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Erdogan will als türkischer Präsident mehr Kompetenzen haben


Wahrscheinlicher Wahlsieger
Erdogan will als Präsident mehr Macht haben

Von reuters
08.08.2014Lesedauer: 3 Min.
Recep Tayyip Erdogan wird wohl erster direkt gewählter Präsident der Türkei werdenVergrößern des Bildes
Recep Tayyip Erdogan wird wohl erster direkt gewählter Präsident der Türkei werden (Quelle: Reuters-bilder)
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Nach zehn Jahren als türkischer Ministerpräsident schickt sich Recep Tayyip Erdogan an, seine Machtbasis als künftiger Präsident noch einmal deutlich auszuweiten. Sein Sieg bei der ersten direkten Wahl des Staatsoberhaupts am Sonntag gilt als sicher. Der 60-Jährige sieht darin den ersten Schritt der Türkei hin zu einem Regierungssystem, das die staatliche Macht in den Händen des Präsidenten konzentriert.

"Ich sehe, dass meine Nation das präsidiale System mit dieser Wahl annehmen wird", sagte er im Vorfeld der Wahl dem TV-Sender Kanal 24. Kritiker des machtbewussten islamischen Politikers fürchten jedoch eine Einschränkung demokratischer Rechte.

"Präsidiales System ist sinnvoll"

Sollte Erdogan tatsächlich ein Amt mit einer dem US-Präsidenten vergleichbaren Machtfülle schaffen können, steht die Türkei vor einem Umbau ihrer Regierungsstrukturen. Bislang wurde der Präsident vom Parlament gewählt und hatte ähnlich wie in Deutschland eher repräsentative Funktionen. Das Regierungsgeschäft obliegt dem Ministerpräsidenten. Das will Erdogan ändern: "Es ist sinnvoll für fortschrittliche Staaten, in der Regel ein präsidiales System zu haben."

Ein ranghohes Mitglied in Erdogans islamisch-konservativer AKP sieht allein durch die Wahl schon Verschiebungen im Machtgefüge: "Wenn ein Mann wie Erdogan der erste direkt gewählte Präsident wird, bedeutet das - selbst wenn die Verfassung nicht geändert wird - dass die Türkei zu einem semi-präsidialen System wechselt."

Sollte Erdogan seine Machtbefugnisse mit einer Verfassungsänderung zementieren wollen, könnte der Startschuss dafür die Parlamentswahl im kommenden Jahr sein. Die AKP hätte die Chance, eine Zwei-Drittel-Mehrheit zu erreichen. Damit wären die Abgeordneten seiner Partei in der Lage, eine Verfassungsänderung durchzusetzen. Andernfalls müsste der Weg über einen Volksentscheid genommen werden.

Staatlicher Sender schweigt Gegenkandidaten tot

Die Gegenkandidaten Erdogans, der frühere Chef der Islamischen Weltkonferenz, Ekmeleddin Ihsanoglu, sowie Selahattin Demirtas, der Vorsitzende der linken Demokratischen Volkspartei, sind Umfragen zufolge chancenlos.

Die Opposition wirft Erdogan vor, hemmungslos seine Vorteile als Regierungschef auszunutzen. So habe etwa der staatliche Sender TRT zwischen dem 4. und dem 6. Juli 533 Minuten über Erdogan berichtet, drei Minuten und 24 Sekunden über Ihsanoglu und 45 Sekunden über Demirtas. Auch eine Delegation des Europarates monierte, Erdogan habe einen unverhältnismäßig großen Anteil an der Berichterstattung.

Unabhängigkeit der Justiz beschnitten

Mehr als ein Ungleichgewicht in der medialen Präsenz treibt die Kritiker jedoch die Einschränkung demokratischer Rechte um. So hat Erdogan eine umstrittene Reform eingeleitet, die dem Justizministerium die Kontrolle über den Hohen Rat der Richter und Staatsanwälte geben soll. Der Rat ist für die Ernennung von Juristen im Staatsdienst zuständig.

Vergangenes Jahr wurde ein Staatsanwalt von Korruptionsermittlungen abgezogen, die sich unter anderem gegen die Söhne von Kabinettsmitgliedern richteten. Erdogan bezeichnete die Vorwürfe als vom Ausland gesteuertes Komplott.

Festnahmen von Gegnern

Zudem ließ er Internet-Dienste wie Twitter und YouTube zeitweise sperren. Seine Kritiker sahen darin den Versuch, die Veröffentlichung von Audiomitschnitten zu stoppen, die seine Verwicklung in einen Korruptionsskandal belegen sollten. Laut Erdogan steckt hinter den Vorwürfen sein ehemaliger Weggefährte, der in den USA lebende islamische Kleriker Fetullah Gülen. Er wirft ihm vor, einen "Parallelstaat" aufbauen zu wollen und staatliche Strukturen mit Gefolgsleuten unterwandert zu haben.

Zuletzt waren deswegen 33 Beamte aus Istanbul, Ankara und dem Südosten des Landes festgenommen worden. Ihnen werde zur Last gelegt, Erdogan und dessen inneren Führungszirkel ausspioniert zu haben, meldete der Sender NTV. Schon im Juli waren 115 Polizisten festgenommen worden, 31 von ihnen sitzen noch in Untersuchungshaft.

Tiefe Kluft in der Gesellschaft

Auf Kritik reagiert Erdogan dünnhäutig. Als Bundespräsident Joachim Gauck während einer Türkeireise vor Studenten die türkische Regierung zum Schutz der Unabhängigkeit von Justiz und Medien aufrief, schoss Erdogan zurück: "Offenbar hält er sich immer noch für einen Pastor." Von den Deutschen müsse man sich nicht belehren lassen.

Es sind harsche Reaktionen dieser Art, die dem Ministerpräsidenten auch den Vorwurf eintragen, den Riss in der türkischen Gesellschaft zwischen der religiös-konservativen Mehrheit und der urbanen, westlich orientierten Minderheit vertieft zu haben. Sein Mitbewerber Ihsanoglu mahnt deswegen die nötigen Eigenschaften für einen Präsidenten an: "Er muss ruhig und ausgewogen sein sowie einen kühlen Kopf bewahren."

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