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Russland: Putin will sich zunächst nicht mit Sputnik-Impfstoff impfen lassen


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Anschlag auf Nawalny
Putin: "Dann wäre diese Arbeit zu Ende gebracht worden"


Aktualisiert am 17.12.2020Lesedauer: 6 Min.
Russlands Präsident Wladimir Putin: In einer mehrstündigen Pressekonferenz beantwortet er Fragen von Journalisten und Bürgern.Vergrößern des Bildes
Russlands Präsident Wladimir Putin: In einer mehrstündigen Pressekonferenz beantwortet er Fragen von Journalisten und Bürgern. (Quelle: Alexander Zemlianichenko/ap)
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Die Beziehung zum Westen ist angespannt, die Corona-Krise setzt dem Land schwer zu: Russlands Präsident Wladimir Putin stellt sich den Fragen von Journalisten. t-online ordnet seine Propaganda-Show ein.

Inmitten extrem angespannter Beziehungen mit dem Westen hält der russische Präsident Wladimir Putin seine große Jahrespressekonferenz. Diese hält er jedes Jahr traditionell kurz vor Weihachten – in der Regel dauert sie mehrere Stunden, so auch 2020. Nach fast fünf Stunden wird die letzte Frage gestellt.

Die Fragen drehen sich traditionell um Innenpolitik und Wirtschaft. Aber in jedem Jahr äußert sich Putin auch zu internationalen Fragen. Hier können Sie die wichtigsten Aussagen Putins nachlesen – und was sie bedeuten.

Putin zu Nord Stream 2

Putin sieht trotz drohender neuer US-Sanktionen keine Gefahr für die umstrittene deutsch-russische Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2. "Das Projekt ist so gut wie abgeschlossen." Es müssten nur noch wenige Kilometer gebaut werden. Er hoffe, dass die neue US-Regierung die Interessen der Verbündeten respektiere und wieder zu einem fairen Wettbewerb auf der Welt zurückkehre.

Andreas Umland ist Politikwissenschaftler, Publizist und Osteuropa-Experte. Er arbeitet derzeit für ein Forschungsinstitut in Stockholm, Schweden, forscht an einer Universität in Kiew, Ukraine, und unterrichtet an der Uni Jena. Er ist zudem Herausgeber der Buchreihe "Soviet and Post-Soviet Politics and Society".

Das sagt der Experte: "Man könnte ironischerweise sagen, dass das Projekt tatsächlich abgeschlossen ist", sagt Politikwissenschaftler, Publizist und Osteuropa-Experte Andreas Umland. "Nur im Sinne, dass es tatsächlich nicht zu Ende geführt wird." Solange die USA ihre Position nicht radikal ändern, könne man nicht davon ausgehen, dass Nord Stream 2 finalisiert werde, sagt Umland. Das sei auch die Erwartungshaltung unter russischen Energieexperten. Umland geht davon aus, dass der kommende US-Präsident Biden diese Politik weiterführen wird.

Putin zu Nawalny

Putin bestreitet, dass der Geheimdienst für den Anschlag auf den Oppositionellen Alexej Nawalny verantwortlich ist. Er nennt Nawalny selbst nicht beim Namen, sondern bezeichnet ihn als den "Patienten aus Berlin". Dass Russland nicht verantwortlich sei, zeige sich allein dadurch, dass Nawalny nach Deutschland gebracht wurde. Er persönlich habe dazu die Anweisung gegeben, sagt Putin. Die Berichte eines Rechercheteams, nach denen Nawalny von einem Geheimdienstkommando umgebracht werden sollte, weist er als fabriziert zurück. Dahinter stecken laut Putin die US-Geheimdienste. Wenn jemand Nawalny hätte vergiften wollen, dann wäre diese Arbeit zu Ende gebracht worden. Nawalny sei nicht wichtig genug, um ein Ziel zu sein, meint der russische Präsident weiter.

Das ist bekannt: Ein Rechercheteam, zu dem unter anderem der Spiegel und Bellingcat gehören, berichtet, dass eine Gruppe von mindestens acht Agenten des russischen Geheimdienstes hinter dem Anschlag steckten. Die Recherchen konnten nachweisen, dass die Agenten Nawalny auf mehr als 30 Flügen heimlich begleitet hatten. Außerdem gebe es Hinweise, dass die Gruppe schon vor dem Giftanschlag im August mehrere Tötungsversuche unternommen hat, heißt es in dem Bericht. Mehr dazu lesen Sie hier. Auch Nawalny selbst macht ein "Killerkommando" unter Befehl Putins verantwortlich. Die EU hat wegen des Einsatzes des Kampfmittels aus der Nowitschok-Gruppe Sanktionen gegen Russland verhängt.

Jens Siegert leitet am Moskauer Goethe-Institut das EU-Projekt "Public Diplomacy. EU and Russia" und war bis 2015 zuständig für das Länderbüro der Heinrich-Böll-Stiftung in Russland. Er berichtet regelmäßig im Russland-Blog über das Land, in dem er lebt.

Das sagt der Experte: "Das ist die Kreml-Verteidigungslinie schon seit dem Sommer: Wir waren es nicht, denn was hätten wir erstens davon und warum sollten wir zweitens so dumm sein", sagt Russland-Experte Jens Siegert, der am Moskauer Goethe-Institut das EU-Projekt "Public Diplomacy – EU and Russia" leitet und zuvor für das Länderbüro der Heinrich-Böll-Stiftung zuständig war. "Heute hat Putin versucht, den Spieß der Bellingcat-CNN-Spiegel-Recherche umzudrehen: Das sei nur möglich gewesen, weil sie Informationen von US-Geheimdiensten bekommen hätten." Damit wolle Putin beweisen, dass Nawalny nur eine Marionette sei. "Aus meiner Sicht eine sehr lahme Begründung, wenig glaubhaft", sagt Siegert. Indirekt bestätige Putin damit aber, dass "die Inhalte der Recherche, also die systematische Verfolgung von Nawalny durch den FSB und vor allem durch Ärzte und Chemiker (Giftgasspezialisten) tatsächlich stattgefunden habe", so Siegert. Denn Putin habe nicht gesagt, dass die Verfolgungsdaten falsch seien.

Putin zur Corona-Krise

Putin will angesichts der Corona-Pandemie nicht von einem schlechten Jahr sprechen. Was hieße schon schlecht und gut, sagt Putin. Das Virus habe alle Bereiche des Lebens getroffen, aber: "Wir haben das besser gemeistert als andere Staaten." Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sei in Russland weniger gesunken als in vielen EU-Staaten.

Das sagen die Experten: "Von den Wirtschaftszahlen her scheint das zu stimmen", sagt Russland-Experte Jens Siegert. Da liegt Russland ungefähr im Schnitt der EU-Staaten. "Für die Pandemie selbst ist das zweifelhaft", so Siegert weiter. "Den russischen Zahlen über Infektionen und Tote ist nicht zu trauen. Viele Menschen, die sterben und mit Corona infiziert sind, werden nicht gezählt." Auch Politikwissenschaftler Umland hat an den Angaben große Zweifel: "Die Zahlen zu Wirtschaft und Corona sind unzuverlässig." Russland verzeichne beispielsweise einen Zuwachs an Toten nach Lungenentzündungen im Vergleich zu 2019, die nicht zu den Corona-Toten zählen. "Das lässt an der offiziellen Darstellung zweifeln", sagt Umland.

Russland steckte schon vor der Corona-Pandemie in einer schweren Wirtschaftskrise: Die hohe Arbeitslosigkeit und die Unzufriedenheit etwa mit Lebensmittelpreisen haben sich nun noch einmal deutlich verschärft. Kritiker werfen Putin vor, keine Lösungen für die Probleme zu haben.

Putin zum Impfstoff "Sputnik V"

Putin sprach weiter von einem Erfolg des russischen Impfstoffes "Sputnik V", mit dem derzeit die Bevölkerung gegen das Coronavirus geimpft wird. Putin spricht von einer Wirksamkeit von 96 bis 97 Prozent. Er selbst wolle sich allerdings erst impfen lassen, sobald das für seine Altersgruppe möglich ist. "Ich bin ein gesetzestreuer Mensch. Ich halte mich an die Empfehlungen. Für solche wie mich gibt es bisher keinen Impfstoff. Ich mache das, sobald es möglich ist", sagte der 68-Jährige.

Das sagt der Experte: Politikwissenschaftler Umland hält das für "beschönigend". "Zahlen, die den Impfstoff betreffen, halte ich für spekulativ", sagt Umland. Da der Impfstoff keine ausreichende Prüfung durchlaufen hat, könnte die Zahl aus der Luft gegriffen sein. "Das kann man als Propaganda bezeichnen", so Umland.

Putin zur Präsidentschaftswahl 2024

Putin sagt mit Blick auf die kommende Präsidentschaftswahl: "Ich habe für mich die Entscheidung noch nicht getroffen, ob ich bei den Wahlen 2024 antreten werde". Formal aber habe er die Erlaubnis des Volkes, führt Putin aus.

Das ist bekannt: Im Juli hatte Russland seine Bürger über eine vom Präsidenten initiierte, umstrittene Verfassungsänderung abstimmen lassen. Die Zustimmung der Russen erlaubt es Putin, seine bisherigen vier Amtszeiten auf null zu setzen. Damit könnte er 2024 und auch 2030 wieder zur Wahl antreten. Gemäß der alten Verfassung hätte er seinen Posten 2024 verlassen müssen. Mit der Verfassungsänderung kann Putin aber nun seine Macht auf Jahre zementieren. Mehr dazu lesen Sie hier.

Putin zur Einflussnahme auf die US-Wahl

"Russland hat niemals in der US-Wahl interveniert", sagt Putin auf eine Frage, warum russische Hacker dieses Jahr dem US-Präsidenten Trump nicht geholfen hätten. Allein die Frage sei eine "Provokation". "Das sind alles Spekulationen", fährt er fort. Die Vorwürfe, Russland habe 2016 bei der US-Wahl interveniert, sollen die Beziehungen zwischen Russland und den USA torpedieren. Der Fragesteller wollte zudem wissen, ob Russland dem scheidenden US-Präsidenten Donald Trump Asyl gewähren würde. Putin sagt, Trump habe viel Unterstützung und brauche keine Hilfe. Putin zeigte sich hoffnungsvoll, dass sich unter dem neu gewählten US-Präsidenten Joe Biden die Beziehungen zu den USA in einigen Punkten verbessern werden.

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Das sagt der Experte: "Es gibt ausführliche Untersuchungen über diese zielgerichteten Einflussnahmen", sagt Umland, wie den Mueller-Report in den USA oder auch akademische Studien. Der Bericht des Sonderermittlers Robert Mueller habe zwar nicht genug Aufmerksamkeit erfahren, weil keine aktive Kollaboration zwischen Trumps Team und Russland eindeutig bewiesen werden konnte. Dass aber die Server der Demokratischen Partei gehackt wurden und E-Mails der damaligen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton der Plattform Wikileaks zugespielt wurden, gilt als bewiesen. "Aufgrund des knappen Wahlausgangs 2016 könnte man auch spekulieren, ob das ausschlaggebend war", meint Umland.

Putin zu Verhältnis von Russland und Westen

"Russland ist völlig unschuldig", antwortet der russische Präsident auf die Frage eines BBC-Journalisten, ob Putin Verantwortung dafür übernehme, dass sich die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen massiv abgekühlt haben. "Wer ist aggressiv?", fragte Putin zurück und spricht über die Nato-Osterweiterungen. Russland habe ein geringeres Militärbudget als die USA, zudem haben die US-Amerikaner überall auf der Welt Militärbasen, Russland nur wenige.

Russland sei nicht der Staat gewesen, der sich aus dem "Washingtoner Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme" oder aus dem "Open-Skies-Abkommen" zurückgezogen hat. In der Amtszeit von Donald Trump waren die USA aus beiden Militärabkommen ausgetreten.

Das sagt der Experte: "Putin betreibt hier klassische Schuldumkehr", sagt Russland-Experte Jens Siegert. Nach 1990 gab es in Russland und im Westen die Annahme, dass beide künftig als demokratische Staaten eng zusammenarbeiten würden. Das habe sich aber unter Putin und mit der Enttäuschung über die demokratische und wirtschaftliche Entwicklung Russlands in den 90ern geändert: "In Russland kehrte das Narrativ wieder, es gehe nicht um Demokratie, sondern um Geopolitik. Die 1990er wurden nun so interpretiert, dass die Demokratie vom Westen aufgezwungen war und nur dazu dienen sollte, 'Russland klein zu halten'."

Die Osterweiterungen erst der Nato und dann der EU dienen laut Siegert nun dazu, angeblich zu beweisen, dass es dem Westen immer nur um die Einhegung Russlands ging. Die mittel- und osteuropäischen Staaten hätten sich nach dieser Sichtweise nicht freiwillig der Nato und der EU angeschlossen – etwa wegen ihrer schlechten Erfahrungen mit Russland –, sondern Nato und EU hätten sich in diese Staaten ausgedehnt, um Russlands Einfluss einzudämmen. "Diese Sichtweise ignoriert aber die Kolonial- und Imperialgeschichte Russlands in Mittel- und Osteuropa", so Siegert. Dann komme noch hinzu, dass Russland 2008 Krieg gegen Georgien geführt und 2014 die Krim annektiert und einen unerklärten Krieg gegen die Ukraine begonnen habe. Auch das sind "flagrante Verletzungen der in den Pariser Verträgen von 1990 vereinbarten Nach-Kalte-Kriegs-Friedensordnung" gewesen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräche mit Andreas Umland und Jens Siegert
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP, Reuters
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