Einsatz gegen die Pandemie Gouverneur Andrew Cuomo wird zum Anti-Trump
Im Kampf gegen das drohende Pandemie-Desaster in den USA gibt New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo immer mehr Amerikanern Halt. Auch, weil er vieles anders macht als Donald Trump.
Andrew Cuomo spricht zur Nationalgarde, hinter ihm hunderte Betten einer provisorisch aufgebauten Notfallklinik in Manhattan. Die Symbolik ist eindeutig: Der Gouverneur als Dreh- und Angelpunkt in größter Not. Als erster Krisenmanager New Yorks. Dieser stolzesten aller Metropolen, die selbst der 11. September nicht umhauen konnte – jetzt aber mit einer Gefahr konfrontiert ist, die ähnlich an ihren Grundfesten rüttelt.
Cuomo hat sich in den vergangenen Wochen für viele Amerikaner weit über die Grenzen seines Bundesstaates hinaus zum eigentlichen Anführer in der Pandemie entwickelt. Sie schauen seine morgendlichen Pressekonferenzen, die mittlerweile von TV-Sendern und Nachrichtenseiten übertragen werden. Es sind oft diejenigen, die von Präsident Donald Trump in der Krise enttäuscht sind.
Cuomo präsentiert sich als Anti-Trump
"Das wird Wochen um Wochen um Wochen dauern. Es wird ein langer Tag. Und es wird ein harter Tag. Und es wird ein hässlicher Tag. Und es wird ein trauriger Tag", ruft Cuomo den in der Krise abgestellten Streitkräften zu. Er beschönigt nichts, der 62-Jährige redet Klartext, sein Markenzeichen. Cuomo – dessen Vater Mario bereits Gouverneur war – strahlt Sicherheit und Ruhe aus, er vermittelt das Gefühl der Kontrolle einer kaum kontrollierbaren Situation.
Und er kann reden: Eine Stunde mit Fragen, frei und ohne Skript, aber trotzdem strukturiert. Unbeirrt hat der Demokrat die Fakten parat zur Funktionsweise von Beatmungsgeräten oder Studien zu Antikörper-Tests, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Er ist erfahren, wirkt aber nicht alt, ist ernst, behält aber seinen Witz. So verkündet er, Krankenhäuser, die ihre Kapazität nun verdoppelten, würden mit dem "Goldenen Stern" ausgezeichnet werden. "Ich weiß noch nicht genau, was das ist, aber darum kümmere ich mich später."
Präsident Trump fehlt die klare Linie
Dass es im Angesicht der größten Herausforderung seit den Terroranschlägen 2001 auch anders geht, zeigt das Weiße Haus. Trump müht sich sichtlich, den ernsten Krisenmanager zu geben. Doch immer wieder fällt er aus der Rolle und in alte Verhaltensmuster zurück. Da ist zum Beispiel seine Abneigung gegen kritische Medien: So kanzelte er vor wenigen Tagen einen Journalisten ab, der gefragt hatte, was er als Präsident verängstigten Amerikanern sagen würde. "Ich sage, dass Sie ein furchtbarer Reporter sind", schimpfte Trump.
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Auch mit dem Einräumen von Fehlern tut sich der Republikaner bekanntlich schwer. Mitte März sagte er auf die Frage, ob er Verantwortung für den Mangel an Tests übernehme: "Nein, ich übernehme überhaupt keine Verantwortung." Zum Vergleich sagte Cuomo nach seiner Verhängung von Ausgangsbeschränkungen: "Ich übernehme die volle Verantwortung".
Symptomatisch ist auch Trumps Beharren darauf, dass es sich um ein "chinesisches Virus" oder "ein ausländisches Virus" handele – also um ein Problem, das von außen kam. Keinerlei Scham kennt er beim Thema Eigenlob, das auch in der Krise immer wieder durchscheint. Auf die Frage, wie er seine Corona-Politik auf einer Skala von eins bis zehn bewerten würde, verlieh Trump sich die Bestnote.
Das Problem mit dem Instinkt
Trump vertraut tendenziell lieber seinem Bauchgefühl als Wissenschaftlern, entsprechend schwer tut er sich auch in dieser Krise. In der vergangenen Woche sprach er sich plötzlich dafür aus, dass die USA bis Ostern wieder weitgehend zum Normalbetrieb zurückkehren sollten. Das brachte ihm die Kritik ein, die Wirtschaft über das Leben vor allem Älterer und Kranker zu stellen. Dann schwenkte Trump nach Gesprächen mit seinen wichtigsten medizinischen Experten plötzlich doch wieder um – und verlängerte die Schutzmaßnahmen am Sonntagabend bis Ende April.
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Dazu kommen leere Versprechen. "Jeder, der einen Test braucht, bekommt einen Test", kündigte der Präsident vor drei Wochen an. Das ist in den USA immer noch nicht der Fall. Als falsch erwies sich auch seine Prognose von Ende Februar, dass die Zahl der Coronavirus-Fälle in den USA von damals 15 bald wieder auf "nahe Null" zurückgehen werde. Stattdessen haben die USA inzwischen mehr bekannte Coronavirus-Infektionen als jedes andere Land der Welt.
Der Moment, der Persönlichkeiten formt
Bislang hat Cuomo es weitgehend vermieden, den Präsidenten direkt zu kritisieren. Er will nicht den Zorn Trumps auf sich ziehen, von dem er in vielen Belangen abhängig ist. Zudem könnten Angriffe in der grundsätzlich tief gespaltenen US-Gesellschaft den Eindruck politischer Grabenkämpfe erwecken. Das kann Cuomo nicht gebrauchen, mehren sich doch sogar schon die Forderungen in den sozialen Medien, er möge als Trump-Herausforderer bei den Präsidentschaftswahlen im November antreten.
Cuomo betont immer wieder, dass es sein erstes Ziel sei, Leben zu retten. Er habe schmerzhafte Entscheidungen getroffen und sei sich sicher, dass sie politische Konsequenzen für ihn als Gouverneur haben werden. "Um Klartext zu sprechen, das ist mir egal. Ich habe das Richtige getan und ich bin stolz darauf." Und zumindest indirekt konterte er Trumps Plan zur Lockerung der Beschränkungen, als er sagte, dass seine Mutter Matilda nicht "entbehrlich" sei. "Das sind unsere Eltern und Großeltern, das sind unsere Tanten und Onkel, das ist unser Verwandter, der krank ist. Und jeder Instinkt sagt: Helft ihnen, schützt sie, weil sie uns brauchen!".
Mit etwas geschwollenem Tonfall wirkt er vor der Nationalgarde, man kann es nicht anders sagen, präsidial. "Sie erleben einen historischen Moment", erhebt Cuomo seine Stimme. "Ein Moment, der diese Nation verändern wird. Ein Moment, der Persönlichkeiten formt". Und man ahnt, dass er damit vielleicht auch sich selbst meint. "Deshalb sage ich Euch, meine Freunde, lasst uns raus gehen und diesem Virus in den Arsch treten." Kurze Zeit später verschwindet der Krisenmanager in den Tiefen der Halle. Leben retten.
- Nachrichtenagentur dpa