Brasiliens die Abwahl. Doch eine Niederlage will er nicht akzeptieren. Stehen dem Land unruhige Zeiten bevor?

Wie seine Zukunft aussieht, will Jair Bolsonaro schon ganz genau wissen. Es gebe drei Optionen, wie die Präsidentschaftswahl aus seiner Sicht für ihn enden könnte: als Sieger, mit dem Tod oder im Gefängnis – obwohl er an letzteres eher nicht glaube. "Ich habe vor niemandem auf der Welt Angst. Ich tue das Richtige. Ich schulde niemandem irgendwas", hatte er bereits vor rund einem Jahr seinen Unterstützern bei einem evangelikalen Treffen in der Stadt Goiânia zugerufen.

In den Tagen vor der Wahl wiederholt der brasilianische Präsident seine drei Optionen immer wieder. Mehr oder weniger unverhohlen will er damit verdeutlichen: Alles andere als ein Sieg wird der 67-Jährige nicht akzeptieren. Damit kopiert der Brasilianer wieder einmal den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Auch der sprach 2016 vor seiner Wahl ins Weiße Haus davon, dass er das Ergebnis der Abstimmung nur akzeptieren wird, wenn er gewinnt.

Wie Trump – nur schlimmer?

Was danach folgte, ist bekannt: Trump triumphierte und sorgte für vier chaotische Jahre, ehe er 2020 abgewählt wurde. Doch mit seinen wiederholten Behauptungen, er sei bei der vergangenen Wahl betrogen worden, peitschte er seine Anhänger so auf, dass sie am 6. Januar 2021 das Kapitol stürmten. Seine Mär von einer gestohlenen Wahl grassiert noch immer in konservativen Kreisen – ohne auch nur einen Beweis.

In Brasilien geht nun die Angst um, dass dem Land ein ähnliches Szenario droht, nur schlimmer: Wenn am Sonntag mehr als 156 Millionen Wahlberechtigte ihre Stimme abgeben, geht Bolsonaro nicht als Favorit ins Rennen. Umfragen sehen ihn mit großem Abstand auf Rang zwei – hinter dem linken Ex-Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva. Möglicherweise fährt Lula schon im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent der Stimmen ein, wodurch eine Stichwahl zwischen ihm und dem rechtsextremen Amtsinhaber am 30. Oktober entfallen würde.

Die schlimmste Befürchtung: Bolsonaro – der noch zu Zeiten der brasilianischen Militärdiktatur in die Armee eintrat – könnte mit Unterstützung der Soldaten das Wahlergebnis nicht nur anfechten, sondern einen Umsturz anzetteln. Könnte das Land tatsächlich in einen Bürgerkrieg schlittern?

"Sind alle besorgt"

"Wir sind alle besorgt, dass es zu Gewaltszenen kommen wird", sagt Mariana Llanos vom Hamburger Giga-Institut für Lateinamerika-Studien t-online. Denn auch in Brasilien seien die Bilder vom 6. Januar noch sehr präsent. Und dass Bolsonaro Trump bewundere, ist kein Geheimnis.

Dass der Rechtsextremist nicht erneut die Mehrheit der Wähler überzeugen könnte, liegt nicht nur an seinem populären Konkurrenten Lula, sondern auch an seinen vielen Misserfolgen: Konsequent verharmloste er etwa das Coronavirus, obwohl das Land mit den Infektionszahlen völlig überfordert war. Bis heute kamen mehr als 685.000 Menschen in Brasilien durch das Virus ums Leben, mehr starben weltweit nur in den USA.

Um die Impfstoffe kümmerte sich der Präsident trotzdem nur zögerlich – und das, obwohl in Brasilien generell eine extrem hohe Impfbereitschaft herrscht. Stattdessen streute Bolsonaro Verschwörungstheorien: "Wenn du dich in ein Krokodil verwandelst, wenn einer Frau ein Bart wächst oder ein Mann plötzlich mit hoher Stimme spricht, dann ist das einzig und allein dein Problem", sagte er etwa im Dezember 2020 in Bezug auf angebliche Nebenwirkungen des Biontech-Impfstoffes.

"Umwelt- und menschenfeindliche Politik"

Nicht weniger schlecht lautet seine Umweltbilanz: Im Regenwald sieht der Politiker kaum mehr als ungenutzte Ackerbauflächen. Kritiker werfen ihm vor, er sei mitverantwortlich für die steigende Zahl illegaler Rodungen, wodurch sich Unternehmer neue Anbau- oder Weideflächen erschließen. Allein in diesem Jahr meldeten brasilianische Behörden mehr als 75.500 Brandherde – und damit schon mehr als im gesamten Jahr 2021. Zusätzlich stieg auch die Zahl von Abholzungen in dem Wald deutlich an.

Während seiner Präsidentschaft verloren Umweltbehörden laut eines Berichtes von Greenpeace zehn Prozent ihres Personals und ein Drittel ihres Etats. "Mit Bolsonaros Amtsantritt beginnt eine Abwärtsspirale einer umwelt- und menschenfeindlichen Politik", heißt es dort.

Noch wichtiger als die Klimapolitik und die Folgen der Pandemie ist im Wahlkampf dagegen ein anderes Thema: In dem einst aufstrebenden Land bahnt sich eine Hungerkrise an. Die auch in Brasilien steigenden Lebenshaltungskosten und die Pandemiefolgen sorgen dafür, dass immer mehr Menschen Probleme haben, ihre Familie zu versorgen. Laut einem Bericht des brasilianischen Netzwerks für Ernährungssicherheit haben 33 Millionen Menschen in dem Land nicht genug zu essen. Ein Anstieg um 73 Prozent gegenüber dem Jahr 2020.

Bolsonaro hatte zuletzt ein Hilfspaket geschnürt, gleichzeitig aber die Krise kleingeredet. "Hunger in Brasilien? Es gibt ihn nicht in dem Ausmaß, in dem darüber berichtet wird", sagte er im August. Gerade in der ärmeren Bevölkerung liegen nun große Hoffnungen auf seinen Konkurrenten Lula, dessen Präsidentschaft von 2003 bis 2010 auch für viele ärmere Menschen eine Zeit des Aufschwungs war.

Umgeben von Soldaten

Trotz der verheerenden Bilanz des Präsidenten gibt es auch Profiteure seiner Politik. Das erklärt auch, woher die Angst vor einem vom Militär unterstützten Umsturz kommt: Insgesamt soll Bolsonaro rund 6.000 Personen mit militärischem Hintergrund in den vergangenen Jahren zu Jobs in der Regierung verholfen haben – darunter ist auch sein Vizepräsident, ein früherer General.

Doch haben die Soldaten so großes Vertrauen in den Präsidenten, dass er die Truppen nach seinem Willen mobilisieren könnte? Mariana Llanos glaubt nicht daran: "Ich sehe nicht, dass das Militär als Institution geschlossen hinter Bolsonaro steht, um eine Putschsituation zu führen." Auch wenn der Präsident kein Demokrat sei, seien die demokratischen Institutionen des Landes stark genug, "um die Exzesse des Präsidenten einzudämmen."

Allerdings könnte der Übergang zu einer neuen Regierung unter Lula schwierig werden. Helfen werde dem möglichen neuen Präsidenten vor allem ein klarer Sieg mit einer hohen Wahlbeteiligung, sagt Llanos.

Andere sind weniger optimistisch: Im Vorfeld der Wahl haben zahlreiche Vertreter aus Politik und Zivilbevölkerung einen offenen Brief veröffentlicht, der für ein demokratisches Brasilien wirbt und an die Schrecken der vergangenen Militärdiktatur des Landes erinnert: Bolsonaro wird zwar mit keiner Silbe erwähnt. Dennoch wird überdeutlich, dass die Worte vor allem an ihn gerichtet sind: "Die Bedrohung der anderen Staatsgewalten und von Teilen der Zivilgesellschaft sowie die Aufstachelung zur Gewalt und der Bruch der verfassungsmäßigen Ordnung sind nicht hinnehmbar", heißt es unter anderem in dem Schreiben.

Verwendete Quellen
  • Schriftliche Anfrage an Mariana Llanos
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa, AFP und Reuters
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