Streit um Vakzine Astrazeneca-Impfstoff soll EU vorerst nicht verlassen dürfen
Im Streit mit Impfstoffproduzent Astrazeneca macht die EU jetzt Ernst: Weil der Konzern Vereinbarungen nicht eingehalten habe, sollen Exporte unterbunden werden, kündigte Binnenmarktkommissar Breton an.
Exporte des Corona-Impfstoffs von Astrazeneca sollen nach den Worten von EU-Kommissar Thierry Breton nicht erlaubt werden, bis die Firma ihre Lieferpflichten an die EU-Staaten erfüllt hat. "Wir werden sicherstellen, dass alles in Europa bleibt, bis die Firma ihre Zusagen einlöst", sagte Breton am Freitag. Der diese Woche verschärfte Export-Kontrollmechanismus sei das Instrument dafür.
Die Ansage könnte die Spannungen mit Großbritannien verschärfen. Denn London hofft auf Lieferungen aus einem Werk der Firma Halix in den Niederlanden, das am Freitag offiziell die EU-Zulassung erhielt. Verhandlungen zwischen London und Brüssel laufen. Für die EU-Staaten könnte die Zulassung der Anlage und ein möglicher Exportstopp für Astrazeneca bedeuten, dass sie mehr von den vertraglich vereinbarten Dosen bekommen.
"Wir erwarten jetzt, dass die Impfstoffe, die in diesem Werk hergestellt werden, in den nächsten Tagen an die EU-Mitgliedsstaaten ausgeliefert werden", erklärte Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides.
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Astrazeneca ist extrem im Rückstand
Der Hersteller ist extrem im Rückstand. Astrazeneca habe der EU für das erste Quartal 120 Millionen Dosen Corona-Impfstoff zugesagt, liefere aber nur 30 Millionen, sagte Breton bei einer Pressekonferenz in Spanien. Nach Angaben aus der EU-Kommission sind sogar erst wenig mehr als 17 Millionen Dosen angekommen. Breton sagte, man habe die nötigen Instrumente, "dass wir kontrollieren und keine Abflüsse haben, wenn ich so sagen darf".
Die EU hat seit 1. Februar Exportkontrollen. Demnach müssen Hersteller Ausfuhren von Corona-Impfstoff genehmigen lassen. Seither wurden nach offiziellen Angaben 380 Anträge gebilligt und nur einer abgewiesen: Italien verbot Anfang März die Ausfuhr von 250 000 Dosen Astrazeneca nach Australien. Weitere Anträge der Firma sind nicht bekannt.
Diese Woche verschärfte die EU-Kommission die Exportkontrolle, sie strich Ausnahmen und erweiterte die Kriterien für Verbote. Dafür bekam sie beim EU-Gipfel am Donnerstag auch Rückendeckung. Exportverbote sollen aber nur im Notfall angewandt werden, weil man Gegenmaßnahmen fürchtet, etwa die Kappung von Rohstofflieferungen. Man wolle keine Störung internationaler Lieferketten, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Gipfel.
Breton nannte die Zulassung der niederländischen Impfstofffabrik Halix eine gute Nachricht, denn dort wurde nach seinen Worten bereits Astrazeneca-Impfstoff vorproduziert und zum Abfüllen nach Italien geschickt. "Alles was bei Halix in Leiden hergestellt wurde, alle Chargen wurden nach Anagni gebracht, wir haben die Chargen dort gefunden, sie sind da, sie sind abgefüllt", sagte Breton. Nach der EMA-Zulassung vom Freitag könnten sie in den nächsten Tagen oder Wochen ausgeliefert werden.
Streit um Millionen gelagerte Impfdosen in Italien
Die italienischen Behörden hatten vor einigen Tagen die Abfüllanlage in Anagni in der Nähe von Rom inspiziert und dort 29 Millionen Dosen Astrazeneca-Impfstoff entdeckt. Nach Angaben des Herstellers sollen 16 Millionen davon an die EU gehen, die übrigen Dosen an die internationale Covax-Initiative für ärmere Länder. Zu diesen Informationen der Firma sagte Breton: "Wir sind dabei, das zu überprüfen, ich kann das nicht bestätigen."
Gesicherter Nachschub von Astrazeneca und anderen Herstellern könnte den EU-internen Streit über die Verteilung der bisher sehr knappen Corona-Impfstoffe mildern. Österreich und fünf weitere Staaten hatten beim EU-Gipfel am Donnerstag Korrekturen verlangt, aber wenig erreicht. Die Gipfelerklärung bekräftigt den bisherigen Verteilschlüssel nach Bevölkerungsgröße. Nach stundenlangem Streit wurde nur vereinbart, über eine vorgezogene Teillieferung von zehn Millionen Impfdosen von Biontech/Pfizer "im Geiste der Solidarität" weiter zu verhandeln. Dies soll kurzfristig einige Löcher stopfen.
Bisher lief die Verteilung so: Grundsätzlich haben die Staaten Zugriff auf einen Anteil gemäß ihrer Bevölkerungsstärke in der EU - für Deutschland sind das knapp 19 Prozent. Will ein Land seinen Anteil nicht oder nicht ganz, können andere EU-Staaten die Mengen aufkaufen. Einige Staaten waren zum Beispiel skeptisch beim teuren Impfstoff von Biontech/Pfizer und setzten stärker auf das preiswerte Mittel von Astrazeneca. So gerieten sie ins Hintertreffen.
Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis sagte am Freitag, wenn das System so weitergeführt werde wie bisher, würden manche Staaten im Sommer genug Impfstoff für 90 Prozent ihrer Bevölkerung haben, andere aber nur für 40 Prozent. "Das ist inakzeptabel." Österreichs Kanzler Sebastian Kurz sagte, ein Kompromiss sei nötig.
- Nachrichtenagentur dpa, Reuters