Krise in Venezuela Venezuela: Maduro und Guaidó umwerben die Soldaten
Caracas (dpa) - Angesichts des offenen Machtkampfes zwischen Regierung und Opposition in Venezuela buhlen Präsident Nicolás Maduro und der selbst ernannte Interimspräsident Juan Guaidó um die Unterstützung der Streitkräfte.
"Wir wollen, dass die Soldaten die Verfassung und den Bürgerwillen achten", sagte Guaidó in einem veröffentlichten Interview der kolumbianischen Zeitung "El Tiempo".
Die Führungsriege der Streitkräfte steht noch immer treu zu Maduro. Verteidigungsminister Vladimir Padrino marschierte gemeinsam mit anderen ranghohen Militärs und einfachen Soldaten im Morgengrauen in voller Kampfmontur durch die Festung Tiuna in Caracas, um seine Unterstützung der Regierung zu unterstreichen. "Es ist Zeit für patriotischen und revolutionären Aktivismus", sagte Padrino. "Wir werden das Vaterland nicht ausliefern. Wir sind bereit, dafür zu sterben."
Die Opposition führt nach Aussagen Guaidós hinter den Kulissen bereits Gespräche mit Militärs und zivilen Regierungsvertretern über einen Machtwechsel in dem südamerikanischen Land. "Das ist eine sehr heikle Angelegenheit, bei der es auch um die persönliche Sicherheit geht. Wir treffen sie, aber diskret", sagte Guaidó in einem Interview der "Washington Post".
Gerade in den unteren und mittleren Rängen seien viele Soldaten unzufrieden mit der Situation. "Es nutzt nichts, dass sich die hochrangigen Militärs an ein Regime ohne Zukunft klammern und ein Modell, das bereits gescheitert ist", sagte er "El Tiempo".
Maduro hatte sich am Sonntag demonstrativ an der Seite von Soldaten gezeigt. Bei einer Übung lief der Staatschef im Laufschritt an der Seite von Verteidigungsminister Padrino durch die Festung Paramacay. Er fuhr ein Militärboot und posierte auf einer Marinebasis Arm in Arm mit Soldaten. "Immer loyal, niemals Verräter", riefen die Soldaten.
Guaidó war Anfang Januar zum Präsidenten des von der Opposition dominierten, von dem autoritär herrschenden Sozialisten Maduro aber entmachteten Parlaments gewählt worden. Nach der international umstrittenen Vereidigung Maduros für eine zweite Amtszeit am 10. Januar erklärte Guaidó sich seinerseits am 23. Januar zum Übergangspräsidenten Venezuelas.
Die USA und etliche lateinamerikanische Länder erkannten ihn bereits an. Unter anderem Deutschland, Frankreich, Spanien und Großbritannien haben Maduro aufgefordert, innerhalb einer Woche freie und faire Wahlen auszurufen. Geschehe das nicht, wären sie bereit, Guaidó ebenfalls als rechtmäßigen Interimspräsidenten anzuerkennen. Russland, China, der Iran, die Türkei sowie Kuba, Bolivien und Nicaragua hingegen halten weiter zu Maduro.
Papst Franziskus zeigte sich angesichts der eskalierenden Krise in Venezuela besorgt. "Was mir Angst macht? Das Blutvergießen. (...) Das Blut ist keine Lösung", sagte das Katholikenoberhaupt in der Nacht auf Montag im Papst-Flieger auf dem Rückweg vom Weltjugendtag in Panama. "Ich leide wegen dem, was gerade in Venezuela passiert." Der Pontifex wollte sich in dem anhaltenden Machtkampf jedoch auf keine Seite stellen. Damit "würde ich mich in eine Rolle begeben, die ich nicht kenne", das könne Schaden anrichten.
Die Kontrolle über die Streitkräfte gilt als der Schlüssel zur Macht in Venezuela. Guaidó veröffentlichte auf Twitter das vom Parlament verabschiedete Amnestiegesetz, das Militärs Straffreiheit zusichert, wenn sie sich an der Wiederherstellung der demokratischen Ordnung beteiligen. "Verteilt es an die Militärs in eurer Familie, unter euren Freunden und Nachbarn", schrieb er dazu.
Venezuelas Verteidigungsminister wies das Gesetz als einen Versuch zurück, einen Keil zwischen die Soldaten zu treiben. "Es ist ein großer Fehler, eine so würdige Institution wie die Streitkräfte dazu aufzurufen, mit dem Recht zu brechen", sagte Padrino im Fernsehsender Telesur. "Das Amnestiegesetz ist ein Instrument der Manipulation, niemand in den Streitkräften glaubt daran."
Der "Washington Post" sagte Guaidó, die Opposition wolle Maduro jetzt herausfordern, indem sie Nahrungsmittelhilfe ins Land bringe. Dafür hatten die USA und andere Länder Geld bereitgestellt. Maduro hatte solche Hilfslieferungen in der Vergangenheit meistens blockiert und behauptet, Berichte über Hunger und Elend in Venezuela seien von seinen Feinden frei erfunden.
Für Mittwoch und Samstag kündigte Guaidó neue Proteste an. Am Mittwoch sollten die Menschen im ganzen Land gegen die Regierung von Maduro auf die Straße gehen, sagte er. "Unsere Forderungen sind: Die Streitkräfte sollen sich auf die Seite des Volkes stellen und die humanitäre Hilfe durchlassen, die wir bereits in der ganzen Welt beantragt haben", sagte Guaidó.