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Deutsche kandidiert für britisches Parlament: "Wir machen uns die Finger blutig"


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Deutsche Auswanderin gegen Brexit
"Wir machen uns die Finger blutig an den Briefkästen"

Florian Müller, AFP

09.12.2019Lesedauer: 3 Min.
Sie leistet Widerstand: Wera Hobhouse stemmt sich gegen den Brexit. (Symbolbild)Vergrößern des Bildes
Sie leistet Widerstand: Wera Hobhouse stemmt sich gegen den Brexit. (Symbolbild) (Quelle: Nour Alnader)

Bei den anstehenden Parlamentswahlen in Großbritannien kandidiert auch eine Deutsche: Wera Hobhouse kämpft gegen den Brexit – und verletzt sich dabei teilweise auch ihre Hände.

Die Stimme von Wera Hobhouse bebt am Telefon: "Wir führen einen übermenschlichen Kampf um jede Stimme", sagt die deutsche Auswanderin, die bei der Parlamentswahl Kandidatin für die Liberal Democrats in Bath im Südwesten Englands ist. "Jeden Tag und es ist kalt, und wir müssen immer noch die Flugblätter verteilen und an Tausende Türen klopfen." Grimmige Entschlossenheit ist es, die sie in diesen Tagen demonstrieren will.

"Wir machen uns die Finger blutig an den Briefkästen und haben Blasen an den Füßen" – alles für das in die Ferne gerückte Ziel, den Sieg des amtierenden Premierministers Boris Johnson und den Brexit doch noch zu verhindern. In knapp einer Woche gehen die Briten an die Urnen, um ein neues Parlament zu wählen. "Wenn die Tories eine Mehrheit bekommen, dann sind für mich die Lichter aus – zumindest was die Mitgliedschaft in der EU angeht", sagt Hobhouse.

Zuerst kandidierte sie für die Konservativen

Hobhouse, 1960 in Hannover geboren, zog 1990 mit ihrem britischen Mann nach England. Die Mutter von vier Kindern arbeitete als Lehrerin, Künstlerin und beim Radio, während sie sich zunehmend auch politisch engagierte. War sie in Deutschland bereits in der Anti-Atomkraft-Bewegung aktiv, betrieb sie in England Kommunalpolitik – zunächst für die Konservativen. "Ein kurzer Ausrutscher", wie sie heute sagt. Danach schloss sie sich den Liberaldemokraten an und kämpfte beim Referendum 2016 für den Verbleib Großbritanniens in der EU.

2017 zog sie das erste Mal ins Parlament ein und war dort als klimapolitische Sprecherin ihrer Fraktion tätig. Diesen Sitz will sie nun verteidigen, doch es könnte eng werden. Die Liberaldemokraten sind mit einer starken Anti-Brexit-Botschaft in den Wahlkampf gestartet, die bei den Wählern jedoch nicht so gut ankommt.

Johnsons Darstellung sei falsch

Landesweit kommt die Partei in Umfragen derzeit auf etwa 14 Prozent, verglichen mit 31 Prozent für Labour und 42 Prozent für die Konservativen. "Natürlich könnte es besser für uns laufen", räumt Hobhouse ein.

Sie hadert mächtig mit dem Wahlsystem in Großbritannien: "Wir werden ständig von dieser blöden Direktwahl ausmanövriert", sagt sie. Das ermögliche es den Konservativen mit einer Minderheit der Stimmen die Mehrheit der Sitze im Parlament zu erringen – knapp 70 Mandate beträgt sie nach aktuellen Umfragen.

Und deswegen stimme es auch nicht, wenn Johnson die Wahl zu einer Abstimmung über den Brexit erkläre. "Wenn man ein zweites Referendum hätte, würde die Mehrheit diesmal für Europa stimmen", ist sie sicher.

Die ständigen Angriffe der Konservativen auf EU-Migranten fallen laut Hobhouse bei den meisten Briten nicht auf fruchtbaren Boden. Im Gegenteil: "Wir sind das Land, das Migration am positivsten gegenübersteht", glaubt sie. "Es gibt einen harten Kern von Schreiern", räumt sie ein. "Aber die Mehrheit der normalen, toleranten und offenen Bürger versteht absolut, dass Migranten hier arbeiten wollen und das Wohlfahrtssystem nicht zerstören."

Sie denkt nicht an einen Rückzug aus der Politik

Seitdem sie im Parlament sitzt, erhält sie nach eigenen Angaben ständig anonyme Briefe. Ihre Wahlkampftermine hat sie deshalb der Polizei mitgeteilt, und wenn sie draußen unterwegs ist, hat sie immer einen Alarmknopf in der Tasche. Immer wieder seien in den vergangenen Tagen Wahlplakate von ihr zerstört worden – "mit einer Gewalt, bei der ich denke: Was würde passieren, wenn man sich persönlich trifft?"


Dennoch denkt Hobhouse nicht daran, sich wie so viele andere – vor allem Frauen – aus der Politik zurückzuziehen. "Ich weiß genau, was in Deutschland passiert ist, als sich die Leute nicht gegen die Nazis gestemmt haben", sagt sie. Liberale Grundrechte, die Souveränität des Parlaments und die Unabhängigkeit der Gerichte seien durch den erstarkenden Populismus in Gefahr. "Demokratie funktioniert nicht, wenn jeder zu Hause bleibt."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur AFP
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