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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Maischberger irritiert Lindner bricht mit Talkshow-Etikette
Der Finanzminister wettert bei "Maischberger" gegen eine Übergewinnsteuer und Subventionen für E-Autos. Dann verstößt Lindner gegen eine ungeschriebene Talkshow-Regel, bis die Moderatorin einschreitet.
Talkshows sind immer auch ein Stück weit politisches Theater – und hier wie dort gilt: Die Wand zum Zuschauer wird (abgesehen vom stilistischen Ausnahmefall) nicht durchbrochen. Am Dienstag aber wandte sich Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) plötzlich wie selbstverständlich direkt an die Menschen vor den Bildschirmen. Es ging um das Entlastungspaket der Bundesregierung.
Der Liberale erklärte, wo man sich darüber informieren kann. "Übrigens, bei www.bundesfinanzministerium.de", buchstabierte er, wurde aber umgehend von der Gastgeberin eingefangen. "Haben Sie jetzt direkt in die Kamera gesprochen?", fragte Sandra Maischberger ungläubig und beugte sich in Lindners Sichtachse, an deren Ende tatsächlich das rote Licht an der Kamera leuchtete. "Das klang jetzt nach direkter Werbung. Verzeihung. Es hat mich irritiert", meinte die Moderatorin.
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Die Gäste
- Christian Lindner (FDP), Bundesfinanzminister
- Sergiy Osachuk, ukrainischer Gouverneur
- Carlo Masala, Militärexperte
- Anna Planken, ARD-Moderatorin
- Katharina Hamberger, Deutschlandfunk
- Alexander Kissler, "Neue Zürcher Zeitung"
Lindner bekräftigte seine Abneigung gegen eine Übergewinnsteuer, um die vermeintlich übermäßig hohen Erträge der Mineralölkonzerne abzuschöpfen, mit denen diese sich laut Kritikern derzeit am Tankrabatt bereichern. "Ich möchte nicht ein Steuersystem haben, wo nach der Stimmung am Stammtisch – wer ist uns gerade sympathisch, wer nicht – bestimmt wird."
"Das Steuerrecht muss neutral sein und jeder muss sich darauf verlassen können", sagte der Bundesfinanzminister. Und derzeit gelte: "Das Steuerrecht kennt keine Übergewinne, sondern es kennt nur den Gewinn." Außerdem könne eine zusätzliche Abgabe erst recht zu steigenden Preisen führen, wenn Anbieter ihr Öl lieber auf lukrativeren Märkten anböten.
Lindner: Kaufprämie für E-Autos sofort abschaffen
Lindner warnte zudem, dass sich eine Übergewinnsteuer auch gegen die Profite von Impfstoffherstellern oder Solaranlagenproduzenten richten könne. Viele Mineralölkonzerne hätten zudem ihren Sitz gar nicht in Deutschland und würden deshalb nicht voll von einer solchen Abgabe getroffen. Er machte heimische Profiteure staatlicher Subventionen vielmehr bei der Energiewende auf den Straßen aus.
Ginge es nach Lindner, müssten Elektroautos nämlich so bald wie möglich teurer werden. "Man kann heute keine Elektroautos bekommen und trotzdem zahlt der Staat Subventionen und Milliarden darauf – das geht voll in die Kassen der Konzerne, die Riesengewinne machen", sagte er.
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"Da zahlen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, dass sich die Leute teure E-Autos kaufen können", kritisierte Lindner. Dies heize zusätzlich die Inflation an. Die staatliche Unterstützung solle daher am besten sofort gestrichen werden. Allerdings war die Kaufprämie für E-Autos Lindner schon lange vor den aktuellen Lieferproblemen ein Dorn im Auge. 2016 kritisierte er die Einführung unter der Großen Koalition als den falschen Weg.
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Mögliche Einsparungen bei der Kaufprämie verblassen angesichts der Kosten etwa beim Tankrabatt. Bei der auf nur drei Monate begrenzten Absenkung der Energiesteuer verzichtet der Bund laut "Tagesschau.de" auf Steuereinnahmen in Höhe von geschätzt knapp 3,2 Milliarden Euro. Für die Förderung von Elektroautos wurden seit 2016 rund 4,6 Milliarden Euro ausgezahlt, wie die Bundesregierung im Februar auf eine Anfrage der Linken mitteilte.
"War mit Grünen nicht durchsetzbar"
Während die Kaufprämie aber – ob nun gut angelegt oder nicht – direkt den Verbraucher entlastet, sind die Preise für Treibstoff weiterhin auf hohem Niveau. "Das ist jetzt die Aufgabe insbesondere des Kartellamts, dass die Steuersenkung tatsächlich ankommt", sagte Lindner und schob damit die Verantwortung an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen).
Selbiges tat der FDP-Chef mit dem Verweis darauf, dass er für einen Tankrabatt in Form von Beihilfen für Großhändler plädiert hatte. Mit dem wäre die Steuersenkung im vollen Umfang an die Verbraucher weitergereicht worden. Aber: "Das war in der Koalition aufgrund der Grünen nicht durchsetzbar."
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Apropos Energiewende: "Wir haben sichere Kernkraftwerke", sagte Lindner und plädierte dafür, über eine Verlängerung der Laufzeit der deutschen Anlagen zu sprechen. Bei seiner bevorstehenden Reise nach Kiew wolle der Bundesfinanzminister der Ukraine versichern, dass Deutschland fest an ihrer Seite stehe, sowohl im Krieg als auch beim Wiederaufbau des Landes und auf dem Weg in die Europäische Union.
Aus der Ukraine zugeschaltet war Sergiy Osachuk, Gouverneur der Region Czernowitz und Chef einer von landesweit 26 Militärgebietsverwaltungen. Der promovierte Historiker, der in Deutschland studiert und gearbeitet hat, warnte die Bundesregierung davor, Fehler aus dem Zweiten Weltkrieg zu wiederholen. Noch im Frühjahr 1945 hätten Regierungschefs aus aller Welt Adolf Hitler auf dem Obersalzberg besucht und sich später dafür schämen müssen, sagte Osachuk.
Er stellte die regelmäßigen Telefonate etwa von Bundeskanzler Olaf Scholz mit dem russischen Machthaber Wladimir Putin in einen ähnlichen Zusammenhang. "Deswegen muss man vorsichtig sein, mit wem man spricht: mit einem Mörder, der in Europa alles zur Ruine machen möchte", warnte er.
Putin "demütigen" oder schlicht besiegen?
Osachuk rief Europa auf, Einigkeit zu demonstrieren und geschlossen mit der Ukraine gemeinsame Werte zu verteidigen: "Putin versteht nur die Sprache des Stärkeren." Als Zeichen eines womöglich bröckelnden Zusammenhalts des Westens war die Aussage des französischen Präsidenten Emmanuel Macron gewertet worden, der vor einer "Demütigung" des Kremlchefs gewarnt hatte.
Für Carlo Masala, Politprofessor an der Universität der Bundeswehr München, war das eine weitere schwammige Aussage von oberster Stelle, deren Interpretation viel Raum lasse.
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Im Grunde stelle natürlich bereits jeder Rückzug der russischen Armee von ukrainischem Boden für Putin eine Demütigung dar, gab Masala zu bedenken. Deutlichere Worte fand Alexander Kissler von der "Neuen Zürcher Zeitung".
Er attestierte dem Wahlkämpfer Macron die "Mutter aller unangemessenen Äußerungen": "Sich jetzt Gedanken zu machen über die Demütigungsgefühle des Aggressors, das finde ich menschlich schon sehr, sehr jenseitig. Der Satz ist momentan unangemessen und fast schon unanständig."
- "Maischberger" vom 7. Juni 2022
- "Tagesschau.de" zum Tankrabatt