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Wladimir Putins Großmachtpläne: Wird Moldau sein nächstes Opfer?


Putins Großmachtpläne
Wird dieser Staat das nächste Opfer russischer Aggression?

MeinungEin Gastbeitrag von Katja Plate, Chișinău

Aktualisiert am 19.03.2022Lesedauer: 5 Min.
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Maia Sandu: Die Präsidentin der Republik Moldau will ihr Land in die Europäische Union führen.Vergrößern des Bildes
Maia Sandu: Die Präsidentin der Republik Moldau will ihr Land in die Europäische Union führen. (Quelle: Vadim Denisov/TASS/imago-images-bilder)

Die Republik Moldau ist ein kleiner Nachbar der Ukraine, könnte aber bald im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Wenn Wladimir Putin seine Hand ausstrecken sollte. Katja Christina Plate von der Konrad-Adenauer-Stiftung schätzt die Lage ein.

Mit Blick auf die Zukunft Europas stellt sich uns die Frage: Wird Wladimir Putin bei der Ukraine stoppen? Die kleine Republik Moldau ist in der unglücklichen Situation, den Lackmustest für die weiteren Pläne des russischen Präsidenten abgeben zu müssen. Das Land ist in etwa so groß wie Baden-Württemberg, verfügt jedoch nur über 2,6 Millionen Einwohner.

Die Mehrheit dieser Einwohner spricht Rumänisch, es gibt aber auch einen russischsprachigen Bevölkerungsteil und weitere Minderheiten. Als südwestliches Nachbarland der Ukraine teilt die Republik Moldau mit dieser eine 1.222 Kilometer lange Grenze. Von der ukrainischen Hafenstadt Odessa, der aktuell womöglich ein russischer Angriff bevorsteht, sind es nur rund 60 Kilometer bis zur moldauischen Grenze. Schon allein diese geografischen Rahmenbedingungen bieten genug Anlass zur Sorge.

Katja Christina Plate leitet die Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Rumänien und der Republik Moldau. Vorher war sie für die Stiftung bereits im Südkaukasus und in Italien tätig. In Berlin kümmerte sich Katja Plate um die Schaffung von Plattformen für den weltweiten Dialog und Austausch.

Hinzu kommt, dass die Republik Moldau am Ende des Zweiten Weltkrieges zu einem Teil der UdSSR gemacht wurde. Entsprechend befindet sie sich damit nun auch im Fadenkreuz von Wladimir Putins Geschichtsrevisionismus.

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Die Moldauische Sowjetrepublik wurde zwar 1991 im Zuge der Auflösung der UdSSR zur unabhängigen Republik Moldau. Während dieser nationalen Selbstfindungsphase kam es allerdings zu einer von einigen Bevölkerungsgruppen als zu rumänisch-nationalistisch empfundenen Politik, die zu größeren Konflikten zwischen der Zentralregierung in Chișinău und überwiegend von ethnischen Minderheiten bewohnten Gebieten – insbesondere in Transnistrien und Gagausien – führte.

Letztere Regionen hatten bereits 1990 ihre Unabhängigkeit erklärt. In Transnistrien eskalierte die Situation ab 1992 und ein Bürgerkrieg begann, der über 1.000 Todesopfer forderte und schließlich mit der Abspaltung des separatistischen Landesteils Transnistrien beziehungsweise der selbsternannten "Pridnestrowischen Moldauischen Republik" endete.

Die Kämpfe wurden durch das Eingreifen der auf transnistrischem Territorium stationierten russischen 14. Armee unter Führung von General Alexander Lebed beendet. Verhandlungen zur Lösung des Transnistrien-Konflikts führten bislang zu keinem Erfolg, sodass sich beide Konfliktparteien inzwischen mit dem Status quo weitgehend arrangiert haben.

Während die Region Gagausien 1994 erfolgreich und friedlich wieder in die Republik Moldau eingegliedert werden konnte, nachdem ein umfangreiches Autonomieabkommen ausgehandelt worden war, sind in Transnistrien nach wie vor russische Truppen stationiert.

Kaum abhängig von Russland

Die kleine Republik Moldau hat sich früh im militärischen Sinne als strikt neutral positioniert. Das Land verfügt über weniger als 8.000 Soldaten. Im Hinblick auf die Handelsbeziehungen war Russland lange ein wichtiger Exportmarkt für Wein, Obst und Gemüse aus der Republik Moldau. Eine konsequente EU-Annäherung des kleinen Landes änderte dies jedoch schrittweise, sodass heute – abgesehen vom Energiesektor – keine gravierende wirtschaftliche Abhängigkeit mehr von Russland besteht.

Bereits 1998 trat ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der Republik Moldau und der Europäischen Union in Kraft. Die EU unterstützte dabei den Aufbau der Marktwirtschaft sowie einer funktionierenden Demokratie im Land. 2010 wurden in der moldauischen Hauptstadt Chișinău im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik der EU die Assoziierungsgespräche aufgenommen.

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Langfristig sei die EU-Mitgliedschaft zwar ein Ziel, sagte der damalige moldauische Außenminister Iurie Leancă, aber vorerst wolle man eine Freihandelszone schaffen, gemeinsam wirtschaftliche Probleme lösen und vor allem die Visumpflicht für moldauische Bürger abschaffen. Am 27. Juni 2014 wurde in Brüssel das wirtschaftliche und politische Assoziierungsabkommen zwischen der Republik Moldau und der EU geschlossen und kurz darauf vom moldauischen Parlament ratifiziert.

Als es der Bevölkerung der Republik Moldau 2021 schließlich gelang, in demokratischen Wahlen ein kleptokratisches Oligarchen-Regime zu Fall zu bringen und nach der bereits 2020 gewählten demokratisch gesinnten Staatspräsidentin Maia Sandu auch noch mit überwältigender Mehrheit eine reformorientierte, proeuropäische Regierung zu wählen, beschleunigte sich auch die Westbindung des kleinen Landes.

Was plant Putin?

Vor dem Hintergrund der fragilen sicherheitspolitischen Lage ist es daher nur folgerichtig, dass die Staatspräsidentin, die Premierministerin und der Parlamentspräsident der Republik Moldau am Abend des 3. März 2022 einen Antrag auf Beitritt zur Europäischen Union unterzeichneten.

Bedroht von der russischen Invasion in das Nachbarland Ukraine und angezogen von der wahrgenommenen Bereitschaft der EU, Beitrittsgesuche aus Osteuropa anzunehmen, erklärte die moldauische Staatspräsidentin Maia Sandu: "The time is now!" Auch nicht verwundern kann allerdings, dass die transnistrische Führung in Tiraspol kurz nach dem Beitrittsgesuch der Republik Moldau zur EU erneut eine Anerkennung ihrer Unabhängigkeit forderte.

Bislang gibt es keine konkreten Hinweise, dass der russische Präsident Wladimir Putin plant, die Republik Moldau anzugreifen oder die Unabhängigkeit Transnistriens anzuerkennen. Tiraspol hat in den letzten 30 Jahren zahlreiche ähnliche Anträge auf Anerkennung gestellt. Nicht einmal die ausschließlich an Moskau gerichteten Anfragen sollen bisher beantwortet worden sein.

Ein Grund dafür, warum Transnistrien bisher nicht wie Abchasien, Südossetien und die separatistischen Regionen in der Ostukraine mit russischer Hilfe von der Republik Moldau abgespalten wurde, ist wohl das Fehlen einer gemeinsamen Grenze mit Russland. Sollte sich dies im Zuge des russischen Krieges gegen die Ukraine ändern, ändert sich auch die Lage für Chișinău und Tiraspol dramatisch.

Moldau hat viele Flüchtlinge aufgenommen

Was die Sache noch komplizierter macht: Unter der Hand wird angezweifelt, ob man sich in Transnistrien tatsächlich über eine scheinbare "Unabhängigkeit", aber faktische Eingliederung in den russischen Einflussbereich freuen würde. Vom bisherigen Status quo mit fast kostenlosem russischen Gas, Schmuggel und diversen anderen Aktivitäten am Rande der Legalität lebte das De-facto-Regime in Tiraspol recht komfortabel.

Zudem, so heißt es, bestehe das Führungspersonal in Transnistrien zum großen Teil aus ethnischen Ukrainern. Vor dieser unübersichtlichen Gemengelage blickt man aus der Republik Moldau entsprechend besorgt in Richtung Odessa, wo täglich mit einer Eskalation der Kriegshandlungen und einem massiven russischen Angriff zu rechnen ist. Hinzu kommt, dass die Republik Moldau in Relation zu ihrer Größe und ihrer Bevölkerungszahl am stärksten von der massiven Fluchtbewegung aus der Ukraine belastet wird. Die staatlichen Strukturen des – am Bruttoinlandsprodukt gemessen – ärmsten Landes Europas sind an ihrer Belastungsgrenze angekommen.

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Die prekäre Lage der Republik Moldau wurde zwischenzeitlich von der EU und anderen westlichen Partnern erkannt. Hochrangige Besucher geben sich seit Tagen die Klinke in die Hand und bringen Zusagen für Hilfsgüter und Unterstützung mit. Am stärksten kann sich die Republik Moldau jedoch auf ihr Nachbarland Rumänien verlassen, mit dem es durch Geschichte, Kultur und Sprache eng verbunden ist.

Moldau strebt nach Sicherheit

Rumänien unterstützt den moldauischen EU-Beitrittsantrag nach Kräften und setzt sich seit Jahren intensiv für die Entwicklung und Stabilität der Republik Moldau ein. Da viele Moldauer neben der moldauischen auch die rumänische Staatsangehörigkeit besitzen, wäre bei einem Angriff Russlands auf die Republik Moldau jedoch auch eine Involvierung des Nato-Landes Rumänien denkbar.

Durch Desinformationskampagnen und Einflussnahme auf die russischsprachige Minderheit im Land hat Russland jedoch auch noch einige weitere Mittel zur Destabilisierung der Republik Moldau in der Hand. Es verwundert also nicht, dass ganz oben auf der Wunschliste der Republik Moldau im Moment die Sicherheit vor Russland, der EU-Beitritt und eine stabile Entwicklung des Landes stehen. Ob es so kommt, könnte auch entscheidend für die Zukunft Europas sein.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben die Meinung der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

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