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Russland | Ex-Präsident Medwedew: Hat er den Draht zu Putin verloren?


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Dmitri Medwedew
Hat er den Draht zu Putin verloren?


Aktualisiert am 24.07.2022Lesedauer: 4 Min.
Dmitri Medwedew: Der russische Politiker fällt durch seine harte Wortwahl auf.Vergrößern des Bildes
Dmitri Medwedew: Der russische Politiker fällt durch seine harte Wortwahl auf. (Quelle: Grigory Sysoev/imago-images-bilder)
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Eigentlich war Dmitri Medwedew nicht als Lautsprecher bekannt, doch nun fällt der russische Ex-Präsident durch seine radikalen Äußerungen auf. Warum?

Wer wissen will, was Dmitri Medwedew gerade denkt, muss einen Blick in seinen Kanal beim Messengerdienst Telegram werfen. Dort veröffentlichte der russische Politiker zuletzt etwa eine Liste von Dingen, an denen Russland in diesen Tagen keine Schuld trage: Etwa, dass die Amerikaner mit ihrem Präsidenten Joe Biden einen "seltsamen Großvater mit Demenz" gewählt hätten. Oder dass es in den Wohnungen vieler Europäer im Winter "bitterkalt" sein werde – oder dass die Ukraine bald "von der Weltkarte verschwinden könnte".

So geht das nun schon seit Monaten. Wobei Medwedew – 2008 bis 2012 Präsident Russlands und heute Vizechef im nationalen Sicherheitsrat – für seine Verhältnisse noch vergleichsweise milde Worte wählte. Nahezu täglich streut der 56-Jährige auf seinem Kanal Vernichtungsfantasien gegen den Westen und die Ukraine. Warum er so harte Worte wähle? "Weil ich sie hasse. Sie sind Bastarde und Abschaum. Sie wollen den Tod für uns, Russland. Und solange ich lebe, werde ich alles tun, damit sie verschwinden", sagte er Anfang Juni auf Telegram.

Karriere durch Loyalität

Wer sich an die Zeit des Präsidenten Medwedew zurückerinnert, muss sich wie in einer anderen Welt vorkommen: Es gibt Bilder, wie er entspannt mit dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama Hamburger isst. In dieser Zeit unterzeichneten beide auch den START-Vertrag zur nuklearen Abrüstung. Was ist also in den vergangenen Jahren mit dem Politiker passiert, der nie als Lautsprecher bekannt war und privat gerne Rockbands wie Deep Purple und Black Sabbath hören soll?

"Er hat Karriere wegen seiner Loyalität gemacht und nicht, weil er ein besonders talentierter Politiker war", ist sich Fabian Burkhardt vom Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropastudien in Regensburg sicher. Zwar habe Medwedew in der Tat einige Reformen in seiner Zeit als Präsident angestoßen. Ein echter Liberaler, den zu Beginn manche in ihm sehen wollten, sei er aber nie gewesen. Viele seiner Ideen kassierte Putin zudem ab 2012 wieder ein. Für Burkhardt schwingt in den heutigen Aussagen Medwedews Bitterkeit mit – aber eben auch das Signal, dass er noch immer treu an der Seite des heutigen Präsidenten steht.

Diesen Platz hatte Medwedew schon lange vor seiner Zeit als Kremlchef inne. Wie Putin stammt er aus St. Petersburg und studierte dort ebenfalls Jura. Eine Karriere beim Geheimdienst schlug er allerdings nicht ein, stattdessen arbeitete er in den Neunzigern als Dozent an seiner Heimatuniversität. Bereits zu dieser Zeit beriet er Putin, der damals für den Bürgermeister seiner Heimatstadt, Anatoli Sobtschak, tätig war.

Interesse an zweiter Amtszeit

Auch nachdem Putin Boris Jelzin als Präsidenten abgelöst hatte, wich Medwedew ihm nicht mehr von der Seite: In den Nullerjahren übernahm er verschiedene politische Jobs, zwischenzeitlich auch den Posten als Aufsichtsratschef im Energiekonzern Gazprom. Als Putin aus Verfassungsgründen 2008 nicht erneut für das Amt des Präsidenten kandidieren konnte, überließ er Medwedew den Posten, während er selbst als Ministerpräsident weiter die Kontrollen behalten wollte.

"Putin hat in ihm eine hyperloyale Person gefunden", glaubt Burkhardt. Dadurch habe er sich seine Rückkehr in den Kreml gesichert. Ganz geräuschlos erfolgte Putins Rückkehr allerdings nicht: Laut Burkhardt habe sich Medwedew 2012 durchaus eine zweite Amtszeit vorstellen können, doch Putin habe kein Interesse daran gehabt, dass sein treuer Weggefährte ihm plötzlich doch noch gefährlich werden könnte.

Nike-Sneaker und Gummienten

Die vergangenen zehn Jahre waren dann durch einen langsamen Abstieg des 56-Jährigen gekennzeichnet: Nachdem er mit Putin die Rollen getauscht und Premierminister geworden war, wurde er vom russischen Präsidenten häufig öffentlich als Sündenbock benutzt, wenn Probleme auftraten. Enthüllungen des Kremlkritikers Alexej Nawalny machten ihn im Volk zu einer Lachnummer: Ausgehend von Medwedews Vorliebe für teure Nike-Turnschuhe, enthüllte ein Film ein ganzes Geflecht aus korrupten Machenschaften des Ex-Präsidenten. In einem anderen Film zeigte Nawalny auf, dass auf einem seiner riesigen Landsitze ein kleines Haus in einem Ententeich errichtet wurde. Seitdem sind gelbe Enten ein beliebtes Symbol unter Demonstranten, die die russische Korruption kritisieren.

2020 gab Medwedew seinen Posten als Regierungschef ab. Personen, die ihm aus Sicht Putins zu Nahe standen, sollen danach aus dem Machtapparat entfernt worden sein. Zum engsten Kreis um den Präsidenten soll er heute nicht mehr gehören: Gut informiert sei er immer noch, glaubt Burkhardt, aber eben nicht mehr im allerengsten Zirkel.

Unter Experten werden diesbezüglich andere Personen genannt, wie der Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB, Alexander Bortnikow, der Verteidigungsminister Sergei Schoigu oder der Chef des Sicherheitsrats, Nikolai Patruschew. Dass Medwedews Posten als Stellvertreter Patruschews weitgehend unbedeutend ist, zeigt sich auch daran, dass die Stelle extra für ihn geschaffen wurde. Bei den Parlamentswahlen folgte im vergangenen Jahr die nächste Ohrfeige: Obwohl Medwedew noch immer Chef der Putin-Partei Einiges Russland ist, wurde er nicht als Spitzenkandidat aufgestellt. Stattdessen setzte Putin auf den im Volk beliebteren Schoigu.

Umweg über soziale Medien

Andere hätten sich an dieser Stelle wohl aus der Politik zurückgezogen. Burkhardt glaubt dagegen, dass Medwedew mit seiner aggressiven Rhetorik versucht, wieder mehr Macht zu erlangen: "Man muss heute ganz klar Loyalität zu Putin signalisieren, um überhaupt im Spiel zu bleiben." Dass der Ex-Präsident dabei auf soziale Medien zurückgreife, sei ungewöhnlich, aber trotzdem nachvollziehbar: Medwedew müsse diesen Weg wählen, um im Kreml für Aufmerksamkeit zu sorgen. "Wer den direkten Zugang zu Putin hat, muss eigentlich nicht in den sozialen Medien rumschreien."

Bleibt die Frage, was aus dem treuen Putin-Jünger in Zukunft noch werden soll. Dass er erneut zum Staatsoberhaupt gewählt wird, erscheint aus jetziger Sicht als unwahrscheinlich. Endgültig auf dem Abstellgleis sehe er sich aber selbst wohl noch nicht, glaubt Experte Burkhardt. Denn es könne durchaus von Vorteil sein, sich etwas im Hintergrund zu halten: "Die Leute, die sich zu ambitioniert äußern, werden häufig ausgeschaltet."

Verwendete Quellen
  • Interview mit Fabian Burkhardt
  • Eigene Recherche
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