Lira-Krise in der Türkei Türkische Notenbank verärgert Erdogan
Zinserhöhungen gegen die ausufernde Inflation oder eine Zinssenkung wie Erdogan es fordert? Die türkische Notenbank trifft nun eine klare Entscheidung – zum Ärger des Präsidenten.
Im Kampf gegen die Lira-Krise hat die türkische Notenbank den Leitzins überraschend stark angehoben und sich damit gegen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan gestellt. Die Notenbank erhöhte den Leitzins am Donnerstag von 17,75 auf 24 Prozent. Die türkische Lira legte nach der Entscheidung deutlich zu. Experten hatten zwar mit einer starken Anhebung gerechnet, die Erwartungen der meisten Analysten wurden aber nun übertroffen.
Drängen des Präsidenten
Erdogan hatte kurz zuvor bei einer Rede auf eine weitere Zinssenkung gedrängt und die Zentralbank kritisiert. Entgegen der gängigen Wirtschaftslehre sieht er Zinserhöhungen nicht als Instrument gegen Inflation, sondern als einen Treiber. Investoren hatten sich um die Unabhängigkeit der türkischen Notenbank gesorgt, die sich aber nun deutlich gegen die Forderung Erdogans stellte.
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Die Notenbanker teilten weiter mit, man werde den strafferen geldpolitischen Kurs durchziehen, bis es Verbesserungen bei der Inflation gebe. Falls nötig, würden weitere Zinserhöhungen folgen. Die Teuerung in der Türkei lag zuletzt bei rund 18 Prozent.
"Lasst uns diese hohe Zinsen senken"
Erdogan betonte vor der Sitzung der Notenbank, diese sei zwar unabhängig. Er warf den Währungshütern aber auch vor, für die hohe Inflation verantwortlich zu sein. An deren Adresse gerichtet sagte er vor Kleinunternehmern in Ankara: "Die Inflation ist das Ergebnis Deines falschen Handelns. Und wer zahlt den Preis dafür? Eben. Das Volk und Ihr Kleinunternehmer." Zudem forderte er: "Ich sage, lasst uns diese hohe Zinsen senken."
Als weitere Maßnahme gegen die Währungskrise entschied Erdogan zudem, dass Geschäftsverträge zwischen in der Türkei lebenden Menschen nur noch in türkischer Lira und nicht mehr in Fremdwährungen wie Euro oder Dollar abgeschlossen werden dürfen. Der am Donnerstagmorgen veröffentlichte Erlass legt fest, dass diese Verträge innerhalb von 30 Tagen auf Lira umgestellt werden müssen.
Krise seit Jahresbeginn
Das betrifft unter anderem Immobilienverkäufe und Mieten. Gerade in der Metropole Istanbul und in Touristengebieten werden Wohnungen häufig in Euro oder Dollar verkauft oder vermietet. Von der Maßnahme sind aber auch Verträge aus dem Transport und Finanzdienstleistungen betroffen.
Die türkische Lira hat seit Beginn des Jahres etwa 40 Prozent an Wert verloren. Die hohe Inflation gilt neben dem hohen Leistungsbilanzdefizit als Hauptauslöser für die Lirakrise. Hinzu kommt ein politischer Streit mit den USA mit gegenseitigen Sanktionen.
Die türkische Wirtschaft war im zweiten Quartal diesen Jahres gegenüber dem Vorjahreszeitraum zwar um 5,2 Prozent gewachsen, verlor aber deutlich an Schwung. Im ersten Quartal hatte sie im Vergleich zum Vorjahreszeitraum noch um 7,4 Prozent zugelegt.
- dpa