Erfolg der Rechtspopulisten Schweden steht vor schwieriger Regierungsbildung
Die Rechtspopulisten haben ein historisch gutes Ergebnis eingefahren. Ansonsten ist wenig klar nach der Wahl in Schweden. Bis die Regierung steht, könnten lange Wochen vergehen.
Auch Schweden, das Vorzeigeland der Sozialdemokratie, rückt politisch weiter nach rechts – allerdings nicht so stark wie andere EU-Länder. Dafür stürzten die Sozialdemokraten bei der Wahl am Sonntag auf das schlechteste Ergebnis in mehr als 100 Jahren ab. Zwar blieben sie als stärkste Kraft klar vor den rechtspopulistischen Schwedendemokraten und erreichten auch deutlich mehr Wähler als in Umfragen erwartet. Wer die Regierung bilden kann, ist aber völlig unklar. Zwischen den traditionellen politischen Lagern kam es zum Patt.
Angesichts dieser Lage forderte der sozialdemokratische Regierungschef Stefan Löfven ein Ende des traditionellen Blockdenkens. Parteien des rot-grünen und des liberal-konservativen Lagers müssten über eine Zusammenarbeit nachdenken, um den Rechtspopulisten keine Macht zu geben, sagte er in der Wahlnacht. "Das ist kein Machtspiel – es ist eine demütige Einsicht, dass keine Partei Schweden alleine führen kann."
"Beerdigung der Blockpolitik"
Löfven lud die Opposition schon kurz nach den Ergebnissen zu Gesprächen ein. "Es ist klar, dass keiner eine Mehrheit erzielt hat, also ist es natürlich, eine blockübergreifende Zusammenarbeit zu haben", sagte Löfven vor Anhängern. Die Wahl habe "die Beerdigung der Blockpolitik" besiegelt.
"Die Wähler haben ihre Entscheidung getroffen, jetzt liegt es an uns, den anständigen Parteien, das Endergebnis abzuwarten und dann zu verhandeln und zu kooperieren, um Schweden in verantwortungsvoller Weise voranzubringen", sagte Löfven.
Schweden war zuletzt einer von nur noch sechs EU-Staaten mit klassischer Mitte-links-Regierung. Nun müssen die Sozialdemokraten, die Westeuropa geprägt haben wie kaum eine Partei, auch in ihrem europäischen Musterland um die Regierungsmacht bangen. Nach Auszählung fast aller Wahlbezirke verloren sie etwa 3 Prozentpunkte und kommen nur noch auf 28,4 Prozent. Noch etwas mehr verloren die konservativen Moderaten, die bei 19,8 Prozent landen. Das dürfte beide Parteien auch mit Blick auf die Europawahl im Mai kräftig unter Druck setzen.
Fortsetzung des Rechtsrucks
Auch die Schwedendemokraten zogen bei der Präsentation der Zahlen zunächst lange Gesichter, feierten dann aber ihren historischen Erfolg. "Ich weiß, wer diese Wahl gewonnen hat, es sind die Schwedendemokraten", rief Spitzenkandidat Jimmie Åkesson vor Parteimitgliedern. Fast jeder fünfte Schwede stimmte für die einwanderungsfeindliche Partei. Sie gewann fast 5 Punkte hinzu, kam auf 17,6 Prozent und wurde damit drittstärkste Kraft. Ihre Wahlkämpfer hatten noch mehr erhofft.
Mehrere Umfrageinstitute hatten die Rechtsdemokraten vor dem Urnengang sogar ganz vorne gesehen. Denn die Flüchtlingskrise von 2015 hat auch Schweden verändert, das lange als moralische Großmacht mit offenen Armen galt. Genau wie Deutschland nahm das skandinavische Land im Verhältnis zur Bevölkerung viele Flüchtlinge auf. Genau wie in Deutschland wuchs trotz blühender Wirtschaft und niedriger Arbeitslosigkeit eine diffuse Angst in Teilen der Bevölkerung.
Und genau wie in Deutschland profitiert davon nun eine populistische Partei, die das düstere Bild einer Gesellschaft zeichnet, in der sich die Politik nicht um die Alteingesessenen kümmert. Mit der Wahl vom Sonntag setzt sich ein Rechtsruck fort, der seit der Flüchtlingskrise fast alle Wahlen in Europa geprägt hat. Erneut werden die Sozialdemokraten stark abgestraft, ähnlich wie vor einem Jahr in Deutschland und wie in Italien und Österreich.
Minderheitsregierung wäre auf Rechtspopulisten angewiesen
Nach dem starken Ergebnis der Rechtspopulisten könnte das traditionelle schwedische Zwei-Blöcke-System (Rot-Grün gegen Konservative) jetzt Geschichte sein. Die Schwedendemokraten verhindern jede stabile Regierungsmehrheit für eins der beiden Lager. Stattdessen deutet sich ein wackeliges Patt an: Sozialdemokraten, Grüne und die sozialistische Linkspartei kommen zusammen auf 144 Sitze, die liberal-konservative Vier-Parteien-Allianz unter Führung der Moderaten auf 143.
Die Regierungsbildung wird extrem schwierig, denn keine Partei will ihren traditionellen Block verlassen – eine Koalition mit den für ihre rechtsextremistischen Wurzeln und strenge Einwanderungspolitik kritisierten Schwedendemokraten wollen sie allerdings erst recht nicht eingehen. Åkesson forderte vor allem den konservativen Spitzenkandidaten Ulf Kristersson auf, das zu überdenken und mit den Schwedendemokraten zu sprechen.
Minderheitsregierungen sind in Schweden zwar normal. Jedes denkbare Bündnis wäre nach derzeitigem Stand bei Abstimmungen im Parlament aber auf die Zustimmung der Schwedendemokraten angewiesen. Das wollen die traditionellen Parteien eigentlich verhindern, denn es würde den Rechtspopulisten, ähnlich wie in Dänemark, die Macht geben, als Mehrheitsbeschaffer die eigene Politik mit durchzudrücken. Eine Position, die fast komfortabler ist als die einer Regierungspartei.
- dpa