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Putins fragwürdiger Corona-Impfstoff – "Bringen Bevölkerung in Gefahr"


"Bringen Bevölkerung in Gefahr"
US-Forscher warnen vor russischem Impfstoff

Von dpa, dru

Aktualisiert am 12.08.2020Lesedauer: 4 Min.
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Corona-Impfstoff aus Russland: So soll er heißen und darum wird Kritik laut. (Quelle: reuters)

Russland hat nach den Worten von Präsident Wladimir Putin den weltweit ersten Corona-Impfstoff zugelassen. Seine Tochter wurde angeblich als eine der ersten geimpft. Aus den USA kommen jedoch Warnungen.

Russland hat als erstes Land der Welt einen Impfstoff gegen das Coronavirus für die breite Anwendung in der Bevölkerung zugelassen. "Das russische Vakzin gegen das Coronavirus ist effektiv und bildet eine beständige Immunität", sagte Kremlchef Wladimir Putin am Dienstag im Staatsfernsehen. US-Mediziner hingegen warnen vor der Anwendung.

Der Impfstoff trägt den Namen "Sputnik-V" – eine Anspielung an den ersten Satelliten im All, den die Sowjetunion 1957 vor den USA gestartet hatte, was die Amerikaner damals überrascht hatte. Auf einen ähnlichen Schock-Moment hofft Moskau auch diesmal. Allerdings gibt es erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit des Impfstoffes, da wichtige Tests noch ausstehen, und weder die Wirksamkeit noch die Nebenwirkungen sich derzeit fundiert beurteilen lassen.

Renommierte Mediziner aus den USA bezeichneten "Sputnik-V" sogar als potenzielle Gefahr. "Niemand weiß, ob es sicher ist oder ob es funktioniert. Sie bringen die Mitarbeiter im Gesundheitswesen und ihre Bevölkerung in Gefahr", schrieb Florian Krammer, ein Virologe am New Yorker Krankenhaus Mount Sinai, bei Twitter.

Auch der frühere Chef der Behörde für Lebensmittel und Arzneimittel-Sicherheit (FDA), Scott Gottlieb, riet von der Einnahme ab. "Sie sind uns sicher nicht voraus und wir würden zum jetzigen Zeitpunkt keinen Impfstoff zur breiten Verteilung freigeben", sagte Gottlieb, der die FDA von 2017 bis 2019 geleitet hatte und heute als konservativer TV-Kommentator bekannt ist. Er fügte hinzu: "Aktuell würde ich ihn nicht nehmen, ganz sicher nicht außerhalb einer klinischen Versuchsreihe",

Putins Tochter ließ sich impfen

Präsident Putin hingegen ist von der Wirksamkeit überzeugt. Eine seiner beiden Töchter habe sich schon impfen lassen, sagte er. Bei ihr seien nach der ersten Injektion 38 Grad Fieber gemessen worden, das aber rasch wieder gesunken sei. "Sie fühlt sich gut." Der Impfstoff wurde vom staatlichen Gamaleja-Institut für Epidemiologie und Mikrobiologie in Moskau entwickelt. Weltweit gibt es mittlerweile mehr als 170 Projekte, bei denen unter Hochdruck nach Corona-Impfstoffen gesucht wird.

Den russischen Wirkstoff haben erst wenige Menschen im Rahmen einer Studie erhalten. Eine Zulassung vor dem Vorliegen der Ergebnisse großer klinischer Studien widerspricht dem international üblichen Vorgehen. So stellte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Vorfeld klar: "Jeder Impfstoff muss natürlich alle Versuchsreihen und Tests durchlaufen, bevor er genehmigt und ausgeliefert wird." Es gebe klare Richtlinien für die Entwicklung von Impfstoffen.

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Putin hatte im Frühjahr Druck gemacht, dass Russland schnell einen eigenen Impfstoff entwickele. Der Chef des russischen Investmentfonds sprach kürzlich von einem "Sputnik-Moment": "Die Amerikaner waren überrascht, als sie Sputniks Piepen hörten. Mit diesem Impfstoff ist es genauso. Russland wird ihn als erstes haben", sagte Kirill Dmitrijew dem US-Sender CNN. Sein vom Kreml gegründeter Fonds finanziert die Produktion und Entwicklung des Impfstoffs.

International warnen Experten vor zu großer Eile. "Auch in der aktuellen Pandemiesituation ist es zwingend erforderlich, dass alle Prüfungen und Bewertungen mit der gleichen Sorgfalt erfolgen wie bei anderen Impfstoffen", mahnte Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts im hessischen Langen. Zugelassen werden sollte ein Präparat nur dann, "wenn der gezeigte Nutzen mögliche Risiken deutlich überwiegt". Bei dem Impfstoff in Russland lässt sich dies bislang nicht bewerten.

Getestet an 50 Soldaten und Zivilisten

Russland hatte im Frühjahr eine klinische Studie mit dem Impfstoff in einer internationalen Datenbank registrieren lassen, damals noch als "Gam-Covid-Vac Lyo" bezeichnet. Es handelt sich um einen sogenannten Vektorimpfstoff. Dabei transportieren harmlose Viren Teile des Erbguts von Erregern in den Körper. Dieser bildet im Idealfall dann Antikörper und setzt andere Abwehrmechanismen in Gang.

Der Impfstoff sei bislang an 50 Soldaten und Zivilisten getestet worden, die sich freiwillig gemeldet hätten, hieß es. Doch die viel entscheidendere Phase ist die nächste Etappe, bei der an weitaus größeren Probandengruppen überprüft wird, ob ein Wirkstoff tatsächlich vor einer Infektion schützt und welche Nebenwirkungen auftreten. Dem Gesundheitsministerium in Moskau zufolge soll eine solche Phase-III-Studie mit etwa 2.000 Freiwilligen parallel mit der Zulassung des Präparats beginnen.

Die Bevölkerung soll unterdessen schon geimpft werden – zunächst Ärzte und Lehrer, nach Behördenangaben noch im August oder ab September. Die Genehmigung soll den Angaben nach vorläufig sein. Sie könne zurückgenommen werden, wenn der entwickelte Impfstoff am Ende nicht die gewünschte Wirkung hat.

"Eine reguläre Zulassung ohne die umfangreichen Daten aus einer Phase-III-Prüfung mit mindestens mehreren Tausend Probanden sollte mit Vorsicht betrachtet werden", sagte Cichutek der Deutschen Presse-Agentur. Bei den regulären Prüfungen könnten auch mögliche seltene Nebenwirkungen entdeckt werden. In Deutschland und der EU sei eine Zulassung erst nach Vorlage aussagekräftiger Sicherheits- und Wirksamkeitsdaten üblich.

Wettlauf um den Corona-Impfstoff

Laut einer Liste der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom Montag werden derzeit sechs Impfstoff-Kandidaten in einer Phase-III-Studie getestet – russische Präparate zählen nicht dazu. Die Weltgesundheitsorganisation WHO erinnerte aber auch daran, dass Russland eine "ausgezeichnete Tradition" bei der Herstellung und Anwendung von Impfstoffen habe. Die WHO stehe in engem Kontakt mit den russischen Gesundheitsbehörden, sagte eine Sprecherin auf Anfrage. Es liefen Gespräche über eine mögliche "strenge Überprüfung" aller gesammelten Daten über den Wirkstoff.

"Ich denke nicht, dass dieser Impfstoff besser oder schlechter ist als die anderen Kandidaten", hatte Stephan Becker von der Universität in Marburg kürzlich der "Süddeutschen Zeitung" gesagt. Der Virologe geht demnach davon aus, dass die meisten der jetzt entwickelten Vakzine eine Wirkung haben werden – offen sei aber, wie stark sie sein wird. "Dass ein Impfstoff vollständig schützt, also eine Infektion verhindert, ist eher die Ausnahme." Es werde schon schwierig sein, einen Kandidaten zu finden, der einen schweren Verlauf von Covid-19 abwenden kann.

Nur ein gut wirksamer Impfstoff kann Experten zufolge letztlich eine rasche deutliche Wende in der Corona-Pandemie bringen, ohne dass strenge Lockdown-Regeln nötig sind. Die Zahl weltweit bekannter Corona-Infektionen stieg zuletzt innerhalb von weniger als drei Wochen von 15 Millionen auf über 20 Millionen. Das ging am Montag aus Daten der Universität Johns Hopkins in Baltimore hervor. Besonders betroffen sind neben den USA, Brasilien und Indien derzeit auch Länder wie Russland, Südafrika und Mexiko.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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